Montagskolumne: Allianz-Vorstand Renate Wagner über Management-Lehren aus der Krise
 Top-Entscheider exklusiv 

Renate Wagner, Allianz-Vorständin. Quelle: Allianz - von Redaktion bearbeitet.

Jeden Montag geben sich an dieser Stelle acht führende Köpfe der Branche exklusiv für VWheute den Kolumnenstift in die Hand und berichten über Themen, die das Top-Management der Versicherungswirtschaft jetzt und in Zukunft bewegen. Den Anfang macht Renate Wagner, Vorstand der Allianz SE.

Zum 131sten Jubiläum der Gründung der Allianz am 5. Februar ist auf unserem Mitarbeiter-Intranet ein Artikel erschienen, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Das Stück hieß „Lektionen in Krisenmanagement“ und handelte von der schweren Zeit vor ziemlich genau 100 Jahren. Der Erste Weltkrieg hatte 20 Millionen Leben gefordert und mindestens genauso viele Menschen physisch und psychisch geschädigt, unschätzbare Vermögenswerte und Sachgüter waren zerstört. Einer schrecklichen Pandemie, der Spanischen Grippe, waren geschätzt 50 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Hinzu kamen in Europa Revolutionen angesichts der enormen Kosten des Krieges und der verbreiteten Not der Menschen.

Der Artikel wollte Mut machen und darauf hinweisen, dass die Menschheit noch schlimmere Krisen bewältigt hat als diejenige, die wir heute durchleben. Er wollte auch der Allianz huldigen: Obgleich mehr als jeder zehnte Allianz-Mitarbeiter im Krieg gefallen war und das internationale Geschäft sowie das Vermögen der Allianz eingefroren waren, hatte das Unternehmen mit bemerkenswerter Widerstandsfähigkeit reagiert. Es führte 1918 eine neue Versicherung ein: Die Autoversicherung, die in den 20er Jahren boomen sollte. Und als Antwort auf das unmittelbare Bedürfnis der Kunden nach Schutz ihres Eigentums vor Beschädigung durch Straßenkämpfe, verkaufte es zum ersten Mal die „Aufruhrversicherung“. Das Produkt verkaufte sich wie geschnitten Brot.

Stets innovativ und kundenorientiert zu bleiben trotz widriger Umstände ist natürlich goldrichtig. Aus heutiger Sicht erscheint uns allerdings die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen auch jenseits des Geschäfts als wichtig.

Was bedeutet das für uns in der aktuellen Pandemie?

Die Pandemiekrise hat zunächst überall Solidarität hervorgerufen, ich habe einen großen Zusammenhalt erlebt, sowohl privat als auch im Unternehmen: Hilfsbereitschaft, schnelle, pragmatische Lösungen, Durchhaltewillen.

Wenn eine Krise länger andauert, kann sie Probleme und Differenzen vertiefen und genau das Gegenteil von gesellschaftlichem Zusammenhalt bewirken, nämlich eine Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft.

Wir erleben gerade, dass die Pandemie die ohnehin wachsende Ungleichheit in der Welt vergrößert. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst: Das trifft für Länder wie auch für die Menschen zu. Überall in der Welt sind ganze Branchen von der Pandemie in ihrer Existenz bedroht. Die jüngeren Menschen sorgen sich um ihre Zukunft. Und Frauen sind in vielerlei Hinsicht besonders betroffen von der Krise.  

Inzwischen breiten sich unter den Menschen Erschöpfung oder Verdrossenheit aus, denn die Belastung, die mit einer anhaltenden Ausnahmesituation einhergeht, ist oft schwer zu ertragen. Folglich hat sich in den vergangenen Monaten der Anteil an Menschen, die an psychischen Problemen und Stress leiden, vervielfacht.  

Was können wir als Unternehmen tun, um den Menschen in dieser zweiten Phase der Krise zu helfen?

Als Versicherer und Asset Manager gehört das Thema Sicherheit zu unserem Geschäftsmodell. Bei einer allgegenwärtigen Verunsicherung sind wir mehr denn je gefragt, uns so schnell wie möglich auch an einer beispiellosen Situation wie der einer weltweiten Gesundheitsgefährdung und eines länderübergreifenden Lockdowns anzupassen und den Menschen wieder mehr Sicherheit und ein Stück Zuversicht zurückzugeben.

Das bedeutet in erster Linie, in der Lage zu sein, unser Geschäft weiterzuführen – für die Sicherheit der eigenen Leute zu sorgen – durch ein solides Krisenmanagement, die Flexibilisierung der Arbeit und die flächendeckende Ermöglichung von Home Office. Um unserer Verantwortung gegenüber Kunden nachzukommen, setzen wir ebenfalls auf Flexibilität. Unser Ansatz ermöglicht es Kunden, uns jederzeit von überall aus über den Kanal ihrer Wahl zu erreichen.

Im Unternehmen heißt es darüber hinaus, Sorge zu tragen für diejenigen, die am stärksten betroffen sind; indem man z.B. Eltern von Klein- oder Schulkindern unterstützt, mit freien Tagen, Betreuungsangeboten oder Laptops für den Fernunterricht. Und indem man auf das seelische Wohlbefinden der eigenen Leute ganz besonders achtet, beispielsweise durch Kurse und Trainings zum Thema mentale Gesundheit sowie kostenlose medizinische und psychologische Beratung. Auch Gesten der Anerkennung sind außerordentlich wichtig in schwierigen Zeiten. Als Dankeschön für den unermüdlichen Einsatz während der Krise haben wir uns entschlossen, allen Mitarbeitern weltweit dieses Jahr einen zusätzlichen Urlaubstag zu schenken.

Gerade in dieser Situation wollen wir auch jenseits unseres eigenen Unternehmens einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Im Frühsommer 2020 haben wir in Zusammenarbeit mit unserem Partner HelloBetter die Initiative „Stark durch die Krise“ ins Leben gerufen. Damit ermöglichen wir allen Menschen in Deutschland eine kostenlose psychologische Beratung sowie Anti-Stress Trainings. Mit „Stark durch die Krise“ haben wir uns an Millionen Menschen gewendet, die Initiative wurde vom World Economic Forum (WEF) als eine von 15 Ideen ausgezeichnet, die bei der Bewältigung unmittelbarer und langfristiger Herausforderungen aus der Covid-19 Krise helfen. Das ist nur ein Beispiel, stellvertretend für eine Vielfalt an Initiativen, die unsere Allianz Gesellschaften in Deutschland und in den verschiedenen Ländern während der Pandemie eingeführt haben.

Laut des im Januar 2021 erschienenen Edelman Trust Barometers, das jährlich Umfragen und Berichte zum Thema Vertrauen veröffentlicht, hat die Krise in Deutschland bislang nicht zu einem Rückgang des Vertrauens in den Institutionen geführt. Im Gegenteil. Die Deutschen stufen vor allem Regierung und Unternehmen heute als vertrauenswürdiger ein als vor der Krise. Auf dieses Vertrauen müssen wir bauen. Es liegt an uns allen, und hier meine ich Menschen wie auch Staat sowie Unternehmen, gemeinsam das Ruder in die Hand zu nehmen und den Kurs zu bestimmen, der uns bestmöglich aus dieser Krise führt. Nicht nur Mut und konsequentes Handeln Einzelner sind gefragt, wir müssen zusammenhalten.

Autorin: Renate Wagner

Anmerkung der Redaktion: Wegen technischer Probleme wurde kurzzeitig nur ein Teil der Kolumne angezeigt. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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