Datenkultur als Essenz der analytischen Transformation

Quelle: geralt / Pixabay

Operatives Marketing und die Evaluierung von dessen Wirksamkeit beschäftigen Dirk Heinecke schon seit langem. Seit etwa einem Jahr ist der Berufsalltag des Mitarbeiters der Versicherungskammer noch etwas technischer geworden: Heinecke arbeitet nun auch mit Data Analytics und entwickelt Anwendungsfälle – sogenannten Data Science Use Cases.

Er hat erkannt, dass Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) mehr als ein Trend sind und bildet sich aus Eigeninitiative weiter. So wie Dirk Heinecke erleben die meisten Menschen in der heutigen Zeit, dass die Datenanalyse und KI-basierte Datenverwertung auf ganz unterschiedliche Weise Teil ihres Alltags werden.

Daten helfen dabei, das Smartphone per Spracherkennung zu bedienen, regulieren die Heizung im smarten Zuhause und messen, wie sportlich die Laufrunde war. Eine datengetriebene Welt erfordert auch datengetriebene Handlungsweisen in den Unternehmen: Die immer dynamischeren Kund*innenbedürfnisse möchten bedient werden und stellen für die Unternehmen zunehmend ein „Moving Target“ dar.

Technologien wie Big Data und Methoden aus Data Analytics & KI ermöglichen Entscheidungsunterstützung und sogar dynamische Prognosen. Die geschaffene Berechenbarkeit sorgt für einen Wissens – sowie Geschwindigkeitsvorsprung in der Erfüllung der Kund*innenbedürfnisse.

Der Versicherungsbranche ist es in Teilen bereits gelungen, die für den Wandel notwendigen digitalen Fähigkeiten aufzubauen. Dazu gehört auch, dass sie interne und externe Daten in zunehmendem Maße für sich nutzbar macht und daraus Anwendungsfälle zum Nutzen für ihrer Kund*innen ableitet. Die Corona-Pandemie hat diesen Wandel noch einmal maßgeblich beschleunigt.  Durch die digitale Interaktion mit den Kund*innen entstehen zum einen neue Erwartungen – zugleich aber auch neues Datenmaterial, das wiederum innovative KI-Anwendungen befeuert.  

Eine höhere Durchdringung des sogenannten digitalen Fallabschlusses führt zu umfassenderen Einblicken in das Nutzerverhalten, die wiederum für eine komfortablere und effektivere Ausgestaltung von Kundenreisen („customer journeys“) entlang des Antragsprozesses oder der Schadenbearbeitung genutzt werden können. Ein hoher Reifegrad in Daten & KI würde sich in diesem Beispiel unter anderem dadurch auszeichnen, dass die Verbesserung der Kundenprozesse durch maschinelles Lernen (eine Methode der KI) teilweise automatisch und kontinuierlich aus den Beobachtungen der Kundenreisen „erlernt“ wird und damit nicht mehr rein manuell durch Menschenhand erfolgt.

Die Interaktion von Mensch und Maschine ist also in der sich wandelnden digitalen Businesswelt nicht mehr wegzudenken. Je mehr Mitarbeiter*innen in einem Unternehmen sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von Daten und Künstlicher Intelligenz kennen, desto besser lassen sich Data Analytics & KI Methoden  nutzen und Mehrwerte für Kund*innen schaffen. Die Voraussetzung dafür ist aus unserer Sicht eine durchgängige und aktiv gelebte Datenkultur. Doch wie können Beschäftigte mit unterschiedlichen Vorkenntnissen ein Gespür für diese Kultur entwickeln, lernen Informationen in einen anderen Kontext zu setzen und mit neuen Technologien umzugehen?

Breites Angebot für jeden Kenntnisstand

Ein ausgewogenes Schulungsprogramm, das allen Mitarbeitenden zur Verfügung steht, ist Teil der Etablierung einer Datenkultur. Die Data Academy im Konzern Versicherungskammer bietet Fortbildungsmöglichkeiten für alle. Sie richtet sich an Beschäftigte mit unterschiedlichem Kenntnisstand und Berufsprofilen. Die Teilnehmer*innen können sich Wissen auf verschiedenen Wegen aneignen: über Präsenzveranstaltungen, im Selbststudium und in der Praxis. Das Schulungsprogramm wurde nach einer gut besuchten Präsenzphase im Zuge der Corona-Pandemie in ein virtuelles Format überführt. Auch auf diese Weise lässt sich der Umgang mit Daten effektiv vermitteln. Die einzelnen Kurse sind auf den jeweiligen Kenntnisstand der Mitarbeiter*in zugeschnitten. Beschäftigte ohne weitreichende analytische Kenntnisse besuchen den  „Data Citizen“ Ausbildungspfad der Data Academy, um grundlegendes Wissen zu Daten & KI aufzubauen. Zudem werden sie mit dem Datenschutz vertraut gemacht und erlernen, Ideen für Use Cases zu ihrem täglichen Aufgabengebiet im Fachbereich zu generieren.

Ein weiteres Angebot der Data Academy richtet sich an Data Scientists im Konzern Versicherungskammer, die sich fortbilden möchten. Sie sind schon vor der Schulungsmaßnahme Experten und setzen bereits analytische Modelle zur Weiterentwicklung des Geschäfts und zur Optimierung der internen Geschäftsabläufe um. Ebenso können sich Mitarbeiter*innen mit Vorkenntnissen zum Data Scientist weiterbilden. Voraussetzung für Interessenten ist ein solides Grundwissen aus Mathematik, Statistik oder Informatik und idealerweise Grundkenntnisse zu Data Science-Werkzeugen wie etwa Programmierumgebungen und Visualisierungs-Tools. In verschiedenen Stufen lernen sie, methodische und praktische Fertigkeiten anzuwenden. Die Teilnehmer erfahren beispielsweise, wie sie mit Werkzeugen einer skalierbaren Analytics-Plattform umgehen, oder verinnerlichen die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Anwendungsfall gemäß der „AI Canvas“ Methode. Hierbei ist entscheidend, dass KI von der Anwendung und damit vom Business her gedacht werden muss, um erfolgreich zu sein. „AI Canvas“ stellt sicher, dass die Grundbedingungen für einen aussichtsreichen Use Case zu dessen Beginn systematisch überprüft und nach Möglichkeit erfüllt werden. In der einfachsten Form ist dies die Existenzqualitativer Daten, ausreichender Skills der beteiligten Fach- und IT-Mitarbeiter,  ein definierter Wertbeitrag („Value Proposition“), klare Messgrößen zur Optimierung (KPIs) sowie  klar benannte Stakeholder inkl. der Abnehmer bzw. Kunden.

 „Für mich ist die Data Academy ein sehr gutes Programm, das mir die Möglichkeit gibt, meine Kenntnisse einfach und unkompliziert weiterzuentwickeln“, sagt Teilnehmer Dirk Heinecke. „Am spannendsten ist für mich die Arbeit direkt am Use Case, die von einem Mentor begleitet wird. Dabei nehme ich besonders viel Wissen mit. „Im konkreten Fall hat sich Robert Hager als Mentor von Dirk Heinecke angeboten. Seit fünf Jahren arbeitet Robert Hager als Data Scientist und gibt seine Kenntnisse gerne weiter: „Die Data Academy schafft für Kolleg*innen aus unterschiedlichen Bereichen einen Zugang zu datengetriebenen Technologien. Die Mentees arbeiten mit viel Eigeninitiative an ihren Anwendungsfällen und finden in uns Mentoren Sparringspartner rund um methodische und technische Fragen.“

Vor allem entwickelt die Data Academy ein Bewusstsein für den Wert von qualitativen Daten, der sich künftig immer klarer monetär bemessen lassen wird. Ist die „Awareness“ erstmal geschaffen und der qualifizierte Umgang mit den Potentialen aus Daten & KI einer hohen Anzahl Beschäftigter möglich, kann sich die transformierende Kraft und der Nutzen durch KI in einem Unternehmen in der Breite entfalten.

Anwendungsfälle nah am Kunden

Kann das Wissen im Umgang mit Daten & KI zielgerichtet eingesetzt werden, lassen sich vielfältige Anwendungsbereiche mit Mehrwert für Kund*innen finden. Für den Use Case zur Solaranlagenerkennung im Konzern Versicherungskammer etwa entwickelten Data Scientists und Experten aus der Wohngebäudeversicherung  eine Künstliche Intelligenz, die es Vertriebsmitarbeiter*innen ermöglicht, den Versicherungsbedarf von Kund*innen zu ermitteln, die Photovoltaikanlagen auf dem Hausdach installiert haben. Eine Vielzahl der Besitzer von Photovoltaikanlagen sind nach Marktschätzung nicht oder nur unzureichend versichert. So wird meist weder die Wertsteigerung des Objekts in laufenden Versicherungsverträgen angepasst, noch werden neue Risiken, etwa durch technischen Defekt oder Ertragsausfall der Anlage, in die Wohngebäudeversicherung eingeschlossen. Um Kund*innen vor einer Unterdeckung zu schützen und auf einen geeigneten Versicherungsschutz ansprechen zu können, wurde die preisgekrönte Bilderkennungs-KI entwickelt. Diese erkennt mittels künstlicher neuronaler Netze, auf welchen Dächern eine Photovoltaikanlage installiert ist und kann diese adressgenau identifizieren.

Ein anderes Beispiel für den Einsatz von KI im Konzern Versicherungskammer ist die automatische Extraktion und Strukturierung von Informationen, die von Kunden als Fließtext eingesandt werden. Die Familie derartiger Anwendungsfälle zur automatischen Analyse und Auswertung von Freitexten nennt man üblicherweise „Text Analytics“. Mithilfe dieser Technologie werden etwa Angebotswünsche und Unmutsäußerungen der Kund*innen in ihren Schreiben erkannt und können somit zielgerichteter und schneller bedient werden.

Die eigenentwickelte „Statistische Analyse & Rechnungs-Steuerung“ (StARS), ein weiterer Anwendungsfall in der Versicherungskammer, erkennt fehlerhaft gestellte Krankenhausrechnungen und lernt mit jedem neuen Fall dazu. Unnötige Einzelfallprüfungen korrekter Rechnungen werden vermieden.

Datenkultur schafft Nachhaltigkeit

Eine durchgängige Datenkultur bewirkt allerdings noch viel mehr: Nicht zuletzt leistet sie im Unternehmen einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Mitarbeitende, die sich mit Schulungen weiterbilden können und Möglichkeiten erkennen, Daten vielfältiger einzusetzen, sind eine wichtige Säule für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Dadurch wird die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen gefördert und ein positives Image auf dem Bewerber*innenmarkt erzeugt. Ziel der analytischen Transformation durch Daten & KI ist letztlich eine Gesamtorganisation, in der alle Lines of Business einen Geschäftsnutzen durch KI-Fähigkeiten erzielen und dabei auch das Kund*innenerlebnis steigern. Denn wir leben in einer datengetriebenen Welt, die in Zukunft noch weitaus mehr von der zeitnahen, digitalen Auswertung von verfügbaren und zulässigen Informationsquellen profitieren wird.

Autor: Dr. Jörn David, Leiter Data Analytics & KI, Versicherungskammer Bayern

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