Thomas Cook: Bundesjustizministerin will Versicherer Zurich verklagen VWheute Sprint

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In Deutschland gibt es für Pleiten von Pauschalreiseanbietern zwar eine Insolvenzversicherung, doch deren Entschädigungssumme ist gesetzlich auf 110 Mio. Euro gedeckelt. Die Bundesjustiziministerin Christine Lambrecht (SPD) stellt das infrage und droht dem Versicherer Zurich mit juristischen Konsequenzen, sollte der sich weiter weigern, die Kosten für die Rückbeförderung der Thomas-Cook-Kunden zu übernehmen. „Wir sagen, die Kosten für die Rückholung von gestrandeten Urlaubern müssen ‚on top‘ zur Obergrenze kommen“, sagte Lambrecht dem Handelsblatt. Dann wären es nicht 110 Mio. Euro, sondern insgesamt 170 Mio. Euro.
Der nächste Urlaub wird in diesen Tagen bereits von vielen gebucht. Die Rabattschnäppchen darf man sich nicht entgehen lassen. Im Flieger selbst ahnen nur wenige wie sehr die Luftfahrtbranche in der Krise steckt. Überdurchschnittlich viele Flugzeugabstürze und 23 Insolvenzen bei den Airlines allein 2019. Wie das Boeing-Desaster sich in diesem Jahr auf die Fluggesellschaften auswirkt, ist noch nicht absehbar. Die größte Welle schlug die Pleite des britischen Reisekonzerns Thomas Cook. Mit dem Reiseveranstalter ging auch die britische Airline mit gleichem Namen zugrunde. Die deutsche Airline-Tochter Condor steht zum Verkauf – derzeit läuft der Betrieb dank eines Überbruckungskredits von 380 Mio. Euro vom Bund und dem Land Hessen.
Pfusch bei der Umsetzung der EU-Gesetzgebung?
Die vielen Pleiten treffen auch die Versicherungsindustrie. Pauschalreisende haben nach EU-Recht einen vollständigen Anspruch auf Rückerstattung der Kosten. Doch Deutschland hat das Gesetz in deutsches Recht offenbar fehlerhaft umgesetzt. Hierzulande gibt es für Insolvenzen von Pauschalreiseanbietern zwar eine Insolvenzversicherung, doch deren Entschädigungssumme ist auf 110 Mio. Euro gedeckelt. Der zuständige Versicherer ist die Zurich. Die Kosten für Rückflüge der im Urlaub von der Pleite überraschten Touristen und die Entschädigungen für ausgefallene Reisen summieren sich laut dem Versicherer auf 347 Mio Euro. Zurich kann aber nur 50,4 Mio. Euro erstatten, da knapp 60 Mio. Euro bereits für den Rücktransport der Thomas-Cook-Urlauber geflossen seien. Kunden könnten daher damit rechnen, 17,5 Prozent ihrer Ansprüche erstattet zu bekommen. Die restlichen 82,5 Prozent müsste demnach der Bund schultern. In der Tat hat das Bundeskabinett am 11. Dezember angekündigt, alle von der Pleite betroffenen Pauschalreisenden vollständig entschädigen zu wollen. Bislang ist aber noch unklar, wann und auf welchem Weg das Geld fließen soll.
Was ist in der Haftungssumme eigentlich enthalten?
Nach den Aussagen von Justizministerin Christine könnte das sich noch eine Weile ziehen, weil der Bund die Rückbeförderung doch nicht übernehmen will. „Wir übernehmen also den Fehlbetrag bei der Absicherung der Insolvenz, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Kunden uns als Staat ihre offenen Ansprüche abtreten. Dann haben wir die Möglichkeit, diese Ansprüche geltend zu machen und die ganzen rechtlichen Fragen zu klären.“
Zu klären sind aber noch sehr elementare Dinge. Nämlich was in der der Summe bei der Haftungsgrenze eigentlich enthalten ist. „Wir sagen, die Kosten für die Rückholung von gestrandeten Urlaubern müssen „on top“ zur Obergrenze kommen. Dann wären es nicht 110 Mio. Euro, sondern insgesamt 170 Mio.Euro. Darüber sind wir mit dem Versicherer bislang nicht einig geworden. Das muss gegebenenfalls auch gerichtlich geklärt werden“, erklärt Lambrecht.
Haftungsobergrenze könnte angehoben werden
Experten halten eigentlich eine Staatshaftung für unausweichlich, weil die EU-Richtlinie nicht richtig umgesetzt wurde. Die Justizministerin legt sich nicht fest. „Das haben dann die Gerichte zu entscheiden.“ Für die Zukunft ist laut Lambrecht denkbar, dass man neben der Versicherungslösung auch eine Fondslösung entwickelt wird. „Denkbar wäre ein ähnliches System wie bei den Banken: Jeder Reiseanbieter zahlt in einen Topf. Demjenigen, der in Schieflage gerät, werden daraus dann Mittel zur Verfügung gestellt.“ Wird dann die Haftungsobergrenze angehoben? „Das muss versicherungsmathematisch durchgerechnet werden. Wird die Grenze angehoben, muss sich dann auch ein Versicherer finden, der das zu akzeptablen Konditionen macht“, betont Lambrecht.
Auch der GDV unterbreitet Reformvorschläge. Die Reiseveranstalter sollen je nach Umsatzhöhe selbst einen ausreichenden Versicherungsschutz einkaufen. Große Reiseanbieter müssten demnach auch höhere Prämien zur Absicherung zahlen. „Zwar wurden auch im Fall von Thomas Cook dank eines logistischen Kraftakts des betroffenen Versicherers alle Reisenden nach Hause geholt“, betont der GDV. Doch Versicherer sollten nicht mehr „gezwungen sein, im Schadenfall selbst zum ‚Ersatz-Reiseveranstalter‘ zu werden.“
Autor: VW-Redakteur David Gorr
Es ist schlicht und einfach falsch, wenn gesagt wird die Entschädigungssumme ist gesetzlich auf 110 Mio. gedeckelt.
Im § 651 r Insolvenzsicherung; Sicherungsschein Abs. 3 heißt es.
Er ( Reiseveranstalter) kann seine Haftung für die von in einem Geschäftsjahr insgesamt nach diesem Gesetz zu erstattende Beträge auf 110 Millionen Euro begrenzen.
Die 110 Mio. ist eine Mindestversicherungssumme. Natürlich hätte diese Versicherungssumme den tatsächlichen
Gegebenheiten angepasst müssen. Genau das ist nicht passiert, und es hier die Frage zustellen, wer das hätte
überwachen müssen.