Widerstand gegen BDVM-Forderung: „Andere Vermittlerverbände wunderten sich ebenfalls über den Alleingang“

Andreas Lohrenz (l.) und Thomas Billerbeck. (Bildquelle: Lohrenz; BDVM)
Andreas Lohrenz, Versicherungsmakler und Gründer sowie Betreiber der größten unabhängigen Community für Versicherungsvermittler in Deutschland, übt scharfe Kritik an den Forderungen des BDVM-Präsidenten Thomas Billerbeck. Der Verband forderte vor einigen Wochen eine Deckelung der Abschlusscourtage bei 25 Promille. Im Gegenzug solle den Vermittlern eine höhere laufende Provision gewährt werden. Das alte Fass wieder aufzumachen, sei „merkwürdig“, schreibt Lohrenz in einem Gastbetrag für VWheute.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Der Präsident eines Handwerkerverbands tritt auf und fordert, die Stundensätze für Fliesenleger zu deckeln. Gleichzeitig sollen Kunden die Möglichkeit haben, das neu geflieste Badezimmer über mehrere Jahre abzubezahlen. Das Echo darauf würde ich mir gerne anschauen.
Im Bereich der Versicherungsvermittlung scheinen solche Forderungen hingegen völlig normal zu sein. Vor einigen Wochen forderte der BDVM ohne Not eine Deckelung der Abschlusscourtage auf 25 Promille, ergänzt durch eine – wie auch immer geartete – erhöhte laufende Vergütung. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Auf den üblichen Social-Media-Kanälen wie Facebook und LinkedIn gab es ein klares Echo aus der Vermittlerschaft, die diesen Vorstoß kritisch sah. Auch andere Vermittlerverbände waren überrascht von der Forderung und dem Alleingang, besonders da die öffentliche Diskussion um einen Provisionsdeckel gerade erst abgeklungen war. Dieses Fass wieder aufzumachen, wirkt merkwürdig. Fragwürdig ist zudem die Grundlage der Forderung: Von gerade einmal 160 teilnehmenden Mitgliedern (!) stimmten 54,4 % dafür – bei etwa 46.000 in Deutschland tätigen Versicherungsmaklern ist das eine sehr schmale Basis für eine solch weitreichende Forderung. Wie daraus eine repräsentative Legitimation abgeleitet werden soll, bleibt schleierhaft.
Wer gerne andere Vergütungsmodelle und -höhen möchte, kann in Deutschland Vermittlungen gegen Entgelt anbieten – aber sollte die Finger vom Rest lassen.
Vermittlerinnen und Vermittler sind weder im aktuellen Provisionsmodell noch in dessen Höhe überbezahlt. Ihre Vergütung wird nicht allein durch die erbrachte Beratungs- und Vermittlungsleistung verdient, sondern sie haften auch über Jahre hinweg für die Vertragsfortführung. Selbst bei unvorhersehbaren Umständen stehen sie mit ihrer Provision fünf Jahre im Wind. Stellen Sie sich einen Anwalt vor, dessen Mandant während eines langjährigen Prozesses verstirbt und der dann einen Teil seines Honorars zurückzahlen müsste – in vielen Branchen undenkbar, bei uns jedoch Realität. Warum also an der Vergütung schrauben?
In unserer Facebookgruppe „Versicherungsvermittler Deutschland“ fragte ein Kollege zurecht, welche Provision Autoverkäufer eigentlich erhalten und ob sie dokumentieren müssten, dass ein bestimmter Porsche in den ersten drei Jahren fast 50 % an Wert verliert. Oder ob beim Schlachter ein Produktinformationsblatt aushängt, damit man erfährt, was er an der Wurst verdient – auch hier stieß die Frage auf breite Zustimmung.
Offenbar sind Kunden einzig in unserem Berufszweig unmündig und müssen vor Fehlentscheidungen und -beratungen geschützt werden. Verbrennt ein Verbraucher in anderen Branchen sein Geld, scheint das keine Rolle zu spielen – egal ob teurer Handyvertrag, kreditfinanzierte Urlaubsreise oder Schrottimmobilie.
Wo eine Veränderung der Vergütung Sinn macht
Bei der Vermittlung einer Altersvorsorge müssen wir mehr dokumentieren und Papier aushändigen als ein Arzt vor einer lebensbedrohlichen OP. Warum ich nun Teile meiner Vergütung später erhalten soll, ist mir schleierhaft.
In den letzten 30 Jahren habe ich mehrfach mit Anwälten und Steuerberatern über unser Geschäftsmodell gesprochen. Neidisch war dabei keiner – meist war die Reaktion eher, dass man diese Art und Höhe der Vergütung mögen muss, um sie zu akzeptieren.
Gibt es Debatten über Provisionsmodelle und -höhen, unterstütze ich gerne eine Veränderung – aber in Bereichen, die uns alle wirklich stören: überzogene Eingangsprovisionen für mehrstufige Vertriebe, überhöhte Vergütungen für Banken bei Restschuldversicherungen und fragwürdige Umdeckungen im LV/KV-Bereich.
Die hohen Kosten in LV-Verträgen resultieren nicht aus der Vermittlervergütung, sondern aus den Kosten, die die Produktanbieter verursachen. Statt dies zu kritisieren, kann ich das Gerede über unsere Provision wirklich nicht mehr hören. Jeder Kritiker ist herzlich eingeladen, eine Woche lang bei uns zu hospitieren.
Die meisten Kolleginnen und Kollegen werden zustimmen: Eine Berufsunfähigkeits-versicherung verkaufen wir während der Laufzeit oft mehrfach, nämlich jedes Mal, wenn der Kunde hinterfragt, ob er diese wirklich noch braucht. Eine sorgfältige BU-Beratung erfordert erheblichen Aufwand: zahlreiche Detailfragen, Kenntnisse der BU-Angebote, Klärung der Krankenhistorie und ggf. Berichtigung fehlerhafter Diagnosen. Und dabei ist der Akquiseaufwand noch gar nicht berücksichtigt.
BDVM legt noch nach
Beim BDVM schien man bei der Forderung nach einer Provisionsdeckelung das Thema Nachwuchs außer Acht gelassen zu haben. Es gibt immer weniger junge Menschen, die den Beruf der Versicherungsvermittlung anstreben. Da kommt eine Reduzierung der Abschlusscourtage sicher nicht gelegen.
Falls ein Vermittlerverband sich für relevante Themen stark machen möchte, schlage ich eine Diskussion über die Möglichkeit einer Doppelzulassung als Versicherungsmakler und Versicherungsberater vor. Aktuell werde ich ausschließlich im Erfolgsfall vergütet – einen Kunden, der aufgrund seiner gesundheitlichen Situation kaum Chancen auf eine BU-Absicherung hat, müsste ich also kaufmännisch betrachtet abweisen. Wäre eine Honorarvergütung erlaubt, wäre das echter Verbraucherschutz.
Statt das Thema schnell zu beenden, verteidigt der BDVM seine Forderung auch noch. Im Versicherungsjournal las ich sogar, der Präsident bezweifle, dass alle 46.000 Makler als „ordentliche Kaufleute und unabhängig“ arbeiten, vor allem jene, die mit Pools kooperieren. Was soll das heißen? Sind wir alle zu „ungebildet“, die „geniale Idee“ des Provisionsdeckels zu verstehen? Diese Arroganz stößt mir übel auf.
Ich habe mal gesagt: Versicherungen sind so sexy wie Zahnpasta und haben den Fun-Faktor einer Steuererklärung. Wenn ich es schaffe, jemanden davon zu überzeugen, sinnvoll in Absicherung und Vorsorge zu investieren, dann möchte ich dafür fair und angemessen vergütet werden. Klar und einfach.
Autor: Andreas Lohrenz ist Versicherungsmakler und Gründer und Betreiber der größten unabhängigen Community für Versicherungsvermittler in Deutschland (Versicherungsmaklerforum Deutschland & Versicherungsvermittler Deutschland). Dazu ist er Geschäftsführer einer Agentur für Marketing und Social Media mit Spezialisierung auf die Versicherungsbranche.