Mehraufwände für Versicherer: Wird die digitale Rentenübersicht zum Bürokratie-Monster?

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Am 29. Juli 2020 hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) den schon seit zwei Wochen erwarteten Referenten-Entwurf zur digitalen Rentenübersicht zur Stellungnahme an die Verbände gegeben (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen – Gesetz Digitale Rentenübersicht). Nachdem das Gesetz eigentlich schon letzten Herbst vorgelegt werden sollte, wird es nun – anders geht das wohl nicht zu beschreiben – „durchgepeitscht“.

Hier der sehr eng getaktete Zeitplan:

  • Bis 10. August 2020 Frist für die Stellungnahme der Verbände
  • 12. August 2020 Virtuelle Anhörung auf Ministerialebene
  • 26. August 2020 Beratung im Bundeskabinett
  • Ende 2020 Inkrafttreten am Tag nach der Verkündigung
  • Entwicklungsphase
  • Mitte 2022 Beginn der ersten freiwilligen Betriebsphase (21 Monate nach Inkrafttreten)
  • Ende 2023 Voraussichtlicher Pflichtbetrieb für die betroffenen Versorgungseinrichtungen mit angemessenen Übergangsfristen (Der Beginn des Pflichtbetriebs wird durch Rechtsverordnung später festgelegt).

Die Eckpunkte des Entwurfs sind:

  1. Die bestehenden Standmitteilungen / Informationen zur gesetzlichen Rentenversicherung, privaten und betrieblichen Altersversorgung sollen digital zusammengefasst werden.
  2. Ziel ist es also, den Kenntnisstand der Bevölkerung über die eigene Altersvorsorge zu verbessern und eine Planungsgrundlage sowie einen Anreiz für Beschäftigung mit der eigenen Altersversorgung bereitzustellen.
  3. Die Zentrale Stelle für die digitale Rentenübersicht soll – wie die ZfA für Riester – bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angesiedelt werden.
  4. Es wird ein Steuerungsgremium bei der zentralen Stelle für die Digitale Rentenübersicht gebildet. Das Steuerungsgremium hat Unterstützungs- und Beratungsfunktion. Insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung und Darstellung der Digitalen Rentenübersicht müssen von der Zentralen Stelle dem Steuerungsgremium vorgelegt werden. Die technische Ausgestaltung der Datensätze und Schnittstellen sind von der Zentralen Stelle im Benehmen mit dem Steuerungsgremium zu treffen. Im Steuerungsgremium sollen Vertreter der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge, Verbraucherschutzorganisationen sowie das BMAS und das BMF vertreten sein.
  5. Zusätzlich sollen vom Steuerungsgremium Fachbeiräte zu bestimmten Fragestellen eingesetzt werden können.
  6. Als zentrale Identifikationsnummer wird die Steuer-ID benutzt. Diese darf von den betroffenen Vorsorgeeinrichtungen verarbeitet werden und muss von ihnen insbesondere bei Neukunden erhoben werden. Die Authentifizierung und Einwilligung der Nutzer in die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erfolgt durch die Zentrale Stelle.
  7. Das Gesetz endet in einer sehr umfassenden Verordnungsermächtigung, die fast alle konkreten Fragen umfasst.
  8. Die Kosten für die Entwicklung und erste Betriebsphase mit ca. 18,6 Mio. Euro und auch für den laufenden Betrieb mit etwa 4,5 Mio. Euro pro Jahr trägt der Bund.
  9. Die Versorgungseinrichtungen sollen die Kosten für die Anbindung, Datenaufbereitung und Datenübermittlung selbst tragen. Näheres sollen spätere Verordnungen regeln.

Erster kritischer Ausblick

Es gibt signifikante Ausnahmen von der Verpflichtung zur digitalen Rentenübersicht: Pensionszusagen, die regelmäßig von den Arbeitgebern verwaltet werden, die Beamtenversorgung und berufsständische Versorgungswerke werden nicht in die digitale Rentenübersicht eingebunden.

Die DRV Bund und die ZfA (Riester) haben sich in der Vergangenheit, was schlanke und gangbare Lösungen anbetrifft, nicht hervorgetan. Zumindest sind beim jetzigen Stand des Verfahrens Ansätze zu erkennen, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben könnte.

Das geplante Steuerungsgremium, das über inhaltliche Fragen entscheidet, könnte genau der Dreh- und Angelpunkt dafür sein, damit eine praxisgerechte und kostengünstige Umsetzung erfolgen kann. Doch über zentrale technische Fragen haben die Zentrale Stelle und die DRV Deutungshoheit – immerhin müssen die Entscheidungen „im Benehmen“ erfolgen. Der mögliche Strickfehler wird in der Gesetzesbegründung sehr deutlich: Die technische Architektur der DRV Bund hat Vorrang. Die DRV und deren zentrale Stelle entscheiden.

Aus Sicht der Versorgungseinrichtungen ist aber zentral, dass die Anbindung, Datenaufbereitung und Datenübermittlung möglichst einfach erfolgen und auf bestehende Datenformate aufsetzt. Wie diese Anforderung der Versorgungseinrichtungen mit der „technischen Architektur“ der DRV in Einklang gebracht werden kann, wird sich zeigen. Hoffentlich hat man aus ZfA und Riester gelernt.

Sehr begrüßenswert ist, dass man sich einhellig für die Steuer-ID als eineindeutige Identifikationsnummer entschieden hat. Sehr schwierig erscheint die sichere und gleichzeitig einfache Authentifizierung. Denn das bleibt der Knackpunkt: Wenn nicht jedermann einfach Zugang zur digitalen Rentenübersicht findet und man für die Authentifizierung eine Doktorarbeit oder echten Schriftverkehr mit wochenlangen Wartezeiten (wie bei der Registrierung zum Registerportal) braucht, wird die Plattform nicht weithin genutzt werden. Hier sind nicht weitere Verordnungen gefragt, sondern politischer Gestaltungswille.

Eine letzte Anmerkung: Das Gesetz überlässt viel, wahrscheinlich allzu viel einer sehr umfänglichen Verordnungsermächtigung. Fast alle Konkretisierungen erfolgen ohne Beteiligung des Parlaments und werden letztlich von den Ministerien und der Zentralen Stelle vorgetaktet werden.  Die Erfahrungen in anderen Bereichen zeigen, dass dies nicht immer positiv ist. Sehr schnell kann dadurch die Bahn zu einem teuren und ineffektiven Bürokratie-Monster geebnet werden.

Autor: VW-Redaktion

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