BMW-Versicherungschef Dirk Förster: „Viele bestehende Gefahren sind nicht transferierbar“

Dirk Förster, Versicherungschef BMW, Quelle: BMW

Im Risikomanagement der BMW Group haben externe Versicherungen einen festen Platz: Sie helfen, Risiken außerhalb der Gruppe zu transferieren. Versicherungen sind dabei ein wichtiger, aber dennoch kleiner Ausschnitt des Risikomanagements des Konzerns, denn viele der bestehenden Gefahren sind nicht transferierbar, sondern zählen vielmehr zum unternehmerischen Risiko. Ein Kommentar von Dirk Förster.

Aufgrund der Diversität und der Komplexität von Risiken ist ein klassisches Enterprise-Risk-Modell mit der zentralen Aggregation und Management einer limitierten Anzahl von Risiken für die BMW Group nicht zielführend. Die Verantwortung für Risiken („Risk Ownership“) ist dezentral mit klaren Verantwortlichkeiten geregelt. Für die Zusammenarbeit als Netzwerk besteht eine zentrale Aggregations- und Steuerungsfunktion.

Versicherungsinteresse besteht nicht nur im ureigenen Verfügungsbereich der Produktionswerke, Lager, Transporte und Personen, sondern auch für die Zulieferkette und die Absatzkanäle. Risikoanalysen und die aktive Gestaltung von Risiken zur Minimierung, aber auch zur Erlangung und Sicherstellung der Versicherbarkeit sind ebenso Teil der intern erbrachten Leistungen wie die Abwicklung von Schäden als Schnittstelle zwischen internen Bereichen und der Versicherungswirtschaft.

Grundsätzlich fragt die Konzerngruppe Versicherungsschutz primär nicht im Frequenzbereich nach, sondern für solche Ereignisse, die die GuV oder die Bilanz des Unternehmens erheblich belasten würden. Neben prozessualen Vorteilen z. B. durch lokale Schadenabwicklungsmöglichkeiten der Versicherer oder Bergelohngarantien im Fall einer Havarie-Grosse sind auch vertragswesentliche Nebenleistungen von Versicherern gefragt, z. B. Risikoengineering oder generell umfassendes Know-how bei der Risikoanalyse und Abwicklung. Last but not least haben in den vergangenen Jahren daneben auch die im Rahmen der multinationalen Tätigkeit der BMW Group benötigten versicherungsförmigen Employee Benefits einen erheblichen Raum eingenommen.

Grundprinzip der Vergabe sind Ausschreibungen mit größtmöglicher Risikotransparenz und Informationssymmetrie für alle Teilnehmer. Sie sind keine lästige Formalität oder Fingerübung, sondern immer ergebnisoffen – im Sinne eines fairen und offenen Umgangs mit allen internationalen Partnern. Über Fronting im Rahmen der Erstversichererlizenz der Captive kann die BMW Group auch non-EU-Versicherern Beteiligungsmöglichkeiten anbieten und damit von ihrer Aufstellung als multinationaler Konzern profitieren.

Indes bewegt sich die Gruppe mit ihren Risiken nicht losgelöst von den Versicherungsmärkten und sieht sich – wie viele Nachfrager derzeit – mit Kapazitätskürzungen und der Nachfrage nach höheren Eigenbehalten und Prämien konfrontiert. Der akute Handlungsbedarf vieler Industrieversicherer ist nachvollziehbar, führt aber auf Seite der BMW Group zu eingeschränkten Deckungsumfängen bei deutlich höheren Kosten. Die höhere Komplexität durch mehr Beteiligte kreiert einen hohen internen Aufwand für die Platzierung und Administration, aber auch Erklärungsbedarf innerhalb des Konzerns. Die mangelnde Verfügbarkeit von langfristigen Verträgen (LTAs) erzwingt den Ausbau des Netzwerks in alternative Risikomärkte und stellt das klassische Geschäftsmodell Industrieversicherung mehr und mehr infrage.

Die deutsche Versicherungswirtschaft ist über Jahre ein verlässlicher und langfristiger Partner gewesen. Dies ist – bei aller Nachvollziehbarkeit der wirtschaftlichen Notwendigkeiten – ein Stück weit verloren gegangen. Die Merger der vergangenen Jahre haben aus Kundensicht die Verfügbarkeit von Industrieversicherungen deutlich verschlechtert, leider nicht nur im Hinblick auf Kapazität, sondern zum Teil auch im Hinblick auf Kompetenz.

Der konzerneigenen Captive kommt seither und auch künftig eine weitaus größere Bedeutung zu, und die Internationalisierung des Sourcings über die Grenzen Deutschlands und der EU hinausnimmt zu. In einem Punkt
stehen sich die BMW Group und die Versicherungswirtschaft sehr nahe: Beide stehen aktuell vor der Herausforderung, das Industrieversicherungsgeschäft auf der Angebots- und Nachfrageseite rasch zu digitalisieren und zu technisieren. Die Corona-Pandemie ist dabei nicht ursächlich, macht aber deutlich, wie notwendig diese Entwicklung der Branche ist.

Den vollständigen Kommentar lesen Sie in der aktuellen Februar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

20 − 1 =