Rückschlag für Allianz Re im Homeoffice-Streit gegen eigenen Betriebsrat

Die Presse-Versorgung wird als Konsortium unter der Federführung der Allianz Lebensversicherungs-AG betrieben. Bildquelle: Allianz

Den juristischen Punktsieg der Allianz Re im Streit um die Homeoffice-Regelungen mit vier festen Bürotagen pro Monat ließ der Betriebsrat nicht lange auf sich sitzen. Gegen das Urteil des Münchener Arbeitsgereichts Mitte April folgte prompt eine Beschwerde. Mit Erfolg, wie ein Urteil vom 10. August nun zeigt. Der Sommer war für die Rückversicherungseinheit wohl heißer als gedacht.

Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18. April 2023 – 40 BVGa 8/23 – wurde die Allianz Re verurteilt, „die Anordnung einer verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden von vier Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstraße 28, 8..0802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilem Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf zurückzunehmen, bis hierzu eine Betriebsvereinbarung mit dem Beteiligten des Betriebsrats abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch oder eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist“. So lautet der aktuellste Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 10. August (Kennzeichen 8 TaBVGa 6/23) zum Homeoffice-Streit zwischen Allianz-Re-Geschäftsführung und dessen Betriebsrat.

Vorangegangen war eine heftige Auseinandersetzung über eine zum 1. April scharf gestellte Regelung. Am 28. März 2023 wurde per Mitarbeiter-Videokonferenz kommuniziert, dass die in der Pandemie geltenden Maßnahmen auf „Grundlage des Freiwilligenprinzips“, zum 31. März 2023 auslaufen und noch am selben Abend eine entsprechende Intranet-Mitteilung veröffentlicht. Konkret geht es um vier – und bei dringlichen Themen mehrere – feste Teamtage im Büro pro Monat. Ein Dorn im Auge der Arbeitnehmervertreter.  

Der Betriebsrat der Allianz Re reichte einstweilige Verfügung vor dem Arbeitsgericht München ein und argumentierte Ende März gegenüber VWheute damit, dass man sich bei der Entscheidung übergangen fühle und damit überhaupt nicht einverstanden sei.

Die Allianz ihrerseits berief sich zu der Zeit auf die Betriebsvereinbarung zum Mobilen Arbeiten aus dem Jahr 2016. Demanch betrage die maximale Anwesenheit im Büro, die bei strenger Auslegung des bestehen Regelwerks gelebt werden könnte, 51 Prozent und keine 100 Prozent, so der Versicherer. Das Unternehmen hob damals hervor, dass man keine 51 Prozent Anwesenheit fordere, „sondern eingebettet in die Lösung der deutschen Einheiten vier Präsenztage im Monat, begleitet durch einen Katalog von Aktivitäten, bei denen es von Vorteil ist, zusammen im Büro daran teilzunehmen.“ 

Was eine „absolute Wahlfreiheit“ für den Mitarbeiter zwischen zu Hause und Büro außerhalb solcher Bedingungen angehe, sei dies schon aufgrund geltenden Steuerrechts und Sozialversicherungsrechts nicht möglich, berichtete die Allianz Ende März.

Zunächst bekam der Versicherer in besagtem Urteil vom 18. April auch recht. Ohne Einzelheiten zu nennen, wurden die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Die Unternehmensleitung hätte demnach aufgrund des damaligen Übereinkommens rechtmäßig gehandelt, indem sie die bisher geltende absolute Wahlfreiheit des Arbeitsplatzes etwas einschränkte.

Am 10. August dann die Kehrtwende. In Beschluss aus zweiter Instanz kam das Münchener Landesarbeitsgericht zu der Entscheidung, dass die Allianz Rück ihre Homeoffice-Regelung zunächst wieder zurücknehmen müsse, weil dessen Ausgestaltung, konkret der Punkt um vier feste Präsenztage für jedes Team, ohne den Betriebsrat erfolgte. „Vielmehr zielt die Kommunikation der Beteiligten Allianz Re auf eine Umgestaltung der Rechtslage hinsichtlich des ‚Wie‘ der mobilen Arbeit im Betrieb“, heißt es im Urteil. Der Betriebsrat darf hier also ein Wörtchen mitreden.

Laut aktueller Urteilsschrift hat dieser bei Verstößen gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber, „auch wenn dieser Anspruch in § 87 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt wird.“ Unterlassungsansprüche können demzufolge als selbstständige, einklagbare Nebenleistungsansprüche auch ohne gesetzliche Normierung bestehen. Der Betriebsrat könne auch verlangen, dass der unter Verletzung seines Mitbestimmungsrechts eingetretene Zustand beseitigt wird.

Hinsichtlich des ‚Wie‘ der Ausübung sehe die Betriebsvereinbarung in vorliegendem Fall nur vor, dass mobiles Arbeiten in Abstimmung mit dem Vorgesetzten zu erfolgen habe. Von bindenden inhaltlichen Vorgaben werde in der Betriebsvereinbarung abgesehen. „Dies gilt auch bezüglich der Regelung in Nr. 4 Abs. 1 S. 2 der Betriebsvereinbarung, wonach der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden sollte. Es handelt sich dabei nur um eine unverbindliche Angabe, wie die Beteiligte Allianz Re selbst zutreffend annimmt“, schreibt das Arbeitsgericht.

Wie die SZ berichtet, habe es vor dem Landgerichtsurteil im August im Zusammenhang mit dem Homeoffice sogar in einzelnen Fällen Kündigungsdrohungen gegeben, was seitdem nicht mehr der Fall sei.

Die Beziehung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat gilt bei der Allianz Re als stark angespannt. Seit 2021 habe der Betriebsrat nach Angaben der Tageszeitung über 50 Gerichtsverfahren angestrengt. Ein Hauptsacheverfahren, also ein Verfahren, in dem endgültig über das zu regelnde Rechtsverhältnis entschieden werden soll, wurde im Homeoffice-Fall im Sommer beantragt. Ausgang offen.

Autor: VW-Redaktion