AGV hebt Branchengehälter an
Lange wollte sich die Branche nicht in die Karten schauen lassen, wie sie auf die galoppierenden Preise reagiert. Am Wochenende haben sich der AGV unter dem Vorsitzenden Andreas Eurich mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nach einem zehnstündigen Verhandlungsmarathon auf leichte Anpassungen im bestehenden Tarifvertrag verständigt. Im Kern sollen Angestellte des Innen- und Außendienstes sowie die Auszubildenden in den Jahren 2023 und 2024 eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2.000 Euro erhalten.
Nach Angaben des AGV soll der Betrag gestaffelt in Höhe von jeweils 1.000 Euro bis spätestens 31. März 2023 bzw. bis spätestens 31. März 2024 gezahlt werden. Ursprünglich forderte Verdi 3.000 Euro. Indes gilt die Prämie gleichermaßen für Innen- und Außendienstmitarbeiter sowie für Auszubildende. Für Angestellte in Elternzeit soll – abweichend von der üblichen Systematik bei tariflichen Einmalzahlungen – noch eine Sonderregelung gefunden werden, welche bis 28. Februar 2023 zu verhandeln sei.
Zudem wurde der geltende Innendienst-Gehaltstarifvertrag um zwölf Monate bis 31. März 2025 verlängert. Dafür wurde eine dritte Gehaltssteigerungsstufe eingefügt: Die Tarifgehälter (einschließlich Tätigkeits- und Verantwortungszulagen) werden ab 1. September 2024 um 3,0 Prozent linear erhöht. Dies gilt auch für die Auszubildenden. Diese Verlängerung der Laufzeit war Bedingung des AGV für die Bereitschaft, die Inflationsausgleichsregelung trotz gültiger Entgelttarifregelungen zu vereinbaren.
Außerdem betonte der AGV, dass es bei folgender Vereinbarung aus dem Abschluss vom 2. April 2022 bleibt: Alle Angestellten erhalten mit dem Mai-Gehalt 2023 eine einmalige zusätzliche Zahlung in Höhe von 500 Euro, die Auszubildenden in Höhe von 250 Euro. Teilzeitbeschäftigte und Angestellte, deren Arbeitsverhältnis in ein Teilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt ist, erhalten die Einmalzahlungen anteilig. Der AGV hätte nach eigener Aussage diese steuer- und beitragspflichtige Einmalzahlung gerne in steuer- und beitragsfreie Inflationsausgleichsprämie umgewandelt. Dies sei aber aus steuerrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, hieß es beim Arbeitgeberverband.
Was der AGV und Verdi für die Außendienstmitarbeiter vereinbart haben
Für die Mitarbeiter im Werbeaußendienst sowie im angestellten Außendienst vereinbarten die Tarifpartner demnach folgende Regelung:
- Die Stufe 1, die nur für Angestellte des Werbeaußendienstes in den ersten beiden Jahren ihrer Unternehmenszugehörigkeit gilt, wird überproportional um 3,17 Prozent ab 1. November 2023, um 2,19 Prozent ab 1. November 2024 und um 3,0 Prozent ab 1. November 2025 angehoben.
- Die Stufe 2 (für Angestellte des Werbeaußendienstes ab dem dritten Jahr der Unternehmenszugehörigkeit) wird um 3,04 Prozent ab 1. November 2023, um 2,05 Prozent ab 1. November 2024 und um 3,12 Prozent ab 1. November 2025 angehoben.
- Zudem werde das Mindesteinkommen für die Mitarbeiter des organisierenden Außendienstes gemäß § 3 Ziff. 2 GTV um 3,02 Prozent ab 1. November 2023, um 2,02 Prozent ab 1. November 2024 und um 3,06 Prozent ab 1. November 2025 angehoben.
- Die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Sonderzahlungen wird gemäß §§ 19 Ziff. 5 MTV und 22 Ziff. 3 MTV um 3,03 Prozent ab 1. November 2023, um 2,02 Prozent ab November 2024 und um 3,06 Prozent ab November 2025 angehoben. Die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Sozialzulage gem. § 19 Ziff. 2 MTV wird nicht angehoben.
- Die Höchstbeträge der Sonderzahlung werden gemäß § 19 Ziff. 5 MTV um 3,22 % (Stufe 1) bzw. 2,99 Prozent (Stufe 2) bzw. 3,04 Prozent (organisierender Werbeaußendienst) ab 1. November 2023, um 2,16 Prozent (Stufe 1) bzw. 2,13 Prozent (Stufe 2) bzw. 2,08 Prozent (organisierender Werbeaußendienst) ab 1. November 2024 sowie um 3,05 Prozent (Stufe 1), um 3,04 Prozent (Stufe 2) bzw. 3,06 Prozent (organisierender Werbeaußendienst) ab 1. November 2025 erhöht.
- Die Höchstbeträge der Sonderzahlung werden gemäß § 22 Ziff. 3 MTV um 3,25 Prozent (Stufe 1) bzw. 3,23 Prozent (Stufe 2) bzw. 3,14 Prozent (organisierender Werbeaußendienst) ab 1. November 2023, um 1,97 Prozent (Stufe 1) bzw. 2,19 Prozent (Stufe 2) bzw. 2,22 Prozent (organisierender Werbeaußendienst) ab 1. November 2024 sowie um 3,09 Prozent (Stufe 1), um 3,06 Prozent (Stufe 2) bzw. 2,98 Prozent (organisierender Werbeaußendienst) ab 1. November 2025 angehoben.
- Die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Krankenzulage und Krankenbeihilfe steigt gemäß § 21 Ziff. 2 b und c MTV um 3,01 Prozent ab 1. November 2023, um 1,99 Prozent ab 1. November 2024 sowie um 2,98 Prozent ab 1. November 2025.
- Der Höchstbetrag des Provisionsausgleichs für Eigengeschäfte pro tariflichem Urlaubstag wird gemäß § 22 Ziff. 2 Abs. 2 MTV um zehn Euro (= 2,94 Prozent) ab 1. November 2023, um zehn Euro (= 2,86 Prozent) ab 1. November 2024 und um zehn Euro (= 2,78 Prozent) ab 1. November 2025 angepasst.
AGV und Verdi geben sich zufrieden
„Funktionierende Sozialpartnerschaft ‚Die 2.'“: Ein Wochenende, ein Gespräch zwischen den Sozialpartnern, ein ausgewogener Kompromiss, der nach harten, Verhandlungen steht! Diese herausfordernden und unsicheren Zeiten brauchen Lösungen, die beiden Seiten helfen. Die Versicherer als Arbeitgeber haben ihre Beschäftigten im Blick und erreichen Planungssicherheit bis Anfang 2025″, kommentiert Verbandsgeschäftsführer Michael Gold die Vereinbarung.
Auch Verdi-Vertreterin Martina Grundler gibt sich gegenüber VWheute weitgehend zufrieden: „Eine tarifliche Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.000 Euro, die in zwei Schritten mit je 1.000 Euro in 2023 und 2024 ausgezahlt wird (steuer- und abgabenfrei). Darüber hinaus appellieren die Tarifvertragsparteien an die Unternehmen, betrieblich weitere Zahlungen bis zu 1.000 Euro zu leisten, entsprechend der betrieblichen Möglichkeiten. Das ist also kein Rechtsanspruch, sondern hängt von einer Einigung zwischen Betriebsräten und Unternehmensleitung ab.“
„Die Prämie erhalten der Innen- und Außendienst und die Auszubildenden: Leider ist es nicht gelungen für Teilzeitkräfte den gesamten Betrag durchzusetzen, die bekommen die Zahlung nur anteilig. In welcher Höhe eine Inflationsausgleichsprämie auch für Beschäftigte in Elternzeit gezahlt wird, verhandeln die Tarifvertragsparteien bis Ende Februar 2023“, konstatiert Grundler
„Der Gehaltstarifvertrag für den Innendienst wird um zwölf Monate verlängert bis 31. März 2025 und im September 2024 gibt es eine weitere Tariferhöhung von drei Prozent. Damit steigen die Gehälter im Innendienst bis zum Ende der Laufzeit um acht, es werden 2.000 Euro Inflationsausgleichsprämie gezahlt und eventuell weitere 1.000 Euro aufgrund einer betrieblichen Vereinbarung. Dazu kommen die bereits beim letzten Tarifabschluss vereinbaren Einmalzahlungen, die aber steuer- und sozialversicherungspflichtig sind (eine wurde bereits ausgezahlt im Mai 2022 in Höhe von 550 Euro, eine weitere Einmalzahlung erfolgt im Mai 2023 in Höhe von 500 Euro)“, erläutert Grundler weiter.
Für den Außendienst seien zudem die Tarifverhandlungen vorgezogen worden, „weil ja auch der angestellte Außendienst die vereinbarte Inflationsausgleichsprämie von 2.000 Euro erhalten soll. Die Mindesteinkommen und alle übrigen tariflichen Gehaltsbestandteile steigen in drei Schritten: November 2023 um drei Prozent, November 2024 um zwei Prozent und im November 2025 um weitere drei Prozent. Das sind ebenfalls acht Prozent über drei Jahre. Die letzte Erhöhung im Außendienst hat im November 2022 stattgefunden“, erläutert Grundler weiter. Zudem gebe „es eine Verhandlungsverpflichtung zur Modernisierung der tariflichen Regelungen im Außendienst.“
Dennoch sieht Grundler im Tarifabschluss für Verdi einen „großen Erfolg, dass die Inflationsausgleichsprämie auch im angestellten Außendienst ausgezahlt wird. Insgesamt ist es uns damit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gelungen, die realen Einkommen in der Branche zu stabilisieren. Natürlich hätten wir uns an der ein oder anderen Stelle ein besseres Ergebnis gewünscht, uns schmerzt zum Beispiel, dass die Teilzeitkräfte die Zahlungen nur anteilig erhalten, schließlich leiden die genauso unter der Inflation und den hohen Energiekosten. Auch eine Ausweitung der Zahlung auf Beschäftigte im Vorruhestand und in der Altersteilzeit konnten wir leider nicht durchsetzen“, so die Gewerkschaftsvertreterin weiter.
Aktueller Tarifvertrag steht seit April 2022
Bereits Anfang April 2022 hatten sich der AGV und Verdi auf einen Tarifabschluss für die rund 160.000 Beschäftigten im Innendienst und die Auszubildenden geeinigt. So wurden Tarifgehälter zum 1. September 2022 um drei Prozent erhöht. Zum 1. September 2023 steigen die Gehälter um weitere zwei Prozent. Die Ausbildungsvergütungen sollen ebenfalls zum 1. September 2022 und 2023 um jeweils 50 Euro erhöht werden. Darüber hinaus sollen die Auszubildenden Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro und 250 Euro, sowie einen Übernahmeanspruch nach erfolgreich absolvierter Ausbildung erhalten. Zudem sollen Teilzeitbeschäftigte laut Verdi erstmalig einen tariflichen Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen bei der Ableistung von Überstunden erhalten.
Dabei ging es bei den Tarifverhandlungen durchaus stürmisch zu. So hatte Verdi Ende März 2022 zunächst die Beschäftigten in Wiesbaden, dem Sitz des Versicherungskonzerns R+V, zum Streik aufgerufen. Kurz darauf sollten weitere Aktionen unter anderem in Hamburg, Hannover, Stuttgart und München folgen. Zudem war in Düsseldorf eine Versammlung vor der Zentrale der Provinzial in Düsseldorf geplant.
Bereits im Februar war die zweite Verhandlungsrunde zwischen Verdi und dem Arbeitgeberverband der privaten Versicherungswirtschaft (AGV) ergebnislos. Begleitet wurden die Verhandlungen von ersten Streiks in der Versicherungsbranche, zu der Verdi für den 23. Februar 2022 aufgerufen hatte. In Hannover, Bremen, Hamburg und im Provinzial-Konzern beteiligten sich rund 800 Beschäftigte.
Der Arbeitgeberverband AGV gab sich dennoch gelassen: „Die Streikaufrufe von Verdi gehören zu den üblichen Begleitmaßnahmen des Sozialpartners im Vorfeld einer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zum Abschluss führenden Tarifrunde. Wir haben zwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Aktionen. Die Verhandlungen sind nämlich keineswegs ‚gescheitert‘, was eigentlich Voraussetzung für Streiks wäre. Diese Zweifel stellen wir jedoch gegenwärtig zurück, solange alles im Rahmen bleibt“, betont damals Sebastian Hopfner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des AGV, gegenüber VWheute.
Autor: VW-Redaktion