ifo-Studie: Deutsche offen für verpflichtende Elementarschadenversicherung

Deutscher Bundestag in Berlin Bildquelle: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel/photothek
Die gesellschaftliche Bereitschaft in Deutschland für eine verpflichtende Elementarschadenversicherung ist größer als vielleicht vermutet. Das geht aus einer aktuellen Studie des ifo-Instituts hervor. Demnach befürwortet ein erheblicher Teil der Bevölkerung ein solidarisch finanziertes Versicherungssystem – auch dann, wenn sie selbst nicht unmittelbar von Naturkatastrophen betroffen wären.
„Vor allem aus Gründen der Fairness sind viele Haushalte bereit, ein solidarisches Versicherungssystem mitzutragen“, sagt ifo-Expertin Marie-Theres von Schickfus. Bereits ohne weiterführende Informationen sprach sich mit 39 Prozent ein signifikanter Anteil der Befragten für eine Pflichtversicherung aus, 34 Prozent zeigten sich neutral.
Wurden die Teilnehmer über die tatsächliche Höhe staatlicher Unterstützungsleistungen – nach der Flutkatastrophe 2021 wurden bis zu 80 Prozent der Schäden öffentlich kompensiert – informiert, nahm die Zustimmung deutlich zu. Haushalte, die über die bisherige Praxis großzügiger staatlicher Hilfen im Katastrophenfall informiert wurden, zeigten sich mit einer um vier Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit bereit, eine obligatorische Hochwasserversicherung zu befürworten.
Besonders deutlich fiel dieser Effekt bei bislang nicht versicherten Personen in Regionen mit geringem Überschwemmungsrisiko aus – also in einer Bevölkerungsgruppe, die typischerweise nicht von staatlichen Entschädigungszahlungen profitiert, diese aber dennoch über Steuern mitfinanziert. Innerhalb dieses Segments wird eine verpflichtende Versicherungslösung zunehmend als gerechtere Form der Risikoverteilung wahrgenommen.
Die Antworten der Haushalte waren nicht durch die Erwartung eines persönlichen Gewinns motiviert, merkt das ifo-Institut an. Die Behandlung mit hohen Beihilfen hatte keine signifikanten Auswirkungen auf die Bereitschaft, für eine Versicherung zu zahlen oder auf die Wahrnehmung der Effizienz. Stattdessen steigerte die Behandlung die Wahrnehmung von Fairness: Ein Anstieg der erwarteten Beihilfe um 10 Prozentpunkte führte zu einem Anstieg der Wahrscheinlichkeit um 2,2 Prozentpunkte, dass die Befragten eine Pflichtversicherung als fairer ansahen als öffentliche Beihilfen.


„Die Bevölkerung erkennt zunehmend, dass eine privatwirtschaftlich organisierte Pflichtversicherung nicht nur ökonomisch effizienter, sondern auch gerechter ist“, erklärt Schickfus. „Das eröffnet Handlungsspielraum für eine politische Neuordnung der Katastrophenvorsorge.“
Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 verursachte Schäden in Höhe von über 40 Milliarden Euro. Nur rund die Hälfte der Wohngebäude waren zum Zeitpunkt des Ereignisses gegen derartige Risiken versichert. Das Ereignis zeigte, wie lückenhaft die finanzielle Vorsorge für klimabedingte Schäden bisher war.
Vor diesem Hintergrund befragten die ifo-Forscher über 8.000 Haushalte und 639 Unternehmen zu ihren Erwartungen gegenüber staatlichen Hilfen sowie zu ihrer Einschätzung einer verpflichtenden Versicherungslösung. Die Ergebnisse könnten über Deutschland hinaus Signalwirkung entfalten: EU-weit sind laut Studie lediglich 15 Prozent der klimabedingten Schäden versichert, in Deutschland liegt die Quote bei immerhin 25 Prozent.
Karen Pittel, Leiterin des ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, sieht in einem verpflichtenden Versicherungssystem einen möglichen Baustein für eine zukunftsorientierte Klimavorsorge: „In Zeiten wachsender Extremwetterrisiken könnte ein verpflichtendes Versicherungssystem ein sinnvoller Schritt hin zu einem vorsorgenden Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels sein und staatliche Haushalte entlasten. Eine stärkere Berücksichtigung von Klimarisiken bei Investitionsentscheidungen setzt allerdings voraus, lokale Risiken in den Versicherungsprämien adäquat einzupreisen.“ Pittel plädiert zudem für eine breitere gesellschaftliche Debatte über die Verteilung der Lasten zwischen staatlicher Daseinsvorsorge und privater Eigenverantwortung im Kontext des Klimawandels.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist die Einführung einer staatlich organisierten Rückversicherung für Schäden aus Elementarrisiken vorgesehen. Zudem wird ein Opt-out-Modell besprochen. Dann müssten Versicherungsnehmer beim Abschluss einer Wohngebäudeversicherung aktiv auf die Deckung von Elementarschäden verzichten, andernfalls würde der Schutz automatisch Bestandteil der Police.
Viele Manager aus der Branche verstehen den bisherigen Vorschlag der Regierung als Opt-out-Angebot. Durch die Optik der Assekuranz wäre es der Einzige, der umsetzbar wäre, hört VWheute. Mit Blick auf eine staatlich organisierte Rückdeckung, Prävention, Bezahlbarkeit fühlt sich die Branche von der Politik durchaus gehört.
Autor: VW-Redaktion