Montagskolumne mit Frank Reichelt: Wie geht es in der Arbeitswelt nach der Pandemie weiter?
 Top-Entscheider exklusiv 

Frank Reichelt. Quelle: Swiss Re - von der Redaktion bearbeitet.

Seit über einem Jahr erleben die meisten Arbeitnehmer – egal ob Mitarbeiter oder Führungskraft – die wohl größte Umbruchphase seit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Nie zuvor hat sich die Arbeitswelt so rasant verändert wie im ersten Corona-Jahr 2020. Eine Kolumne des Swiss-Re-Managing-Directors Frank Reichelt.

Vor dem Ausbruch der Pandemie war Arbeiten von zu Hause in Deutschland nach wie vor wenig verbreitet und mit dem Makel einer angenommenen niedrigeren Produktivität behaftet. Dann kam der Lockdown, verbunden mit der Aufforderung zum „Home-Office“. Was jahrzehntelang unmöglich schien, wurde in wenigen Tagen zur flächendeckend erzwungenen Realität: die Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus.

Laut einer aktuellen Studie der Versicherungsforen Leipzig, hofft ein Großteil der rund 230 befragten Versicherungsmitarbeiter, die neu gewonnene Flexibilität auch nach der Pandemie erhalten zu können. So wünscht sich eine große Mehrheit von knapp 90 Prozent der Befragten nach den Beschränkungen durch COVID-19 weiterhin eine flexible Wahl des Arbeitsortes. Allerdings müssen für eine langfristige Etablierung des Home-Office noch einige Hürden überwunden werden. Beim Übergang ins mobile Arbeiten hatten 60,3 Prozent mit der neuen Form der Zusammenarbeit zu kämpfen.

Flexibles Bürokonzept und „Own the way you work“

Glücklicherweise hat „mein“ Unternehmen Swiss Re, modernem Arbeiten schon immer eine hohe Priorität eingeräumt und ist seit Längerem ein Vorreiter des flexiblen Arbeitens. So hat Swiss Re in München bereits 2015 das 4C-Bürokonzept (Context, Communication, Concentration, Collaboration) mit verschieden gestalteten Bereichen für konzentriertes Arbeiten oder Zusammenarbeit in einer kreativen Umgebung eingeführt. Die neugestaltete Bürolandschaft ging einher mit der globalen Swiss Re-Initiative „Own the way you work“, die es den Mitarbeitern seit Jahren erlaubt, ihre Arbeit nach individuellen Präferenzen zu gestalten.

„Büro“ oder „Arbeiten von zu Hause“ konnte in Abstimmung mit dem eigenen Team und der jeweiligen Führungskraft täglich entschieden werden. Nachdem es diese Option bei Swiss Re schon lange vor Mitte März 2020 gab, verfügten alle Swiss Re-Mitarbeiter bei Ausbruch der Pandemie bereits über die notwendige technische Ausstattung, um von unterschiedlichen Orten aus arbeiten zu können.

Neue Arbeitswelt für uns alle

Wie viele andere Unternehmen beschäftigt sich auch Swiss Re bereits seit vielen Monaten mit der Frage, wie die Arbeitsbedingungen der Post-Corona-Ära aussehen werden und wie wir uns als Unternehmen am besten darauf vorbereiten können. Wie werden sich die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter verändert haben? Mit welchem Arbeitsumfeld wird Swiss Re im „War for Talents“ bestehen können?

Swiss Re hat zu Beginn des letzten Jahres das Programm ANNO 2021 (Adapting to the New Normal of our Organisation) gestartet. Für eine Neugestaltung unserer Arbeitswelt beschäftigt sich das Projektteam damit, Lehren aus der Pandemie zu ziehen, kurzfristige Corona-bedingte Anpassungen in langfristige Verbesserungen umzuwandeln, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu konzipieren und optimierte Arbeitsabläufe zu gestalten. Die wichtigsten Faktoren, die künftige Arbeitsplätze entscheidend beeinflussen, sind Gesellschaft (Generation XYZ, veränderter Führungsstil) und Technik (Zunahme von Daten und Analysen, KI). 

Ein Workstream des ANNO-Programms hat beispielsweise die Aufgabe, eine Reihe zukünftiger Arbeitsgrundsätze zu entwerfen, die die Präferenzen der Mitarbeiter, gewünschte Unternehmenskultur und Bedeutung der persönlichen Zusammenarbeit, Kundenbedürfnisse, Nachhaltigkeit des Unternehmens und Wohlbefinden der Mitarbeiter berücksichtigen.

Das Büro der Zukunft ist hybrid

Aktuelle externe Untersuchungen weisen darauf hin, dass nach der Pandemie eine Neugewichtung der Präferenzen der Arbeitnehmer stattfinden wird. Die Neuheit des Arbeitens von zu Hause hat nach über einem Jahr bereits nachgelassen. Viele Menschen sehnen sich zurück zu den persönlichen Verbindungen und Treffen im Büro, wie sie sie aus der Vor-Corona-Zeit kennen.

Mehrere Versicherungsunternehmen haben kürzlich angekündigt, dass sie in Zukunft ein hybrides Arbeitsmodell betreiben werden. Der Angestellte der Zukunft wird nicht mehr jeden Tag ins Büro gehen, sondern von zu Hause arbeiten. Das Büro bleibt wichtig für die sozialen Kontakte im Team, für den fachlichen und persönlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen.    

Wir dürfen gespannt sein, wie das Büro der Zukunft aussehen wird. Es gibt hierzu viele, sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das „Standardbüro“ wird es wohl künftig nicht mehr geben. Die persönliche Kommunikation miteinander statt Video-Chat-Meetings bleibt dem Büro vorbehalten – von Schreibtisch zu Schreibtisch, in Besprechungsräumen, aber auch an der Kaffeemaschine und in der Kantine. Ob es – angesichts der Nachhaltigkeitsdebatte – in Zukunft noch Kopierer bzw. Drucker in den Büroräumen geben wird, sei einmal dahingestellt.   

Die hybride Arbeitswelt, diese Mischung aus Büro und Home-Office wird Unternehmenskultur und Führungsstile des Managements verändern. Gut, wer sich darauf frühzeitig einstellt.

Zur Person: Frank Reichelt ist Managing Director beim Rückversicherer Swiss Re und unter anderem Hauptbevollmächtigter der Niederlassung in Deutschland. Für Versicherungswirtschaft-heute schreibt er in der Montagskolumne über verschiedene Aspekte der Versicherungswelt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

2 × fünf =