Munich Re: Cyber-Geschäft mit einer Combined Ratio von 80 bis 85 Prozent bislang profitabel
Die Cyber-Versicherung lässt sich nach Einschätzung von Claudia Hasse für die Assekuranz profitable betreiben und wird nicht zum „neuen Asbest“. Hasse, die den Geschäftsbereich Deutschland der Munich Re leitet und unter anderem für Cyber in Europa und Lateinamerika verantwortlich ist, sagte beim „SZ-Risikogipfel: Industrie und Versicherung“: „Wir haben die Grenzen der Versicherbarkeit gut erkannt und die Kumulproblematik im Griff“. Nicht versicherbar ist ihrer Analyse zufolge im Wesentlichen nur der Ausfall kritischer Infrastruktur. Eine „Cyber-Pandemie“ schließt sie im Hinblick auf unterschiedliche IT-Systeme aus.
Für die Munich Re sei das Cyber-Geschäft mit einer Combined Ratio von 80 bis 85 Prozent bislang profitabel, und sie gehe davon aus, es auch künftig profitabel anbieten zu können. Gleichwohl rechnet sie im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung und mehr Fälle von Randsomware mit wachsenden Schäden. Dass die Erstversicherer die Preise erhöhten, nannte sie einen „gesunden Anstieg“. Die Münchener Rück profitiere daran vor allem über Quotenrückversicherung.
Klagen aus dem Markt, dass nicht mehr ausreichend Versicherungsschutz einzukaufen sei, hält sie entgehen: „Wir sind nicht dabei, Kapazitäten zurückzufahren, sondern verfolgen die Zielrichtung, dem Kunden mehr Cyber zu verkaufen.“ Für Industrierisiken würden im Markt aktuell bis 250 Mio. Euro Versicherungssumme ausgelegt, „im Einzelfall auch bis 500 Mio. Euro aber nicht mehr“. Hier hätten sich zwar die Kapazitäten wegen der veränderten Schadenbelastungen vermindert. „Aber die werden wieder steigen, wenn die Preise nach oben gehen.“
Gute Argumente für Cyberversicherungen
Schwierigkeiten sieht sie hierbei im Verkauf. „Der Vertrieb ist hier noch nicht stark genug, sondern muss besser werden. Da traut sich nicht jeder `ran“, so Hasse. Den Vertrieb in den Erstversicherungen will sie mit einem webbasierten Informationsportal für den Verkauf unterstützen. Dieses solle für alle Betriebsarten „gute“ Argumente für die Cyberversicherung liefern. Der Pilot wurde mit der Tochter Ergo aufgesetzt, soll aber später allen Zedenten angeboten werden.
Nach Einschätzung des Rückversicherers kommt der deutsche Cyber-Markt inzwischen auf ein Volumen von 160 Mio. Euro. Würden Cyber-Deckungen hierzulande genauso viel verkauft wie in den USA, läge das Marktpotenzial bei 400 bis 600 Mio. US-Dollar. Dass der deutsche Markt Wachstumspotenzial besitzt, macht sie unter anderem am wachsenden Bedarf im Mittelstand fest. 2019 entfielen von der Cyber-Prämie der Münchener Rück bereits 50 Prozent auf kleine und mittlere Unternehmen; bis 2023 soll dieser Anteil auf 57 Prozent steigen. Denn der Mittelstand spiele für die deutsche Wirtschaft eine wichtige Rolle“, so Hasse. Hier seien sich inzwischen zwar allgemein viele Unternehmen über Cyber-Gefahren bewusst, es herrsche aber ein „verschobenes Risikobewusstsein“ vor: So hielten nur 28 Prozent der KMUs die Cyber-Gefahren für das eigene Unternehmen für hoch.
Kopfschmerzen bei Ransomware-Attacken
„Kopfschmerzen“ bereitet Nepomuk Loesti, Head of Financial Lines Europe – AIG Europe SA Executive, die Entwicklung bei den Ransomware-Attacken. Hier gebe es seit rund acht Wochen „eine Welle, wie wir sie noch nicht gesehen haben“, sagte er. Die Vorgehensweise sei immer gleich: Sicherheitslücken durch ungepatschte Systeme, Shadow IT und ähnliches würden von den Angreifern genutzt, um Daten zu stehen oder zu verschlüsseln. Meist werde dann eine Weile abgewartet, um auch noch die Backups der angegriffenen Unternehmen zu manipulieren. Für die Entschlüsselung würden von großen Unternehmen „mittlere zweistelle Millionenbeträge“ gefordert. Unabhängig davon, ob die Unternehmen zahlten oder nicht, hätten sie meist auch einen erheblichen Schaden aus Betriebsunterbrechung. Er plädiert dafür, dass die Erstversicherer bereits für kleinere Deckungen Konsortien bilden.
Zu den Preiserhöhungen im Industrieversicherungsmarkt sagte Loesti, dass eine Runde Preiserhöhungen nicht ausreichen werde. Es gebe einen „perfect Storm“: Erst- und Rückversicherer hätten Schwierigkeiten mit der Profitabilität in der Versicherungstechnik. Hinzu kämen die Probleme auf der Investmentseite durch den Niedrigzins. „Das wird nicht schnell zu lösen sein“. Er spreche sich für eine frühe Kommunikation mit den Versicherungsnehmern aus, weise aber die von den Versicherungsnehmern vorgeworfene „Brutalität“ der Sanierung von sich. Die versicherungsnehmende Industrie habe den Markt viele Jahre für Preissenkungen genutzt und mit einer „gewissen Naivität“ geglaubt, dass das immer so weiter gehe.
Autorin: Monika Lier