pAV-Reformgesetz: „Lebenslange Absicherung bleibt auf der Strecke“

Bundesfinanzministerium in Berlin. Quelle: Ilja C. Hendel

Am 23. September wurde der Referentenentwurf zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge im Bundesfinanzministerium letztmalig bearbeitet. Jetzt ist das Papier für Stellungnahmen offen. Die Versicherer werden Einwände haben. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) dagegen spricht von einer Revolution. Der Grund ist einfach: Mit der aktuellen Fassung würden die Renditemöglichkeiten des Kapitalmarktes viel stärker genutzt werden.

Künftig können die Altersvorsorgenden laut Referentenentwurf zwischen zwei Produktkategorien wählen. Mit dem Altersvorsorgedepot ohne Garantien wird eine Anlageform gefördert, mit der in Fonds, aber auch in andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investiert werden kann. Höhere Risikobereitschaft geht hierbei mit langfristig höheren Renditemöglichkeiten einher.

Für Altersvorsorgende, die einen hohen Wert auf Sicherheit legen, werden zukünftig Garantieprodukte gefördert, bei denen 80 oder 100 Prozent des angesparten Kapitals zu Beginn der Auszahlungsphase zur Verfügung stehen müssen. „Durch die Möglichkeit einer auf 80 Prozent abgesenkten Beitragserhaltungszusage können auch Altersvorsorgende, die ein Garantieprodukt wählen, künftig stärker an Renditevorteilen des Aktienmarktes partizipieren“, heißt es.

Der Fokus der Förderung soll auf der Altersvorsorge liegen und keine Wahlmöglichkeiten für eine ergänzende Absicherung gegen Erwerbsminderung oder von Hinterbliebenen enthalten. Die Eigenheimrenten-Förderung bleibt laut Papier erhalten; die entsprechende Kapitalentnahmemöglichkeit muss aber nicht mehr für alle Altersvorsorgeprodukte verpflichtend bereitgestellt werden.

Ein weiteres tragendes Prinzip der Reform ist die Erleichterung eines Anbieterwechsels, „um Wettbewerbsdruck aufrecht zu erhalten und etwaige negative Auswirkungen individueller Entscheidungen bei langlaufenden Altersvorsorgeverträgen zu begrenzen.“

Hierzu ist eine stärkere Trennung von Anspar- und Auszahlungsphase vorgesehen. Kunden sollen die Möglichkeit haben, Entscheidungen, die sie zu Beginn der Ansparphase getroffen haben, gegebenenfalls zu revidieren und an ihre aktuelle Lebenssituation anzupassen. Für die Auszahlungsphase werden Auszahlungspläne ohne Restverrentung ermöglicht.

Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums soll die bisherige Förderung mittels einkommensabhängiger Mindesteigenbeitragsberechnung und fester Zulagen durch beitragsproportionale Grund- und Kinderzulagen abgelöst werden, die stärker die Beitragsleistungen der Altersvorsorgenden berücksichtigen und höhere Anreize zu mehr Eigensparleistungen setzen.

Die Förderung sowie die Anforderungen an die Anbieter und ihre Produkte sind im Detail folgendermaßen ausgestaltet (Auszug aus dem Originaldokument des BMF):

– Beitragsproportionale Grundzulage von 20 Cent für jeden Euro Eigensparleistung (bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro, ab 2030 bis zu 3.500 Euro),

– Beitragsproportionale Kinderzulage pro Kind von 25 Cent für jeden Euro Eigensparleistung (höchstens 300 Euro pro Kind),

– Bonuszulage von 175 Euro für Geringverdiener,

– Berufseinsteigerbonus von 200 Euro pro Jahr für einen Zeitraum von drei Jahren, – Förderung eines renditeorientierten und kostengünstigen Altersvorsorgedepots ohne Garantieanforderungen,

– Förderung von Garantieprodukten mit garantiertem Kapital zu Beginn der Auszahlungsphase mit zwei möglichen Garantiestufen in Höhe von 80 Prozent oder 100 Prozent, – Standardisierung der Produkte durch Fokus auf Altersvorsorge (z. B. keine Absicherung mehr gegen verminderte Erwerbsfähigkeit, Dienstunfähigkeit bzw. der Hinterbliebenen),

– Ansparphase: Nach fünf Jahren ist ein Anbieterwechsel ohne Wechselkosten seitens des abgebenden Anbieters möglich,

– Stärkere Trennung der Anspar- und Auszahlungsphase durch Wechselmöglichkeit vor der Auszahlungsphase,

– Auszahlungsphase: Wahl zwischen lebenslanger Leibrente oder Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr ohne Restverrentungspflicht; Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre,

– Übermittlungspflicht der Anbieter für wesentliche Produktinformationen an eine digitale Plattform,

– Verbesserungen für bereits abgeschlossene Riester-Verträge durch Anhebung des Sonderausgaben-Höchstbetrages auf 3.500 Euro bei grundsätzlichem Bestandsschutz; Verzicht auf Restverrentung bei einem Auszahlungsplan im Konsens der Vertragsparteien sowie eine förderunschädliche Übertragung auf ein neues Altersvorsorgeprodukt sind möglich,

– Abbau von Komplexität bei der Kapital-Entnahme für selbstgenutztes Wohneigentum (Eigenheimrenten-Förderung),

– Weitere Bürokratieabbaumaßnahmen (z. B. Entkopplung der Zuordnung der Kinderzulage bei Eltern verschiedenen Geschlechts vom Geschlecht der Elternteile).

GDV: „Lebenslange Absicherung bleibt auf der Strecke“

Der GDV interpretiert den Referentenentwurf nüchtern, die Alternativen zur lebenslangen Rente sind dem Verband jedoch ein Dorn im Auge. „So wie die Reform gestaltet ist, bleibt die lebenslange Absicherung auf der Strecke: Altersvorsorge ist mehr als Vermögensaufbau“, sagt Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Gut kommt im Verband der Vorschlag im Referentenentwurf an, einfache Produkte mit lebenslanger Auszahlgarantie zu fördern, sowie ein beitragsproportionales Fördersystem einzuführen. „Gleichzeitig ist es wichtig darauf zu achten, dass auch weiterhin Geringverdiener, Alleinerziehende und Familien mit Kindern besonders von der Förderung profitieren. Diese Zielgruppen sollten der Kern der geförderten privaten Altersvorsorge sein.“ Die Versicherer wollen im Rahmen der Verbändeanhörung Stellung nehmen und sich detailliert zu dem Entwurf äußern. Eine Rückmeldung ist bis zum 18. Oktober möglich.

„Großer Wurf“

Der Bundesverband Investment und Asset Management äußert sich wenig überraschend positiv zur Reform der privaten Altersvorsorge. „Das ist ein großer Wurf und bedeutet einen Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge“, sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI. „Das bisherige, weltweit längst überholte Mantra, dass Altersvorsorge eine 100 Prozent Beitragsgarantie und eine Leibrente umfassen muss, gilt nicht mehr. Das ist revolutionär und macht die Altersvorsorge für die Sparer attraktiv, weil sie renditestärker anlegen können.“ 

Der BVI lobt, dass der „gesetzliche Zwang zu Garantien und Verrentung entfällt. Denn Beitragsgarantien und lebenslange Verrentung sind teuer und schmälern die Rendite der Sparer.“ Zudem befürwortet der Verband die im Gesetzentwurf enthaltene Möglichkeit, den Verzicht auf Garantien und Verrentung auch auf den Bestand der Riester-Verträge anzuwenden. 

Autor: VW-Redaktion