Hufeld: „Finanzunternehmen müssen Opfermentalität ablegen“

Fintech-Konferenz der Bafin in Bonn. Quelle: mv

Der Staat will die Finanzbranche beim digitalen Wandel unterstützen. So explizit wollte das zwar keiner der Beteiligten von Bafin und Finanzministerium bei der Veranstaltung Bafin-Tech sagen, aber der Tenor im ehemaligen Bonner Bundestag war nicht zu überhören. Das hinderte Bafin-Präsident Felix Hufeld jedoch nicht, den deutschen Finanzunternehmen auch die Leviten zu lesen.

Das Ziel der Bafin-Tech war vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung der Finanzwirtschaft ein gemeinsamer Austausch. Teilgenommen haben alle Markteilnehmer, also Aufsicht, Gesetzgeber, Wissenschaft und Industrie. Gemeinsam sollten Lösungen für bestehende und kommende Probleme diskutiert werden, insbesondere was Kryptowährungen angeht. Doch jede hehre Idee ist auch in die Gegenwart eingebunden und diese ist, dass die EZB heute wohl eine weitere Lockerung der Geldpolitik verkünden wird.

Daher musste Hufeld dazu Stellung nehmen. „Ich rechne mit einer Verschärfung der Lage der Banken“, ebenso werde der „Druck auf Pensionskassen und Lebensversicherer“ steigen. Es sei absehbar, dass die Hoffnung auf eine baldige Zinswende „unrealistisch ist.“ Die Finanzunternehmen müssten aufhören „über die vermeintlichen Schandtaten der EZB zu klagen und ihre Opfermentalität ablegen.“ Stattdessen sollten sie „ihre Geschäftsmodelle angehen“.

Wer würde bestreiten, dass die Finanzwelt das aufgrund der Digitalisierung tun muss? Dieser Wandel birgt neben vielen Möglichkeiten auch Probleme, wie der Bafin Präsident im Pressegespräch bestätigt. „Die Abhängigkeit von IT sorgt dafür, dass ein Fehler heute schwerer wiegt als vor fünf Jahren, erklärt der oberste Aufseher. Die IT-Abteilungen wären nicht schlechter geworden, aber die Konsequenzen seien heute größer.

Mehr Verantwortung

Auf Frage nach einer Lösung erklärte Hufeld, dass alle Finanzakteure für „besserer Risikomanagementsysteme und technische Lösungen“ sorgen müssten, damit die „Prozesse stabiler werden“. Das Alter eines Unternehmens habe keinen Einfluss auf die IT-Sicherheit. So wären Fintechs zwar anders organisiert als etablierte Player, das sage aber nichts über die Prozesssicherheit aus, erklärte Jens Obermöller, Leiter des Referates Grundsatz Cybersicherheit.

Damit kein Akteur, egal ob Fintech oder Allianz, bei der IT-Sicherheit oder neuen Kryptoideen rechtlich im Trüben fischen muss, will der Gesetzgeber gemeinsam mit den Unternehmen nach praktikablen Lösungen suchen, erklärt Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er sieht es als politische Aufgabe, deutsche Fintechs zu unterstützen, dafür müssten „Fakten und Gesetze“ geschaffen werden.

Als wichtigen Punkt für die Schaffung eines europäischen Googles sieht Kukies die Verbesserung der Venture-Capital-Finanzierungen. Speziell ausländischen Geldgebern soll das Investieren erleichtert werden. Das werden Finleap, Wefox, Getsafe und Co. sicherlich gerne hören. Um dieses und weitere Fintech-Themen in Europa weiter voranzutreiben, will Deutschland seine EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 nutzen, wie Kukies erklärt.

Dass die Bafin die deutschen Fintechs ebenso wie das Finanzministerium unterstützt, wollte Hufeld auf Nachfrage nicht bestätigen. Die Bafin betreibe keine „Innovationsförderung im klassischen Sinne“, aber die Regulierung sei ein Standortfaktor. Ein „reifes Ökosystem wie in Deutschland“ begünstigt Fin- und Insurtechs, erklärte unisono auch Obermöller. Zu einem guten und auch in Zukunft starken Wirtschaftssystem gehört neben einer wachen Aufsicht auch eine sich ständig anpassende Regulierung, an der die Bafin stetig mitwirke, wie Hufeld betonte. Dies geschehe nicht per Dekret, sondern im Dialog mit den Marktteilnehmern.

Zwei Märkte und Fintechs

Die in Asien im Vergleich zu Europa eher lockere Handhabung von Regulierung und Datenschutz führt faktisch zu einer Marktteilung. Es entsteht ein (stark) regulierter Marktplatz in Europa und ein freierer und wilderer in Asien – hinzu kommt die USA, die zwischen den Polen pendelt. Für Unternehmen ist es so schwierig, auf dem jeweils anderen Markt Fuß zu fassen. Selbstverständlich ist der Eintritt amerikanischen Unternehmen wie Google oder Amazon auf anderen Märkten spektakulär gelungen, aber mitnichten dominieren landfremde Finanz- und Fintechunternehmen den hiesigen Finanzmarkt.

Auf diese zwei-Märkte-Theorie angesprochen erklärte Hufeld, dass Fintechs selten globale Strategien verfolgen. Andere Faktoren wären „mindestens ebenso wichtig wie Regulierung“, beispielsweise die Internetaffinität der Bevölkerung, die Größe des Heimatmarktes oder auch die Verfügbarkeit von Finanzdienstleistungen im jeweiligen Land.

Nach seiner Ansicht hätten einige Plattformen das Potenzial, „global erfolgreich zu werden“. Es müsse gelingen, „die theoretische Größe der EU schnell konsistent zu machen“, sodass wir künftig große europäische Player sehen können, erklärte Hufeld.

Fintechs erobern den Kfz-Markt?

Damit der Leser nicht ohne reines Versicherungsthema darben muss, hat VWheute den Bafin-Chef nach den deutschen Insurtechs befragt. Diese wären derzeit nicht im Underwriting, sondern im Bereich Sach, Vermittlung und sonstigen Services tätig, analysiert der Aufseher. Eine Einfallschneise für die neuen Player ins Massengeschäft sieht Hufeld im Kfz-Markt. Auch wenn das gegen die etablierten Platzhirsche eine „steile Kurve“ sei.

Autor: Maximilian Volz