Coya-CEO Andrew Shaw: „Versicherer haben ihre Kunden aus den Augen verloren“

Andrew Shaw. Quelle: Coya
Die Versicherungsbranche hat meiner Ansicht nach ein ganz grundlegendes Problem: Die meisten, vor allem klassischen Anbieter, denken zuerst an Policies und ihre Prozesse – und nicht an die Kunden und ihre Daten. Wenn sie aber, wie oft gepredigt wird, den Kundennutzen in den Vordergrund stellen wollen, kommen sie am Thema Digitalisierung nicht mehr vorbei. Ein Gastbeitrag von Coya-CEO Andrew Shaw.
Weil Digitalisierung Daten liefert und Versicherern dabei hilft, die Kunden besser zu verstehen und ihnen das zu bieten, was sie wollen und brauchen, wann sie es wollen und so schnell sie es wollen. Die Möglichkeiten dafür sind immens – aber dazu komme ich später noch.
Digitalisierung: Mehr als nur Prozessoptimierung
Versicherer haben ihre Kunden aus den Augen verloren. Sie sehen sie nicht mehr. Dabei wirkt Digitalisierung hier wie eine Brille, die den Blick schärft und die Kund:innen wieder in den Fokus rückt. Was damit ebenfalls wieder in den Mittelpunkt gerät: Worum geht es bei einer Versicherung eigentlich im Kern? Um ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. Ein Versicherer muss wissen, was ich als Kund:in wann brauche. Sie muss da sein, wenn ich sie brauche – nicht zeitnah, sondern sofort.
Bei der Digitalisierung der Versicherungsbranche geht es also nicht nur darum, Prozesse – wie etwa die Vermittlung von Policen – zu digitalisieren, sondern Prozesse so zu gestalten, dass sie den Kund:innen-Nutzen erhöhen. Ich kann nur dann ein guter Versicherer sein, wenn ich die Kund:innen auch wirklich kenne, in all ihren Facetten. Versicherer müssen also Touchpoints schaffen, die angenehm für die Versicherten sind und gleichzeitig eine digitale Infrastruktur bauen, die es ihnen selbst ermöglicht, aus Daten Wissen zu generieren. Und das selbstverständlich datenschutzkonform.
Daten müssen richtig genutzt werden
Einfacher gesagt, als getan. Denn der Kern des Problems steckt tief in den häufig noch immer veralteten Strukturen vieler Versicherer: Die Daten liegen in Silos verteilt, die unzureichend miteinander verknüpft sind. Um die Versicherten aber bestmöglich zu kennen und zu beraten, sollten Daten im besten Fall zentral in einem System gespeichert werden. Sonst werden die Versicherten nicht als Ganzes, sondern aus vielen verschiedenen Abteilungen unterschiedlich betrachtet. Mit dem Nachteil, dass sich der Versicherte nicht verstanden fühlt. Das Vertrauen bleibt auf der Strecke.
Statt also noch immer in isolierten Kategorien zu denken und Versicherte als einheitliche Masse zu betrachten, bietet die fortschreitende Digitalisierung die Möglichkeit, mit ihnen individuell zu interagieren. Heißt konkret: Versicherer sollten beispielsweise wissen, über welchen Kanal die Neukund:innen auf die Website gelangt sind, welches Werbemittel sie vorher möglicherweise angeklickt haben, wie schnell sie sich durch das Menü klicken, die AGB lesen und für welche Informationen sie sich am meisten interessierten. „Kontext is king“ und das entsprechende Reagieren der Versicherer auf die Daten entscheidet über den Eindruck, den ein Versicherer bei den (potenziellen) Neukund:innen hinterlässt.
Wir bei Coya haben uns beispielsweise dazu entschlossen, Daten so zu verwenden, dass sie zu mehr Transparenz, Vertrauen und Convenience bei den Versicherten beitragen. Wir fokussieren uns etwa auf sogenannte „Contextual Data“, um Pricing und Risiko der Kund:innen abzuschätzen. In den Datensatz werden beispielsweise mit einfließen, wie lange Nutzer:innen auf der Coya-Website surfen oder wie lange sie sich die Verträge durchlesen. Dieses Daten-Mosaik ermöglicht es, die Kund:innen viel individueller anzusprechen und zu versichern, als klassische Anbieter, die auf wenige traditionelle Metriken wie Alter, Geschlecht und Postleitzahl zurückgreifen – und das ohne Kontext. Wenn sich der Versicherte wirklich verstanden fühlt, schafft das Vertrauen.
Leitbild „Predictive Insurance“
Und mit Digitalisierung ist noch viel mehr möglich. Wenn Kundendaten in Zukunft noch besser analysiert und mit externen Daten verknüpft werden können, kann ich mir mittel- bis langfristig sogar ein Szenario vorstellen, das ich mit dem Schlagwort „Predictive Insurance“ beschreiben möchte. Mit der Hilfe von Daten lässt sich dann vorhersehen, welche Versicherungen die Kund:innen brauchen, bevor sie es selbst wissen. Das ist weit weniger böse Science-Fiction, als man auf den ersten Blick denken mag: Wenn beispielsweise Wetterdaten einen Sturm vorhersagen, meldet sich der Versicherer proaktiv bei den Kund:innen und schlägt ihnen per Smartphone-Push-Nachricht eine Gebäudeschutzversicherung vor, die sie mit wenigen Klicks abschließen können. Das ist allerdings für die meisten noch Zukunftsmusik. Bis es soweit ist, muss die Branche zuerst noch ihre
Digitalisierungs-Hausaufgaben machen und dabei beim kleinen Einmaleins anfangen.
Autor: Andrew Shaw, CEO von Coya
Das ist ein Vorurteil, das seit Jahren schon nicht mehr stimmt: Kundenzentrierte Produktentwicklung wird langsam zum Standard in der Versicherungswirtschaft!