KPMG-Expertin Fell: „Es ergeben sich auch Chancen aus der Krise“

Claudia Fell. Quelle: KPMG

Die Versicherer sind wegen ihres Geschäftsmodells „weniger stark von der Krise betroffen als andere Branchen“, glaubt Claudia Fell. Im Interview mit VWheute spricht die Partnerin und Head of Strategy Consulting Insurance bei KPMG über die Coronakrise als Beschleuniger für Digitalisierungsinitiativen, vor allem an der Schnittstelle zum Kunden.

VWheute: Was sind momentan die größten kurzfristigen Herausforderungen für Versicherer?

Versicherer sind aufgrund ihres eher langfristig ausgerichteten Geschäftsmodells und der guten Möglichkeit zum Homeoffice weniger stark von der Krise betroffen als andere Branchen. Dennoch ergeben sich für Versicherer aufgrund der Corona-Krise einige Chancen, zum Beispiel:

  • Push hin zu mehr Automatisierung und Self-Service Funktionen für Kunden. Hier ist es einigen Versicherern gelungen, Automatisierungs-Projekte, die ursprünglich für eine spätere Realisierung geplant waren, bereits heute umzusetzen.
  • Versicherer sehen sich erhöhten Betrugsversuchen ausgesetzt, die mit dem höheren Schadenaufkommen in einigen Produktkategorien (z.B. Reiseversicherung) einhergehen. Auch hier müssen kurzfristig Lösungen gefunden werden, Betrugsfälle verlässlich und schnell zu identifizieren. 
  • Vor allem die Vertriebe sind vom Kontaktverbot stark betroffen, da die Beratung von Kunden häufig persönlich erfolgt. Daher müssen kurzfristig Einkommenseinbußen und Liquiditätsengpässen im Vertrieb überbrückt werden, um die Vertriebskraft langfristig zu sichern.
  • Versicherer sollten sich Klarheit über die eigene Finanzsituation nach der Krise verschaffen und strategische Handlungsoptionen, z.B. Maßnahmen zur Steigerung der Solvenz-Quote oder Investment-Entscheidungen ableiten.

VWheute: Erwarten Sie, dass die Krise auch positive Veränderungen für die  Versicherungsbranche  auslösen könnte?

Es ergeben sich auch Chancen aus der Krise. Die Krise scheint wie ein Beschleuniger für Digitalisierungsinitiativen zu wirken, vor allem an der Schnittstelle zum Kunden, wo in den letzten Tagen / Wochen immer mehr Self-Service Plattformen entstanden sind, um die Kunden in die Abwicklung von Prozessen einzubeziehen und die operative Belastung in den eigenen Einheiten zu reduzieren. Gleichzeitig werden neue, virtuelle Arbeitsformen getestet und genutzt, die auch in Zukunft eingesetzt werden könnten.

Zudem steigt das Risikobewusstsein in der Bevölkerung und bringt ggf. höhere Nachfrage nach Vorsorge- und Präventions-Service sowie den Bedarf nach neuen, flexiblen Produkten mit sich. Auch kleine und mittlere Unternehmen werden andere / umfassendere Cover für die Risiken, die ihre Unternehmen betreffen, haben wollen, so dass sich Versicherer mit innovativen Lösungen einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten können. 

VWheute: Viele Unternehmen müssen feststellen, dass die derzeitige Betriebsunterbrechung nicht durch ihre Versicherungspolicen abgedeckt ist. Werden Versicherer auf Ihrem Standpunkt bestehen können, Betriebsunterbrechungen und Betriebsschließungen nicht versichert zu haben?

Versicherer sind sich ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung durchaus bewusst. Daher ist anzunehmen, dass die meisten Versicherer ihren Kunden in dieser existentiellen Krise entgegen kommen werden. So haben einige Häuser bereits Prämienstundungen, außerordentliche Verlängerungen und kulante Schadenregulierung angekündigt. Die aktuelle Krise zeigt aber auch, dass auch in Deutschland ggf. über zusätzliche Deckungen nachgedacht werden sollte, die keinen Sachschaden als Auslöser für eine Betriebsunterbrechung voraussetzen.

VWheute: Wie unterstützt KPMG in der Corona-Krise die Versicherungsbranche?

KPMG steht voll handlungsfähig an der Seite der Versicherer und begleitet die Unternehmen in allen Belangen der Krisenbewältigung – von Steuer- über Rechtsfragen bis hin zur operativen Unterstützung durch unser Shared Delivery Center.

Aktuell diskutieren wir mit einigen Häusern den Einsatz eines Tools zur Beantragung von Wirtschaftshilfen. Um die Beantragung von staatlichen Hilfen zu unterstützen und zu beschleunigen, hat KPMG eine IT Plattform entwickelt. Über die Plattform können Unternehmen / Vermittler mit übersichtlichen Angaben prüfen, welche Staatshilfen für sie zulässig sind bzw. welche Kombination von Staats- und Landeshilfen ideal ist.

Das Tool liefert dann den ausgefüllten Antrag, mit dem Vermittler zu ihrer Hausbank / der zuständigen Behörde gehen können. Das Tool stellt  eine sehr große Prozesserleichterung dar, da die Anträge sehr komplex sind und sich unterschiedliche Hilfsprogramme bspw. gegenseitig ausschließen etc. Wir hoffen, den Vertrieben den Weg durch den Dschungel der Unterstützungsprogramme etwas zu erleichtern.

Autor: VW-Redaktion

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