Liebesgrüße vom Kunden: Über Ethik, Moral und Verantwortung in der Branche

Dr. h.c. Wilhelm Schluckebier, Richter am Bundesverfassungsgericht I. Senat von 2006-2017

Das 75-jährige Jubiläum der Redaktion der Versicherungswirtschaft ist ein guter Anlass, dass der Versicherungsombudsmann sich im 20. Jahr des Bestehens seiner Verbraucherschlichtungsstelle zu ethischem und moralischem Handeln und dem Begriff der Verantwortung in der Versicherungswirtschaft äußert. Ein Gastbeitrag von Wilhelm Schluckebier.

Was macht ethisches Handeln aus? Die Ethik befasst sich bekanntlich mit den Voraussetzungen und der Bewertung menschlichen Handelns in seiner Begründbarkeit und Reflexion. Sie ist die Disziplin, die die Kriterien für gutes und schlechtes Handeln diskutiert und die Maßstäbe für die Verwertung der Motive und Folgen des Handelns aufstellt. Damit bewegen wir uns auf hoher Abstraktionsebene.

Interessanter wird es, wenn es gilt, praktisch wegweisende ethische Grundsätze zu definieren und sie auf konkrete Situationen zu übertragen und danach zu handeln. Auf dieser Grundlage sind auftretende Zielkonflikte zu lösen und die voraussichtlichen Folgen von Handlungen und Entscheidungen abzuschätzen. Die erwarteten und erstrebten Folgen sind es, die handlungsleitend und motivierend sind.

Die Herausforderung besteht darin, Grundsätze ethischen Handelns zu konkretisieren und etwa auf eine Beratungssituation, auf die Konzipierung von Versicherungsbedingungen oder auch auf das Regulierungsverhalten von Versicherungsunternehmen anzuwenden. Was dabei am Ende als „gut“ oder „weniger gut“ qualifiziert wird, ist in weiten Teilen auch durch gesellschaftliche Anschauungen bedingt und hängt von der Reflexion durch alle Akteure und der interessierten Öffentlichkeit, nicht zuletzt auch der Medien ab.

In den letzten Jahren ist viel geschehen und auf den Weg gebracht worden, was beispielhaft für gelebte Verantwortung auch in der gesellschaftlichen Rückkopplung steht. Die Versicherungswirtschaft war es, die bereits im Jahr 2001 eigeninitiativ die Institution des Versicherungsombudsmanns ins Leben gerufen hat. Damit hat die Branche eine für den Kunden faire Konfliktlösungsmöglichkeit geschaffen, die dem Credo folgt, unbürokratisch, für den Verbraucher kostenfrei und ohne jedes Risiko Meinungsverschiedenheiten schnell, aber gebunden an Recht und Gesetz aus der Welt zu schaffen.

Aber: Alle Regelwerke und auch Verhaltenskodizes ändern nichts daran, dass es letztlich auf eine qualitativ hochstehende Arbeit an der Schnittstelle zwischen Kunde und Versicherer ankommt. Denn die Wirkkraft von Regeln unterliegt erfahrungsgemäß systemimmanenten Grenzen. Sie sind am Ende nur effektiv, wenn sie auch mit Leben erfüllt und umgesetzt werden. Es kommt also bei der Berufsausübung der Akteure darauf an, diese Prinzipien möglichst verlässlich verinnerlicht zu haben. Was aber bedeutet das? Pragmatisch lässt es sich auf die sogenannte Goldene Regel der Ethik zuspitzen, die da lautet: „Behandele andere stets so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“

Stelle dir im Umgang mit dem Kunden also vor, dass man sich selbst in der Position des jeweils betroffenen Anderen befindet. Verantwortungsvolles Handeln, das motivgesteuert ist, wird an dieser Stelle eben nicht nur die schnelle Realisierung von aktuellen und kurzfristigen Eigeninteressen in den Blick nehmen.

Es wird sich daran ausrichten, dass eine nachhaltige und vertrauensvolle Kundenbeziehung sich klassischerweise immer dann entwickeln wird, wenn der Kunde das berechtigte Gefühl gewinnt, bei der Vermittlung – wie auch schon bei der Konzipierung von Produkten – stehe nicht das „schnelle Geschäft“ oder der kurzfristig sichtbar werdende Vorteil für die Geschäftsentwicklung im Vordergrund, sondern dass es darum geht, den Kunden langfristig gut zu beraten und zu betreuen und ihn in seiner Bedarfslage zufriedenzustellen.

So lässt sich resümieren, dass der Wert verantwortungsbewussten Handelns und Agierens in der Versicherungswirtschaft im Bewusstsein der Marktteilnehmer fest verankert ist. Es muss sich im Alltag aber immer wieder neu bewähren und ist eine dauerhafte Aufgabe im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Dazu leistet auch die Arbeit der Redaktion der Versicherungswirtschaft ihren guten Beitrag.

Autor: Wilhelm Schluckebier, Ombudsmann für Versicherungen beim Versicherungsombudsmann e.V

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des E-Vertriebsmagazins Der Vermittler.

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