Vertriebe scheitern am „Saubermann-Image“

Angestaubter Ruf: „Nur Vermittler, die gut beraten und betreuen – und die sich dazu weiterentwickeln, qualifizieren, digitalisieren – haben langfristig Erfolg im Markt." Bildquelle: Michal Jarmoluk auf Pixabay

„Das Klischee des ‚Haifischbeckens‘ wird der äußerst vielfältigen Wirklichkeit im Vertrieb nicht gerecht“, sagt Axa-Vertriebsvorstand Kai Kuklinski gleich im ersten Satz des Interviews mit uns. Dem Manager ist es wichtig zu betonen, dass Vermittler eine seriöse Aufgabe haben. „Gerade in diesen Krisenzeiten merken wir, dass das Sicherheitsbedürfnis der Kunden noch einmal zugenommen hat.“ Dass es in diesem Rahmen Wettbewerb gebe, sei normal und gut. Ausrutscher im Verhältnis zum Kunden kann sich da eigentlich keiner leisten. Und trotzdem passieren sie.

Ob über Vermittler, Makler oder Strukturvertriebe. Die Vermittlungswege in Deutschland sind vielfältig – ebenso wie die unterschiedlichen und individuellen Bedürfnisse der Versicherten. Jeder Weg hat seine eigenen Voraussetzungen und Herausforderungen. „Am Ende entscheiden die Kunden, welcher Weg zu ihnen passt“, sagt Kuklinski. Langfristig werde sich dabei nur durchsetzen, wer gut berät und betreut. Davon ist der Axa-Manager überzeugt. Allerdings stehen die einzelnen Vermittlungswege und deren Leute immer wieder stark in der Kritik.

Schätzt der künftige Kanzler die Arbeit der Vermittler nicht?

In der Öffentlichkeit genießt der Vertrieb nicht den besten Ruf. Bitter, denn dieser scheint oft ganz unabhängig von der eigentlichen Qualität der Beratungsleistungen selbst. Wer erinnert sich nicht an die Aussagen von Olaf Scholz in der ARD-Sendung Anne Will?

Der künftige Bundeskanzler Scholz brachte die Lobbyarbeit von Versicherern und Vertrieben in Sachen Provisionsdeckel in Zusammenhang mit der Masken-Affäre von Unionsabgeordneten: „Was mich schon sehr bedrückt, ist, dass es auch im Infight der Politik – wenn man das mal so sagen will – immer wieder sichtbar wird, dass es ganz harte Interessen gibt, mit denen man diskutieren muss“, sagte Scholz damals.

„Ob es nun um einen Provisionsdeckel für Versicherungen geht, also dass da nicht so viel gezahlt wird. Da sitzen harte Leute im Bundestag, die wissen, warum sie das bekämpfen. Nicht aus allgemeinen Erwägungen, sondern die haben viele – die schätzen die Leute, die die Provisionen kassieren, um es mal höflich zu sagen“, monierte der SPD-Politiker.

Was bleibt davon wohl beim potenziellen Versicherungskunden am ehesten hängen? Sicher nicht seine im Alltag guten Leistungen. Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW polterte, dass Scholz damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er Versicherungsvermittler und ihre Arbeit nicht schätze.

Strukturvertriebe auf dem Weg der Besserung?

Die Strukturvertriebe indes kämpfen an ganz anderen Fronten. Im Sommer dieses Jahres befasste sich die Wirtschaftswoche ausführlich mit deren Methoden und hinterfragte „wolkige Versprechen“ in Sachen Zukunftsperspektive und „unbegrenzte Verdienstmöglichkeiten“.

Ein Insider berichtete, dass die ersten zwei Jahre im Strukturvertrieb die Hölle gewesen seien und kam zu dem Fazit, dass sich „im Vertrieb keine Sau um dich kümmert.“ Axa-Manager Kuklinski seinerseits sagt, dass auch dieses Geschäftsmodell sich deutlich weiterentwickelt habe. „Wir sehen im Markt, dass hier eine Professionalisierung stattgefunden hat.“

Dennoch: Immer wieder aufkommende Geschichten wie diese legen die oftmals harte Realität im Vertrieb unzensiert offen.

Punkten durch Beratung

Die Vertriebe selbst wehren sich gegen das Negativ-Image. „Dieses Klischee ist so alt wie der Versicherungsvertrieb selbst, hat aber mit dem Berufsbild und dem Selbstverständnis der weitaus meisten Vermittler nichts zu tun“, glaubt Axa-Vertriebschef Kuklinski. „Es handelt sich um einen anspruchsvollen Beruf mit großer Verantwortung. Es geht darum, Kunden gut zu beraten, damit sie den richtigen Versicherungsschutz im Rücken haben und auch in schwierigen Lebenssituationen abgesichert sind. Genau das ist unser Anspruch – wir geben Sicherheit. Außerdem bin ich überzeugt, dass dieses Zerrbild in den allermeisten Fällen durch persönlichen Kontakt mit einem Vermittler geradegerückt wird.“

Im Vertrieb ist man sich einig, dass es heutzutage nicht in erster Linie ums Verkaufen geht, sondern vor allem um Beratung und Betreuung – also die Begleitung im Schadenfall. Eine Charmeoffensive, die durchaus ankommt. Bei den Vermittlern sind die Beschwerden im letzten Jahr weiter gesunken. So registrierte der Versicherungsombudsmann in seinem Geschäftsbericht für 2020 insgesamt 298 Beschwerden über Vermittler (2019: 261).

Das Fundament eines guten Rufes sind laut Kuklinski gute Kundenbeziehungen. „Nur Vermittler, die gut beraten und betreuen – und die sich dazu weiterentwickeln, qualifizieren, digitalisieren – haben langfristig Erfolg im Markt. Letztlich geht es um Vertrauen.“ Dieses müssen sich Vermittler nicht nur erarbeiten, sondern auch erhalten.

Mit Blick auf die Vermittlerdichte pro 100.000 Einwohner liegt Deutschland im europaweiten Vergleich im Mittelfeld. „Wenn ich andererseits auf die Länder mit extrem niedrigen Vermittlerquoten schaue, erscheint es mir fraglich, ob man dort wirklich eine höhere Qualität im Sinne der Kunden erreicht“, sagt Kuklinski.

Autor: Michael Stanczyk

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