AGCS setzt Bätes Plan zur Vorstandsverschlankung in Taten um
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Renate Strasser (links) und Tony Buckle (rechts). Quelle: AGCS

„Wir wollen keine Gesellschaft, bei der die Schaden-Kosten-Quote immer wieder über 100 Prozent liegt“, sagte Allianz-Vorstand Giulio Terzariol vor einiger Zeit über die schwächelnde Industrieversicherungstochter AGCS. Die grasierende Corona-Pandemie hat die Leiden des Unternehmens weiter verlängert. Nun zieht die Allianz eine weitere Reißleine und baut die Vorstandsebene radikal um.

So werden die beiden Regionalvorstände Sinéad Browne und Hartmut Mai, mit Wirkung zum 30. Juni 2020 aus dem Vorstand der AGCS SE ausscheiden und das Unternehmen verlassen. Ihre Zuständigkeiten werden in einer einzigen regionalen Einheit unter der Leitung von Henning Haagen zusammengeführt. Er wird laut Unternehmen auch das Global Broker Management leiten.

Zudem wird die Zahl der Chief Regions & Markets Officer (CRMO) im Vorstand der AGCS SE zum 1. Juli 2020 auf zwei Positionen rediziert: Henning Haagen, derzeit Chief Underwriting Officer Specialty, wird als Chief Regions & Markets Officer Regional Group 1 die Verantwortung für alle AGCS-Geschäftseinheiten außerhalb Nordamerikas übernehmen. Dazu gehören Afrika, Asien/Pazifik, Zentral- und Osteuropa, Mittelmeerraum, London und Südamerika. Als Chief Regions & Markets Officer Regional Group 2 wird Bill Scaldaferri weiterhin die Geschäftsregion Nordamerika leiten.

Haagen ist erst im April 2020 in den Vorstand der AGCS SE berufen worden. Zuvor war er seit Januar 2017 Regional Head of Specialty der AGCS und Northeast Zone Executive für AGCS Nordamerika. Scaldaferri trat 2012 in den Vorstand der AGCS SE ein und vertritt seither AGCS Nordamerika als Präsident und CEO.

Zwei neue Vorstände für Underwriting und Schaden

Gleichzeitig wird Renate Strasser als Chief Underwriting Officer Specialty – und damit als Nachfolgerin von Haagen – in den Vorstand berufen. Sie ist derzeit Vorstandschefin bei der in Zürich ansässigen New Reinsurance Company Ltd. (NewRe), einer Tochtergesellschaft der Munich Re. Haagen wird seine bisherige Vorstandsverantwortung für die Spezialversicherung (Luftfahrt, Schifffahrt, Entertainment, MidCorp) übergangsweise beibehalten, bis Strasser zu einem späteren Termin bei AGCS starten werde.

Strasser war sechs Jahre lang Assistenzprofessor für Corporate Finance an der Universität Klagenfurt, bevor sie 2004 als Pricing-Expertin für Luftfahrt zur Munich Re kam. Ab 2007 leitete sie weltweit die fakultative Rückversicherung für Luftfahrt. Strasser hat einen MBA der Universität Graz und promovierte an der Universität Klagenfurt in Betriebswirtschaft/Unternehmensfinanzierung.

Weitere Entscheidung: Der aktuelle Chief Underwriting Officer Corporate, Thomas Sepp, wird künftig als Chief Claims Officer den Bereich Schaden im AGCS SE Vorstand verantworten – diese Rolle wurde wieder etabliert. Er wechselte 2019 in den Vorstand der AGCS SE, nachdem er Leiter des MidCorp-Geschäfts und zuvor stellvertretender Leiter des Bereichs Global P&C bei der Allianz SE war. Bevor er 2014 zur Allianz Gruppe wechselte, war er fünf Jahre lang bei der Zurich Versicherungsgruppe in leitenden Führungspositionen tätig, unter anderem als Chief Claims Officer, und war davor Partner bei McKinsey & Company. 

Sein Nachfolger wird Tony Buckle, der zum 1. Juli 2020 von Axa XL zur AGCS wechseln wird. Als Chief Underwriting Officer Corporate wird Buckle die Corporate-Sparten von AGCS führen. Darunter fallen unter anderem die Bereiche Sach- und Haftpflicht, Financial Lines und Energy & Construction.

Buckle begann seine Karriere in der Finanzberatung bei Andersen, bevor er in die Versicherungsbranche zu GE Capital wechselte. Danach hatte er leitende Positionen im Underwriting und Portfoliomanagement sowohl in der Rückversicherung (Swiss Re, GE Frankona) als auch in der Industrieversicherung (Swiss Re Corporate Solutions, RSA und Axa XL) inne.

Zuletzt war er Chief Underwriting Officer International P&C bei AXA XL mit Sitz in Zürich. Buckle ist Absolvent der Universität Cambridge und hält einen Masterabschluss der Universität London sowie einen MBA des Instituto de Estudies Superiores de la Empresa (IESE) in Barcelona.

„Renate Strasser hat fundierte Fach- und Finanzexpertise und breite Erfahrung in der Schaden- und Unfallversicherung – das sind genau die Fähigkeiten, die wir brauchen. Tony Buckle kann eine starke Erfolgsbilanz bei der profitablen Neuausrichtung von Versicherungsbeständen vorweisen, außerdem verfügt er über umfassende Erfahrung im Underwriting und Portfoliomanagement. Wir sind bei unserem Underwriting-Turnaround schon gut vorangekommen – die beiden neuen Vorstandsmitglieder werden uns auf dem Weg hin zu nachhaltiger Rentabilität weiter unterstützen“.

Joachim Müller, Vorstandsvorsitzender von AGCS

Zweites großes Stühlerücken binnen Jahresfrist

Immerhin: Im großen Stühlerücken herrscht bei AGCS schon eine gewisse Erfahrung. Bereits im November 2019 wurde Joachim Müller zum neuen Vorstandschef des kriselnden Industrieversicherers berufen. Er folgte damit auf Chris Fischer Hirs, der sein Amt zum 30. November 2019 niedergelegt hatte.

Aktuell machen AGCS vor allem die Folgen der Corona-Pandemie zu schaffen: So lag die Combined Ratio in den ersten drei Monaten des laufenden Geschäftsjahres 2020 bei 117,4 Prozent. Zudem werde die Allianz-Tochter nach dem operativen Quartalsverlust von 141 Mio. Euro auch im Gesamtjahr keinen Gewinn erzielen, kündigte Allianz-Finanzvorstand Giulio Terzariol bei der Präsentation der Q1-Zahlen an. 

Die Gründe für die Verluste bei AGCS sieht der Finanzvorstand der Allianz SE vor allem in der Absage von Großveranstaltungen und die Betriebsschließungen. Die Verschiebung der Olympischen Spiele von Tokio auf das kommende Jahr dürften den Versicherungskonzern laut Terzariol etwa 20 Mio. Euro kosten.

Ob die neue Vorstandsriege das Sorgenkind der Allianz wieder in ruhigere Fahrwasser steuern kann, wird sich allerdings erst 2021 zeigen.

Autor: VW-Redaktion

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