Wird Novavax zur Gefahr für die Versicherer?

Da bei dem Novavax-Präparat das Spikeprotein mithilfe gentechnischer Methoden hergestellt wird, handelt es sich nicht um einen klassischen Totimpfstoff. Bildquelle: HeungSoon auf Pixabay

Mit dem Novavax-Präparat kommt in Europa ein Covid-19-Impfstoff mit einer neuen Technik auf den Markt. Er enthält im Labor hergestellte Kopien des Spikeproteins. Die europäische Arzneimittelbehörde Ema hat den Weg für den ersten sogenannten „Totimpfstoff“ gegen das Coronavirus geebnet. Die Hoffnung ist groß, die Impfquoten zu erhöhen. Es könnten aber auch neue Risiken drohen. Erinnerungen an den Fall Astrazeneca werden bei dem ein oder anderen aufkommen – auch bei den Versicherern.

Die EU-Kommission hat am Montag dem Impfstoff Nuvaxovid des Unternehmens Novavax eine bedingte Zulassung erteilt. Damit ist er der fünfte in der EU zugelassene Impfstoff gegen COVID-19. Novavax hatte die Marktzulassung im November beantragt.

Einer bereits im Sommer veröffentlichten Studie mit 30.000 Teilnehmern zufolge ist der Corona-Impfstoff aus dem Hause Novavax mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent hoch effektiv. Er wirkt demnach ähnlich stark wie die bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffe von BioNTech und Moderna.

Das Präparat enthält winzige Partikel, die aus einer im Labor hergestellten Version des Spikeproteins von Sars-CoV-2 bestehen. Totimpfstoffe bestehen nach gängiger Definition entweder aus inaktivierten Erregern oder Erregerbestandteilen. Da bei dem Novavax-Präparat das Spikeprotein mithilfe gentechnischer Methoden hergestellt wird, handelt es sich nicht um einen klassischen Totimpfstoff. Dennoch trifft das Mittel die grundsätzliche Definition, da es sich um einen Erregerbestandteil handelt.

Die EU-Kommission hat Anfang August im Namen der Mitgliedstaaten einen Kaufvertrag über bis zu 100 Millionen Novavax-Impfstoffdosen geschlossen, die bis Ende des kommenden Jahres zur Verfügung gestellt werden müssen. Außerdem enthält der Vertrag eine Option auf 100 Millionen weitere Impfdosen, die bis spätestens Ende 2023 geliefert werden sollen. Das deutsche Gesundheitsministerium hat das Mittel für kommendes Jahr bereits eingeplant.

Was passiert im Fall von Impfschäden?

Wer sich impfen lässt und einen gesundheitlichen Dauerschaden erleidet, gilt finanziell als abgesichert. „Wer einen Impfschaden erleidet, hat in jedem Fall Ansprüche gegen den Staat, der die Impfung empfohlen hat. Und das ist bei der Corona-Schutzimpfung zweifelsfrei der Fall“, erklärt Isabella Beer, Fachanwältin für Medizinrecht und für Versicherungsrecht von der Kanzlei Förster & Blob aus Schwabach.

Die Pharmafirma, die das Produkt vertreibt, haftet, wenn das Arzneimittel fehlerhaft ist. Der Arzt, der die Impfung durchgeführt hat, muss Schadensersatz leisten, wenn er Fehler bei der Impfung gemacht hat, beispielsweise der Impfstoff wegen bestimmter Vorerkrankungen nicht eingesetzt werden darf.

Kurz nach einer Impfung können verschiedene Symptome auftreten, wie Temperaturerhöhung, Kopf- und Gliederschmerzen. Beer: „Erst wenn diese oder andere Reaktionen aber nicht mehr weggehen, dann spricht man von einem Impfschaden.“ Ruft der Impfstoff also eine schwere Krankheit hervor, erhält das Opfer auf Antrag Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Dies ist in Paragraf 60 des Infektionsschutzgesetzes geregelt. Schmerzensgeld könnten die Betroffenen aus dem Bundesversorgungsgesetz nicht erhalten.

Pharmazeutische Unternehmer haften nach dem Arzneimittelgesetz für die Einzelperson bis zu einem Kapitalbetrag von 600.000 Euro oder einer jährlichen Rente von 36.000 Euro. Werden mehrere Personen durch das gleiche Arzneimittel geschädigt, beträgt die Höchstgrenze des Kapitalbetrages 120 Mio. Euro und die der jährlichen Rente 7,2 Mio. Euro. Über diese Gefährdungshaftung hinaus haften die Pharmazeutischen Unternehmer unbegrenzt, sodass eine darüberhinausgehende Absicherung erforderlich ist.

Beweislast auf Opferseite

Indes hat die umfangreiche Staats- und Privathaftung auch einen bösen Hasenfuß: Impfschäden müssen die Opfer beweisen. Allein bei grob sorgfaltswidrigem Verhalten gebe es eine Beweiserleichterung. Das sei bei eklatanter Überdosierung, wie in einem Pflegeheim in Stralsund, bei dem die fünffache Dosis verabreicht wurde, gegeben. Im Versorgungsrecht sei das erforderliche Beweismaß grundsätzlich gemindert. Hier reicht es aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die eingetretene Schädigung auf die Impfung zurückzuführen ist. Dann muss ein entschädigungspflichtiger Impfschaden anerkannt werden.

Wer seinen Schutz vor der Impfung erhöhen will, kann sich privat versichern. So zahlen einige Unfallversicherer, wenn der Impfschaden zu einer Invalidität führt.

Auch eine Rechtsschutzversicherung kann helfen. Mit den Deckungen des obligatorischen Privat-Bausteins können Kunden ihre rechtlichen Interessen vor deutschen Sozialgerichten wahrnehmen. Hier allerdings haben die Versicherer das Problem, die sensibilisierte Öffentlichkeit auf dem falschen Fuß zu erwischen, wenn sie in der Krise für die eigenen Produkte werben. Tatsächlich gilt die Gefahr von Impfschäden als vergleichsweise gering. Experten rechnen mit etwa 200 Fällen jährlich, wovon letztlich rund ein Sechstel anerkannt werden.

Zur Einordnung: Laut RKI wird in Deutschland seit dem 27. Dezember 2020 gegen Corona geimpft. Bislang wurden rund 143,2 Millionen Impfungen injiziert, davon waren 61,1 Millionen Erstimpfungen.

Novavax ruft vor allem Erinnerungen an den Fall Astrazeneca hervor. Kurz nach Markteinführung kam es zur Debatte, wie gefährlich dieser ist bzw. welche Schäden daraus resultieren. Der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur kam schließlich zur Überzeugung, dass Vaxzevria (AZD1222) in seltenen Fällen venöse Thrombosen im Gehirn und im Bauch­bereich auslösen könne. Der Nutzen der Impfung würde dadurch jedoch vor dem Hintergrund der derzei­tigen Impfkampagne nicht infrage gestellt.

Und Novavax? Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seien die bereits millionenfach verabreichten Impfstoffe von Moderna und Biontech „eine ganze Spur sicherer“.

Autor: VW-Redaktion