Beben in der Assekuranz: Helvetia fusioniert mit Baloise

Bildquelle: Mohamed Hassan/Pixabay; Baloise; Helvetia
Lange gab es Gerüchte, jetzt werden sie wahr. Die beiden Schweizer Erstversicherer Helvetia und Baloise haben sich auf einen Zusammenschluss verständigt. Mit der geplanten Fusion entsteht unter dem Namen Helvetia Baloise Holding AG mit einem gemeinsamen Marktanteil von rund 20 Prozent die zweitgrößte Schweizer Versicherungsgruppe. CEO wird Helvetia-Manager Fabian Rupprecht, Baloise-Chef Michael Müller ist sein Stellvertreter. Die Integrationskosten belaufen sich auf 600 Millionen Franken.
Wie die Verwaltungsräte beider Unternehmen am Montag mitteilten, handelt es sich um eine Fusion unter Gleichen. Den stärkeren Part nimmt aber wohl die Helvetia ein. Nach dem Vertrag vom 21. April erfolgt die Transaktion über eine Absorptionsfusion, bei der Baloise vollständig in die Helvetia integriert wird. Das neu geschaffene Unternehmen wird unter dem Börsenkürzel HBAN an der Schweizer Börse SIX geführt. Vereinbarter Wirkungszeitpunkt im Innenverhältnis ist der 1. Januar 2025.
Die Parteien verpflichten sich, sich vom Abschluss des Vertrages bis zum Vollzug der Fusion „nach besten Kräften und in guten Treuen zu bemühen, die Fusion gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages zu vollziehen und diejenigen Handlungen vorzunehmen, welche der Fortführung der Geschäfte der Parteien nach Vollzug der Fusion förderlich sind.“ Und weiter: „Jede Partei bemüht sich nach besten Kräften und in guten Treuen darum, dass ihre Geschäfte und die Geschäfte ihrer Tochtergesellschaften bis zum Vollzug der Fusion im ordentlichen und üblichen Geschäftsgang in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis geführt werden.“
Gemeinsam bringen es die Unternehmen auf ein jährliches Geschäftsvolumen von rund 20 Milliarden Schweizer Franken. Im Heimatmarkt Schweiz kommt die neue Gruppe auf einen Marktanteil von etwa 20 Prozent. Die kombinierten Bruttoprämienvolumen belaufen sich auf 8,6 Mrd. Schweizer Franken im Bereich Leben und 11,5 Mrd. Schweizer Franken im Sachgeschäft. Mit rund 22.000 Mitarbeitenden soll Helvetia Baloise auch der größte Arbeitgeber im schweizerischen Versicherungssektor sein.

Ein stilles Bekenntnis gibt es auch zum deutschen Markt. Man wolle über die Schweiz hinaus „ein führender Versicherer mit attraktiven Positionen in den europäischen Märkten Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Österreich und Luxemburg sowie im globalen Specialty-Geschäft“ sein, berichtet das Unternehmen.
In Märkten mit Überschneidungen sind jedoch Stellenstreichungen wahrscheinlich. Die sollen sozialverträglich gestaltet und vorzugsweise durch natürliche Fluktuation und Frühpensionierungen abgefedert werden.
Die beiden Geschäftsparteien erhoffen sich vor allem Synergiepotenziale: Die fusionierte Gruppe rechnet mit jährlichen Einsparungen in Höhe von rund 350 Millionen Franken vor Steuern. Realisiert werden sollen diese zu 80 Prozent bis spätestens 2028. Demgegenüber stehen erwartete Integrationskosten von bis zu 600 Millionen Franken. Die Fusion soll langfristig zu einer Steigerung der Dividendenfähigkeit um 20 Prozent führen – bezogen auf das Geschäftsjahr 2029.

Der Verwaltungsrat des neuen Unternehmens wird paritätisch mit je sieben Mitgliedern aus beiden Häusern besetzt, heißt es in einer Mitteilung. Den Vorsitz übernimmt der bisherige Baloise-Präsident Thomas von Planta, sein Stellvertreter wird Ivo Furrer von Helvetia. Die operative Führung übernimmt Helvetia-CEO Fabian Rupprecht, während Baloise-CEO Michael Müller die Rolle des stellvertretenden CEO und Integrationsleiters einnimmt. CFO wird Matthias Henny von der Baloise, CIO André Keller von Helvetia.
Der Hauptsitz von Helvetia Baloise wird in Basel liegen. Der Standort St. Gallen, bislang Hauptsitz von Helvetia, bleibt als wichtiger Standort bestehen.
Die Zustimmung der Aktionäre beider Häuser steht noch aus. Die Patria Genossenschaft, mit 34,1 Prozent größter Anteilseigner von Helvetia, hat ihre Unterstützung allerdings bereits signalisiert. Die entscheidenden außerordentlichen Generalversammlungen sind für den 23. Mai 2025 angesetzt. Auch die Wettbewerbs- und Aufsichtsbehörden müssen der Fusion noch zustimmen. Der Vollzug wird für das vierte Quartal 2025 erwartet.
Beide Häuser betonen ihre kulturelle und strategische Nähe. Die traditionsreichen Versicherer, beide seit über 160 Jahren im Markt aktiv, ergänzen sich sowohl geografisch als auch hinsichtlich ihres Produktportfolios, heißt es.
Interessant: Der Deal könnte laut Vertrag u.a. dann platzen, „wenn eine Drittpartei ein öffentliches Kaufangebot für den Erwerb von mehr als 40 Prozent (Helvetia) bzw. 33⅓ Prozent (Baloise) der im Handelsregister eingetragenen Aktien einer Partei macht und dieses Kaufangebot mindestens in diesem Umfang zustande gekommen ist oder von jener Drittpartei als zustande gekommen erklärt wird oder (B) eine Drittpartei aufgrund eines Erwerbs von Aktien einer Partei verpflichtet ist, ein Pflichtangebot i.S.v. Art. 135 FinfraG auf diese Partei zu unterbreiten.“ Wahrscheinlich ist das jedoch nicht.

Im April 2024 kippten die Baloise-Aktionäre überraschend die Stimmrechtsbeschränkung und der schwedische Investor Cevian erhöhte seine Anteile am Schweizer Versicherer. In der Folge wurde im Herbst rasch der Forderungskatalog an die Wünsche der Anteilseigner angepasst. Eine Refokussierungsstrategie und ein Aktienrückkaufprogramm wurden lanciert, die Ausschüttungsquote angehoben. Ein Stellenabbau wurde angekündigt, aber am Deutschlandgeschäft hielt Konzern-CEO Michael Müller vorerst fest. Er nahm sich vor, weiterhin „Portfolios zu akquirieren, zu sanieren oder sich davon zu trennen“. Im Februar bemängelte Cevian-Co-Gründer Lars Förberg, dass die Profitabilität der Baloise 50 Prozent unter dem Branchendurchschnitt liege.
Im Zusammenhang mit den Umwälzungen wurde auch darüber spekuliert, dass mehrere europäische Versicherungskonzerne wie Axa oder Allianz Interesse an einer Übernahme haben könnten. Auch die Zurich meldete sich zu Wort. Mario Greco sagte in einem Interview, dass man sich die Baloise anschauen wolle, wenn sie verfügbar sei.
Der Schweizer Versicherer Helvetia seinerseits soll Medienberichten zufolge zuletzt die Käufersuche für seine Deutschland-Einheit eingeleitet haben. Das Unternehmen ist seit 1862 im Land aktiv und sitzt in der Mainmetropole Frankfurt. Zum Verkauf sollen zwei Tochtergesellschaften sowie eine Niederlassung stehen und rund 800 Mitarbeitende betroffen sein. Zum Paket gehören die Helvetia Versicherung, die Helvetia Lebensversicherung sowie der Bestand der deutschen Niederlassung.
Autor: VW-Redaktion