HanseMerkur-Vertriebschef Bussert: „Klassischer Vermittler hat weiterhin eine blühende Zukunft als lokal und digital vernetzter Lösungsanbieter“

Tausende Versicherungsvermittler tummeln sich derzeit auf der DKM und fragen sich, welche Rolle sie in einer komplexen Vertriebswelt in Zukunft einnehmen werden. Eric Bussert, Vorstand Vertrieb und Marketing der HanseMerkur, erläutert im Exklusiv-Kommentar, warum das Geschäft der Vermittler sowohl von der Couch als auch in der Cloud blühen wird.

Tausende Versicherungsvermittler tummeln sich derzeit auf der DKM und fragen sich, welche Rolle sie in einer komplexen Vertriebswelt in Zukunft einnehmen werden. Eric Bussert, Vorstand Vertrieb und Marketing der HanseMerkur, erläutert im Exklusiv-Kommentar, warum das Geschäft der Vermittler sowohl von der Couch als auch in der Cloud blühen wird.

Um es vorwegzunehmen: Das Spannungsfeld von der Zukunft der Lebensversicherung, Provisionsrichtwert und die Rolle des Vermittlers sind längst kein Dreieck mehr. Eine Visualisierung der komplexen Vertriebswelt in einer Tag-Cloud würde schnell jedes PowerPoint-Slide sprengen, beim Buzzword-Bingo stände der Gewinner wahrscheinlich nach nicht mal einer Minute fest.

Zu tief sind Worte wie Digitalisierung, Regulatorik, KI, Disruption und Ökosystem mittlerweile in unserer vertrieblichen Anschauung verankert. Nähern wir uns den Themen wie in einem Marketing Funnel (Bingo!), zeigen die letzten Monate aber auch, dass vermeintliche Dauerbrenner eine erhebliche Volatilität erfahren können. Waren vor einem Jahr die Niedrigzinsen eine stete und kaum wegzudenkende Herausforderung für die Versicherungswirtschaft, führen heute schnell steigende Zinsen und die Inflation zu einer deutlich veränderten Marktsituation. Die geopolitische und gesellschaftliche Lage bleibt angespannt und dies trifft aufgrund der sozialpolitischen Verantwortung, aber auch aufgrund der hohen Vernetzung und vielfältigen Geschäftszweige insbesondere auch die Versicherungswirtschaft.

Fest im Griff der Regulatorik

Zudem stehen komplexe Fragestellungen, auch die des Vertriebes, in einer klaren Abhängigkeit zu politischen und aufsichtsrechtlichen Entscheidungen. Der Einfluss von Regulatorik wirkt sich immer wieder neu spürbar aus, darüber hinaus sind große Aktionsfelder wie das der Rente weiter im Umbruch. Ist es der FDP zwar noch gelungen, den Begriff der Aktienrente im Koalitionsvertrag unterzubringen, sprach dieser aber schon nur noch von einem jährlichen Steuerzuschuss in Höhe von überschaubaren zehn Milliarden Euro zur Bildung eines rentierlichen Minikapitalstocks unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung. Ein neues Renten-Gutachten des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) empfiehlt nun im Wesentlichen, verpflichtende Beiträge jedes Einzelnen zum Aufbau einer kapitalgedeckten Rente zu erheben, um damit einen Staatsfonds zu finanzieren. Auch wenn „ausgewählten Versicherern“ der Vertrieb von kostenoptimierten Opt-Out-Tarifen erlaubt sein soll, wäre das doch eine weitere Verstaatlichung der Altersvorsorge – und damit ein elementarer Eingriff in die Wahlfreiheit des Einzelnen.

Doch anstatt die Zukunft der staatlich geförderten, privaten Altersvorsorge in Deutschland sinnvoll weiterzuentwickeln, erwecken die Diskussionen um einen möglichen Provisionsrichtwert den Eindruck eines Possenspiels. Da musste das BMF die eigene Aufsichtsbehörde Bafin wieder einfangen und daran erinnern, dass es keine gesetzliche Grundlage für einen Provisionsdeckel oder einen Richtwert in der Lebensversicherung gibt. Und jetzt wird auch klar, warum die Zukunft der Lebensversicherung eng mit der Zukunft des Vertriebes verbunden ist: Solche Stellvertreter-Diskussionen sind wenig zielführend, schaden sie doch in der medialen Wahrnehmung unmittelbar vornehmlich einem: Dem Vertreiber von Versicherungsprodukten, dem mindestens ein Interessenskonflikt oder gleich einseitige Beratung unterstellt wird.

Mittelbar wirkt sich das schlechte Renommee des Vertriebes in der öffentlichen Wahrnehmung aber auch auf den sozialpolitischen Auftrag der Aufmerksamkeitsschaffung und der Aufklärung von Versorgungslücken sowie die daraus resultierende individuelle Beratung und Versorgung aus. Diese Tragik dürfte eigentlich niemanden gut schlafen lassen, weder Politik noch Versicherungswirtschaft. Doch auch Letztere muss die Rolle des Vermittlers aus sich selbst heraus stärken. Das geht nur mit weiteren deutlichen Verbesserungen in der Vertriebsunterstützung, der Begleitung in der Transformation von Geschäftsmodellen und mittels einer stringent umgesetzten Kundenzentrierung.

Die Customer Journey ist nicht mehr linear, sondern dynamisch

Die Orientierung an den Bedürfnissen des Kunden ist dabei sicherlich ein zentrales Thema, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Vertrieb weiterentwickelt wird. Die Customer Journey ist nicht mehr linear, sondern dynamisch. Und je nachdem, wie Kunde definiert wird, hat dies Auswirkungen auf viele Bereiche des Vertriebes. So ist sicherlich der Endkunde gemeint, der ein reibungsloses Serviceerlebnis erwartet. Doch auch der Vertriebspartner ist Kunde des Versicherers und hat dementsprechende Anforderungen an die Zusammenarbeit. Beide erwarten neben der regelmäßig möglichst persönlichen und individuellen Servicierung die digitale und damit effiziente Abbildung aller Prozesse – idealerweise auch im Self-Service-Modell. Die Verknüpfung von Online- und Offline-Vertriebswegen sowie On- und Offline-Kommunikationskanälen und -punkten ist längst wie in vielen anderen Branchen ein Gradmesser für zukünftigen Erfolg.

In der Versicherungswirtschaft führt sie allerdings auch zu erheblichen Herausforderungen an die technische Abbildung der Anforderungen an Vergütung, interne Strukturen, aber auch an die Vertriebswegehygiene. Die Interaktionsflexibilität des Kunden stellt zudem erhebliche Anforderungen an die technische Abbildung der Datenflüsse und -haltung und damit verbundene Prozessintegration dar. Lösungen für diese neuen Herausforderungen sind mannigfaltig in Erprobung. Erfreulicherweise in jüngster Vergangenheit auch in kooperativer Weise zwischen Versicherungsunternehmen und Fin-/Insurtechs, bringen diese doch oftmals wichtige Insights aus anderen Branchen besonders in Bezug auf Datenhaltung und -fluss mit. Einen signifikanten Wettbewerbsvorteil werden sicherlich die Unternehmen aufbauen, die es schaffen, intelligent und datenschutzkonform Daten zu erheben, zu analysieren, zu veredeln und in einen wahrnehmbaren Vertriebs- und Kundennutzen zu überführen – idealerweise so positiv wahrgenommen wie Amazon das seit Jahren in seiner Kundenservicierung äußerst erfolgreich lebt.

Ich bin fest davon überzeugt, dass zudem die Pluralität der Vertriebswege in einem ausgewogenen Mix einen weiteren Erfolgsparameter in einer omnikanalen Welt darstellt. Für die Ausschließlichkeit gilt mittlerweile schon nahezu als Gemeinplatz der Satz „Totgesagte leben länger“. Das war aber längst kein Selbstläufer. Die Wandlungsfähigkeit dieses Vertriebsweges ist enorm und setzt voraus, dass Führung und Steuerung viele Geschäftsmodelle nebeneinander zulassen, Generalisten neben Spezialisten, Outbound-Center mit eigener Leadgewinnung neben der lokal vernetzten Traditionsagentur.

Für den Vertreter, aber ebenso für Makler gilt: Die persönliche Beziehung des Beraters/Verkäufers zum Kunden und seine Lösungskompetenz werden vor allem in Produkten, an denen das Bedürfnis erst einmal geweckt werden muss, ebenso weiterhin gewünscht und erwartet – nur eben nicht mehr direkt beim Kunden zu Hause, dafür aber nach Möglichkeit zu jederzeit und über jede Kontaktform hinweg. So aufgestellt – als persönlicher hybrider Berater vor Ort und digital – hat der klassische Versicherungsvermittler weiterhin eine blühende Zukunft als lokal und digital vernetzter Lösungsanbieter – wie ehemals Herr Kaiser – nur eben in der Cloud und auf der Couch.

Damit aber vor allem Einzelmakler nicht zwischen den Anforderungen der Regulatorik und Administrierung auf der Strecke bleiben, sind Pools und Verbünde sowie vertriebsnahe Dienstleister mit ihren Unterstützungsangeboten wichtige Marktteilnehmer mit ungefährdeter Existenzberechtigung. Das zeigt auch der Vertriebsweg der Bank-Assurance, wo ebenfalls immer häufiger Kooperationen mit neuen Stakeholdern wie Pools an der Tagesordnung sind. Auch das ist ein gutes Beispiel, wie sich Geschäftsmodelle auch zukünftig weiterentwickeln und Hürden abgebaut werden müssen. Denn auch im Bankenvertrieb zeigt sich, was im klassischen Onlinevertrieb bereits gelebt wird: Starke Wachstumsraten sind insbesondere im Bereich der Commodities zu erwarten, der Direkt- und Aggregatorenvertrieb wird diese Produktbereiche stark besetzen. Gleiches gilt für die ehemals produkt-akzessorischen Vermittler genannten Vertriebsansätze, die heute unter dem Begriff Embedded Insurance zu Recht einen Hype erfahren und sicherlich in Zukunft ein interessantes Wachstumsfeld definieren. Das beratungsintensive Geschäft wird weiterhin der persönlich-digitale Kundenmanager schreiben – was zugleich ein hochattraktives und zugleich flexibel gestaltbares Berufsbild für junge Vertriebstalente darstellt.

Mein Fazit fällt daher gemischt positiv aus: Mittel und Wege im Vertrieb werden sich ständig weiter ändern, die Logik aber nicht. Die Wahrnehmung des Vermittlers muss allerdings deutlich verbessert werden, sonst verlieren wir nicht nur den War for Talents. Bingo.

Autor: Eric Bussert, Vorstand Vertrieb und Marketing der HanseMerkur

Ein Kommentar

  • Mein Fazit fällt daher gemischt positiv aus: Mittel und Wege im Vertrieb werden sich ständig weiter ändern, die Logik aber nicht. Die Wahrnehmung des Vermittlers muss allerdings deutlich verbessert werden, sonst verlieren wir nicht nur den War for Talents. Bingo.

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