1.014.000 Euro Entschädigung: Bayerischer Versicherungsverband verliert BSV-Prozess gegen Augustiner Keller

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Der Bayerischen Versicherungsverband, Tochter der VKB, musste im BSV-Verfahren gegen den Wirt des Augustiner Kellers (Az. 12 O 5895/20) in erster Instanz eine bittere Schlappe hinnehmen. Die auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des Landgerichts München I hat der Klage auf Zahlung einer Entschädigung von 1.014.000,00 Euro aufgrund der Corona-bedingten Betriebsschließung gegen seine Versicherung stattgegeben.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe ab dem 21. März 2020 den klägerischen Betrieb aufgrund des Coronavirus geschlossen. Entgegen der Ansicht der beklagten Versicherung komme es auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht an, berichtet die Kammer.

Der Kläger habe auch nicht gegen die Anordnungen vorgehen müssen. Zudem sei es nicht erforderlich, dass das Coronavirus im Betrieb des Klägers auftrete, denn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) komme es lediglich darauf an, dass der Betrieb des Klägers aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen worden sei.

Dies sei der Fall gewesen, nachdem sich die Allgemeinverfügung des Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 21. März 2020 und die nachfolgende Verordnung vom 24. März 2020 ausdrücklich auf die Ermächtigungsgrundlagen in §§ 28 – 32 IfSG bezogen hätten.

Außerhausverkauf keine unternehmerische Alternative

Der Betrieb des Klägers sei vollständig geschlossen gewesen, nachdem in der fraglichen Zeit tatsächlich kein Außerhausverkauf stattfand und letzterer dem Kläger auch unzumutbar gewesen sei. Nach Ansicht der Kammer stelle ein Außerhausverkauf, wenn er für den Restaurantbetrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft sei, keine unternehmerische Alternative dar, auf die sich der Versicherungsnehmer verweisen lassen müsse.

Der Versicherungsumfang sei auch nicht durch § 1 Ziffer 2 AVB eingeschränkt. Die Parteien hätten den Versicherungsvertrag am 04. März 2020 – mithin während der Pandemie und im Hinblick darauf – abgeschlossen.

Schwierige AVB-Klauseln

Unabhängig davon sei § 1 Ziffer 2 AVB der beklagten Versicherung intransparent und daher unwirksam. Werde der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, müsse dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel bestehe.

Diesen Anforderungen werde § 1 Ziffer 2 AVB nicht gerecht. Denn der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts von § 1 Ziffer 1 AVB davon aus, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend sei und sich mit dem IfSG decke.


Er gehe aufgrund des Wortlauts und der Verweisung in § 1 Ziffer 1 AVB zudem davon aus, dass in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolge, und nur in § 3 AVB Einschränkungen enthalten seien. Die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger sei jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig. Außerdem sei das Infektionsschutzgesetz seit dessen Einführung vor 20 Jahren bereits mehrfach geändert und um weitere Krankheiten und Erreger ergänzt worden.

Dies bliebe dem Versicherungsnehmer verborgen und damit müsse er auch nicht rechnen. Um den wahren Gehalt des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer letztlich die Auflistung in § 1 Ziffer 2 AVB Wort für Wort mit der aktuellen geltenden Fassung des IfSG vergleichen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar sei, die aber dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht bekannt sei, sei intransparent.

Im Hinblick auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung seien weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für Betriebsschließungen handele.

Der Fachanwalt Norman Wirth schreibt in einem Kommentar: „ Die eindeutigen Worte des Gerichts zu den Argumenten einiger Versicherer zeigen, was wir bereits seit Beginn dieser unsäglichen Diskussion zur Zahlungspflicht der Versicherer gesagt haben: In den allermeisten Fällen besteht bedingungsgemäß Versicherungsschutz. Wir gehen davon aus, dass sich die Rechtsprechung auf Grundlage dieses Urteils festigen wird.“

Gerichtliche Auseinandersetzung oder einvernehmliche Lösung?

Die VKB ihrerseits respektiert die Auffassung des Gerichts, kann sie nach eigenen Angaben aber nicht teilen. „Wir werden uns nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe sorgfältig mit diesen auseinandersetzen und die Möglichkeiten der Berufung nutzen“, berichtet der Versicherer.

Urteile, die in den vergangenen Wochen in Deutschland zur BSV ergangen seien, zeigten starke Unterschiede in der Rechtsauffassung der jeweiligen Gerichte und Instanzen. „In einer Entscheidung des LG Kempten (Allgäu) sind, bezogen auf unsere Versicherungsbedingungen, Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung verneint worden. Dies zeigt deutlich, dass aus dem heutigen erstinstanzlichen Urteil keine abschließenden und allgemeinen Schlussfolgerungen gezogen werden können, da jeder Einzelfall individuell zu bewerten ist“, glaubt der Versicherer.

Indes ist Unternehmen nach eigenen Angaben nach wie vor an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. „Es liegt nicht in unserem Interesse, langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen mit einem unserer Kunden zu führen. Dies ganz besonders vor dem Hintergrund, dass wir mit der ganz großen Mehrheit unserer Kunden Lösungen im gegenseitigen Einvernehmen gefunden haben.“

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mittlerweile sind am Landgericht München I 86 Klagen aus dem Bereich BSV eingegangen.

Die für den Fall maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) lauten auszugsweise wie folgt:

  • „§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren
    1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und
    Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger
    in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger
    a) den versicherten Betrieb […] schließt; […]
    2. Versicherungsschutz besteht für die folgenden der in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten, beim Menschen übertragbaren
    Krankheiten und Erreger nach Fassung des Gesetzes vom 20.07.2000:
    a) Krankheiten
    […]
    b) Krankheitserreger
    […]
    § 3 Ausschlüsse
    1. Der Versicherer haftet nicht
    […]
    b) für andere als die in § 1 Ziffer 2 genannten Krankheiten und Krankheitserreger, insbesondere nicht für […].“

Autor: VW-Redaktion

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