HDI-CEO Rogenhofer: „Aktuelle Telematik-Systeme sind zu aufwendig und bieten kaum Nutzwert“

Herbert Rogenhofer, CEO HDI Versicherung AG: „Der Markt für Elektrofahrzeuge bietet enormes Potenzial, sich hier rechtzeitig mit entsprechenden Leistungen aufzustellen und sich als moderner und innovativer Versicherer zusätzliche Marktanteile zu sichern.“(Quelle: HDI/ Roland Schmidt)

Die S-Klasse darf als erstes Serienauto der Welt unter gewissen Voraussetzungen völlig selbstständig fahren. Dieser Durchbruch beim autonomen Fahren dürfte Versicherer in Zugzwang bringen. Wir sprachen mit Herbert Rogenhofer, Vorstandsvorsitzender der HDI Versicherung AG, über Risiken und Absicherungspotenziale im Geschäftsfeld Mobilität.

VWheute: Laut Kraftfahrtbundesamt sind mittlerweile mehr als eine Million Fahrzeuge mit einem Elektroantrieb unterwegs. Was bedeutet dies für die Versicherer und wie kann die Versicherungswirtschaft auf diese Entwicklung reagieren?

Herbert Rogenhofer: Aktuell bewegen wir uns bei Autos mit Elektroantrieb immer noch in einer Nische. Allerdings lässt sich auch durch die aktuellen Förderungsmaßnahmen eine starke und kontinuierliche Zunahme solcher Fahrzeuge verzeichnen. Meiner Ansicht nach gehört der Elektromobilität ganz klar die Zukunft. Der Anteil von Elektrofahrzeugen wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren stark erhöhen. Stand heute gibt es jedoch noch wenig Erkenntnisse über den konkreten Schadenbedarf für Elektrofahrzeuge. Dieser ist zwar pro Schaden durchschnittlich etwas höher als bei Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb, dennoch bleibt auch abzuwarten, wie sich diese in den nächsten Jahren unter Berücksichtigung des steigenden Anteils von Fahrzeugen und einer damit einhergehenden Zunahme an spezialisierten Werkstätten weiterentwickelt.

VWheute: Worüber muss die Branche jetzt schon nachdenken?

Herbert Rogenhofer: Grundsätzlich müssen sich die Versicherer Gedanken darüber machen, welche Bedürfnisse Fahrer bzw. Nutzer von Elektrofahrzeugen zukünftig haben. Gehen diese unter Umständen über die heute bestehenden Versicherungsleistungen hinaus? Welche neuen oder ergänzenden Leistungsinhalte können hier – speziell vor dem Hintergrund der sich wandelnden Mobilität der Menschen – am Markt für die Kunden positioniert werden? Aus unserer Sicht bietet der Markt für Elektrofahrzeuge enormes Potenzial, sich hier rechtzeitig mit entsprechenden Leistungen aufzustellen und sich als moderner und innovativer Versicherer zusätzliche Marktanteile zu sichern.

VWheute: Hybriden Fahrzeugen gehört die Zukunft. Wie müssen die Versicherer ihren Versicherungsschutz dahingehend anpassen?

Herbert Rogenhofer: Vor allem als Übergangstechnologie, bis sich vollelektrische Fahrzeuge durchgesetzt haben werden, werden viele Autofahrer auch auf Hybridfahrzeuge setzen. Insbesondere dort, wo eine ausreichende Ladestruktur noch nicht zur Verfügung steht, etwa im ländlichen Raum, werden diese auf Sicht eine wichtige Rolle spielen, um die individuelle Mobilität gewährleisten zu können. Für die Versicherer gilt es deshalb, wie bereits beschrieben, sich hierzu Gedanken über neue, innovative und vor allem bedarfsgerechte Produkte und Versicherungsleistungen zu machen, die auch die Bedarfe von Fahrern von Hybridfahrzeugen berücksichtigen und diese direkt ansprechen. Aus diesem Grund stellen wir die Leistungen des Elektro-Schutzes in gleicher Weise für Hybrid-Fahrzeugen wie für 100-prozentige Stromer zur Verfügung.

VWheute: Viele Autofahrer halten sich bei Telematik-Tarifen noch zurück. Worin sehen Sie die Gründe? Und welche Perspektiven sehen Sie für Telematik in der Zukunft?

Herbert Rogenhofer: Aktuelle Telematik-Systeme sind zu aufwendig und bieten kaum Nutzwert. Externe Datenboxen oder Smartphone-Apps können zwar heute schon Daten für die Kfz-Versicherung liefern. Allerdings hält sich der Ertrag in sehr engen Grenzen. Mit dem Fahrzeug z.B. über die OBD2-Schnittstelle verbundene Boxen sind teuer und Smartphone-Apps sind ungenau. Praktisch gleichwertiger Versicherungsschutz lässt sich auch auf der Grundlage der klassischen Versicherungsdaten wie Fahrzeugtypklasse, Jahreskilometer und Regionalklasse berechnen. Unter dem Strich bleibt weder für Fahrer noch für Versicherer ein relevanter Nutzwert. Wir haben unseren Telematik-Tarif daher Ende 2019 wieder eingestellt.

Interessant und aussagekräftig werden die Fahrdaten dann, wenn diese direkt aus dem Fahrzeug stammen. Sie könnten für eine exakte Tarifierung und den Zuschnitt des individuellen Risikoschutzes dienen. Hier bestehen allerdings noch rechtliche Probleme. So ist die Frage noch ungeklärt, wem die Daten eigentlich gehören. Sollten diese dem Fahrer zugesprochen werden und für diesen verfügbar sein, kann das Thema Telematik wieder interessant werden. Ein technisches Hindernis sind derzeit meist auch noch unterschiedliche Datensysteme in den meisten Autos. Ein Zentralrechner, in dem sämtliche Daten zusammenlaufen, fehlt bei den meisten Fahrzeugen noch.

Lesen Sie das vollständige Interview in der aktuellen Dezember-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.