Vom Versicherungsmanager zum AfD-Gründer und Wirecard-Aufklärer

Der Vorsitzende des 3. Untersuchungsausschusses (Wirecard) Kay Gottschalk, AfD, MdB, vor der Zeugenanhörung von Mitarbeitern von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Paul-Löbe-Haus. Quelle: Deutscher Bundestag/Simone M. Neumann
Die AfD entstand ursprünglich aus den Gegnern der Euro-Rettungspolitik – bestehend meist aus Wirtschaftsprofessoren und enttäuschten Rechtsanwälten und Managern der mittleren Ebene. Dazu zählt auch Kay Gottschalk, der unter anderen die Zurich, die Nürnberger und die WWK als seine Assekuranz-Stationen nennt. Inzwischen steht er als Vorsitzender des Wirecard-Untersuchungsausschusses selbst im Rampenlicht und muss einen Jahrhundertbetrug aufklären.
Erstmals nach der Wirecard-Insolvenz musste Ex-Chef Markus Braun am 19. November vor dem Untersuchungsausschuss öffentlich aussagen. Zur Aufklärung des größten Finanzbetrugs der Nachkriegszeit hat er jedoch nicht beigetragen. Er blockierte alle Fragen mit dem Hinweis, dass er sich vorrangig nur vor der Staatsanwaltschaft München I äußern will. Und: Er habe „zu keiner Zeit Feststellungen getroffen oder Hinweise erhalten, dass sich Behörden, Aufsichtsstellen oder Politiker nicht korrekt, pflichtwidrig oder in irgendeiner Form unlauter verhalten hätten“. Immerhin, denn genau das will der Untersuchungsausschuss herausfinden: Ob die Aufsichtsbehörden den aufstrebenden Börsenstar trotz Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten mit Samthandschuhen angefasst haben.
Gottschalk lobt österreichische Partei, die Marsalek nahesteht
Den Ausschuss-Vorsitzenden musste turnusgemäß die AfD stellen. Die Partei nominierte ihren finanzpolitischen Bundesfraktionssprecher Kay Gottschalk (54) für den Posten. Fünf Ausschussmitglieder stimmten für, vier gegen ihn. Die Wahl war geheim. Grüne und Linke verwiesen darauf, dass Gottschalk nur mit den Stimmen der beiden SPD-Mitglieder gewann. Damit wäre die SPD von ihrer Praxis abgewichen, die AfD im Parlament konsequent zu isolieren. Neben der Parteizugehörigkeit von Gottschalk wurde zudem seine Nähe zur FPÖ und damit zum politischen Umfeld des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek kritisiert. Auch nach der Ibiza-Korruptionsaffäre um Österreichs Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache lobte Gottschalk die FPÖ. „Sie hat für uns den Weg bereitet und in Österreich viel Gutes bewirkt“, sagte er dem Spiegel.
Assekuranz-Fachmann, der seine Lebensversicherung kündigt
Der gebürtige Hamburger hat 2013 den AfD-Landesverband in Schleswig-Holstein mitgegründet. Damals war die Partei eine Vereinigung von Euro-Kritikern, die auch viel Zulauf aus den Reihen der SPD bekam, wo Gottschalk von 1982 bis 1991 Parteimitglied war. Es waren enttäuschte Anwälte, Berater, Manager der mittleren Ebene und Gottschalk war zu dieser Zeit seit 2006 Organisationsleiter bei der Nürnberger Versicherung. Davor war er drei Jahre Maklerbetreuer bei der WWK Versicherung und zwei Jahre bei der Aspecta Lebensversicherung, die der HDI später übernahm. 2015 wechselte er zur Zurich Deutschland und arbeitet gemäß seiner Xing-Angaben – immer noch dort als Vertriebsleiter. Mit Verweis auf den Datenschutz kann das Zurich nicht kommentieren. Warum er von der AfD so elektrisiert war? „Ich hatte das diffuse Gefühl, in diesem Land ist in den letzten Dekaden so viel falsch gelaufen“, wird er von der SZ im Jahr 2013 zitiert. Laut Bericht habe er 2009 seine Kapitallebensversicherung gekündigt und setzte auf Sachwerte.
„Ich werde den Beweis antreten, dass die AfD auch Arbeit kann.“
Mit dem hehren Ziel, Deutschland aus der EU zu führen, lässt sich der AfD-Wähler heute nicht mehr einfangen. Flüchtlinge und Corona stehen im Mittelpunkt. In der AfD dominiert inzwischen der rechtsnationale Flügel. Gottschalk ist nach eigenen Angaben bemüht, zu den Radikalen in der Partei Distanz zu halten. Er plädiert für eine qualifizierte Zuwanderung nach kanadischem Modell. „Ich bin der Meinung, dass Gerechtigkeit und ein durchsetzungsfähiger Rechtsstaat der Kitt sind, der eine Gesellschaft zusammen hält. Mir geht es dabei weder um Rasse, Aussehen, Religion. Mir gehts es aber um die Akzeptanz unserer Werteordnung, des Grundgesetzes
und unserer kulturellen Geschichte. Wer mit dem Willen der Integration in diesen Wertekanon an unserem gesellschaftlichen Leben teilnimmt, ist herzlich willkommen“, antwortet Gottschalk einem Leserbrief. Seine Sachlichkeit will der studierte Betriebswirt auch beim Wirecard-Ausschuss fortführen. Er betont, dass es ihm um Aufklärung und die richtigen Konsequenzen aus dem Bilanzbetrug gehe. „Da werde ich mich einsetzen und den Beweis antreten, dass die AfD auch Arbeit kann.“
Autor: David Gorr
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