Bafin-Entwurf zur Gruppenversicherung: Wie gut für den Verbraucher? Wie schlecht für die Branche?

Mathias Westermann auf Pixabay

Im März veröffentlichte die Bafin den Entwurf eines Rundschreibens unter dem Titel „Hinweise zu echten Gruppenversicherungsverträgen“ auf ihrer Internetseite. Das Schreiben fasst vergangene Rundschreiben mit Hinweisen zu echten Gruppenversicherungsverträgen zusammen. Ziel der Aufsicht ist es, im Interesse der versicherten Personen, ihre Erwartungen an die Ausgestaltung von echten Gruppenversicherungsverträgen zu formulieren und den kollektiven Verbraucherschutz zu stärken. Die Vorschläge bieten Licht und Schatten. Bis heute werden Stellungnahmen entgegengenommen. Zwei Insider berichten.

Versicherungsverträge nehmen in der Wirtschaft eine erhebliche Bedeutung ein. Versicherungsnehmern werden in aller Regel für die Versicherung einer Gruppe Sonderkonditionen und spezielle Leistungsumfänge eingeräumt. Ein Unternehmen benötigt keine gewerberechtliche Erlaubnis, um den Mitgliedern der Gruppe entweder zwingend den Versicherungsschutz zu verschaffen oder ihnen ein Angebot zum optionalen Beitritt zum Versicherungsvertrag zu unterbreiten.

Produkte mit Extras immer beliebter

Dies macht Gruppenversicherungsverträge für Unternehmen und Vereine attraktiv, die ihren Kunden bzw. Mitgliedern einen Versicherungsschutz als Nebenprodukt zu ihrer eigentlichen (Dienst-)Leistung anbieten möchten. Der Trend, Produkte und Dienstleistungen mit Nebenprodukten zu versehen und so Einnahmen zu steigern, hat in den letzten Jahren in Deutschland stark zugenommen.

Das Gruppenversicherungskonzept wird nicht nur von Kreditinstituten genutzt, die ihren Kunden zur Absicherung der Darlehensrückzahlung zugleich eine Restschuldversicherung anbieten. Auch im Bereich der Autovermietung oder beim Verkauf von technischen bzw. elektronischen Geräten werden Gruppenversicherungskonzepte vereinbart.

Soweit eine Vermittlungstätigkeit nach Gewerbeordnung unternehmerisch nicht für zielführend erachtet wird und das entsprechende (Dienstleistungs-)Produkt durch ein speziell hierauf abgestimmtes Versicherungsprodukt verkaufssteigernd an den Markt gebracht werden kann, bietet sich der Abschluss eines echten Gruppenversicherungsvertrages oder einer bloßen Rahmenvereinbarung (auch „unechter Gruppenversicherungsvertrag“ genannt) an.

Bisher bestehen zu Gruppenversicherungsverträgen eine Reihe von Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin): Zum einen sind dies die inzwischen bis zu 30 Jahre alten BAV-Rundschreiben 3/90, 3/94 und 2/97. Zum anderen hat es über die Jahre immer wieder Klarstellungen seitens der Bafin zur Gruppenversicherung gegeben: Neben individuellen verbindlichen Auskünften veröffentlichte die Bafin am 15. März 2012 eine Verlautbarung zu den Beratungspflichten des Versicherers gegenüber den versicherten Personen (angepasst am 3. Dezember 2018) und zuletzt das Rundschreiben 11/2018 mit Hinweisen zur Vergütung der Gruppenspitze.

Zusammenführung geplant

Diese sollen nun in einem neuen Rundschreiben, das seinen Anwendungsbereich ausdrücklich nur auf echte Gruppenversicherungsverträge beschränkt, unter Aufhebung der älteren Rundschreiben aus den 1990er-Jahren zusammengeführt werden. Ein entsprechender Entwurf wurde von der Bafin mit Frist zur Stellungnahme bis zum 6. Juli 2020 zur Konsultation gestellt.

Dem Willen der Bafin entsprechend, die bestehenden Rundschreiben zusammenzuführen, wurden verschiedene Inhalte der alten Rundschreiben, insbesondere des Rundschreibens 3/90, in den Entwurf des neuen Rundschreibens übernommen und im Hinblick auf Gesetzesänderungen (bspw. § 7d VVG) und technische Errungenschaften bei den Kommunikationsmöglichkeiten aktualisiert. Auch Formulierungen wurden abgemildert: Wo in den bestehenden Rundschreiben von „muss“ oder „ist“ die Rede ist, wird zukünftig von „sollte“ die Rede sein. An der Erwartungshaltung der Bafin, dass diese Vorgaben eingehalten werden, wird sich dadurch in der Praxis jedoch nichts ändern.

Der von der Bafin zur Konsultation gestellte Rundschreiben-Entwurf legt Wert auf mehr Verbraucherschutz für die versicherte Person, da für diese die rechtlichen Konsequenzen des Drei-Personen-Verhältnisses im Gruppenversicherungsvertrag „oft nicht transparent genug“ seien. Die Bafin stellt in dem Rundschreiben-Entwurf elf allgemeine, für alle echten Gruppenversicherungsverträge geltende Grundsätze auf und gibt spezifische Hinweise zu bestimmten Vertragskonstellationen und Sparten.

Ein wichtiger Grundsatz soll sein, dass gegenüber den versicherten Personen die gleichen Informationspflichten (insbesondere PIB und BIB) erfüllt werden, die auch gesetzlich nach VVG und VVG-InfoV im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vorgesehen sind (vgl. Abschnitt C.III. und VI. Rundschreiben-Entwurf).

Zudem sollen Versicherer künftig die versicherten Personen informieren, falls der Gruppen-Versicherungsnehmer oder das Unternehmen den Gruppenversicherungsvertrag kündigen (s. Abschnitt C.VII. Rundschreiben-Entwurf). Auch ein sog. Rücknahmerecht der Beitrittserklärung soll der versicherten Person eingeräumt werden, welches die allgemeinen Widerrufsrechte ergänzen soll (vgl. Abschnitt C.VIII. Rundschreiben-Entwurf). Nach dem alten Rundschreiben 3/94 ist der versicherten Person – allerdings nur bei Restkreditlebensversicherungen – ein entsprechendes Rücktrittsrecht einzuräumen (vgl. Rs. 3/94, S. 7 f.).

Einführung des § 7d VVG

Bemerkenswert sind diese geplanten Vorgaben der Bafin vor dem Hintergrund der Einführung des § 7d VVG, der nur bei Gruppenversicherungsverträgen für Restschuldversicherungen gemäß Satz 1 dem Versicherungsnehmer gegenüber der versicherten Person die Beratungs- und Informationspflichten (insbesondere PIB, BIB) des Versicherers aus den §§ 6 ff. VVG auferlegt und gemäß Satz 2 der versicherten Person die Rechte eines Versicherungsnehmers einräumt, insbesondere das Widerrufsrecht.

Zum einen beschränkt sich der Entwurf des Rundschreibens in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich nicht nur auf Restschuldversicherungen. Vielmehr sollen diese Anforderungen zukünftig auf alle Gruppenversicherungsverträge Anwendung finden. Hier entwickelt die Bafin den vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzweck des erst in buchstäblich letzter Minute mit dem IDD-Umsetzungsgesetz eingeführten § 7d VVG weiter (vgl. BT-Plenarprotokoll der 243. Sitzung vom 29./30. Juni 2017 zu Tagesordnungspunkt 24 und BT-DRs 18/11627 vom 22. März 2017, S. 50).

Die Bafin sieht nunmehr in ihrem Entwurf entsprechende Verpflichtungen für alle echten Gruppenversicherungsverträge vor. Zum anderen eröffnet die Aufsicht ausdrücklich eine Wahlmöglichkeit, wer die genannten Pflichten gegenüber den versicherten Personen zu erfüllen hat: Gemäß § 7d Satz 1 VVG muss der Gruppen-Versicherungsnehmer im Restschuld-Gruppenversicherungsvertrag gegenüber den versicherten Personen diese Pflichten erfüllen.

Informationen müssen an geeigneter Stelle abrufbar sein

Hochinteressant ist für die Praxis, dass es nach dem Rundschreiben-Entwurf laut Bafin für die Übermittlung der im geplanten Rundschreiben aufgeführten Informationen ausreichend ist, wenn diese Informationen für die versicherte Person an geeigneter Stelle abrufbar sind (z.B. auf der Internetseite des Versicherungsunternehmens oder des Gruppen-Versicherungsnehmers) und die versicherte Person entweder vom Versicherungsunternehmen oder auf Veranlassung des Versicherungsunternehmens durch den Gruppen-Versicherungsnehmer entsprechend informiert wird. Dies stellt eine wesentliche Erleichterung gegenüber den bisherigen Rundschreiben dar, die sich vor 20 bis 30 Jahren noch nicht hierzu verhielten; aber auch die Bafin-Verlautbarung von 2012 zu den Informationspflichten enthält hierzu keinen Hinweis.

Die geplante Vereinheitlichung der Anforderungen an echte Gruppenversicherungsverträge ist bereits aus Transparenzgründen begrüßenswert. Nicht alle Vorgaben aus den bisherigen Rundschreiben sind im Rundschreiben-Entwurf übernommen worden, sodass voraussichtlich in Zukunft neue Vertriebsgestaltungen am Markt möglich werden. Dazu werden auch die vorgesehenen Erleichterungen bei der Zurverfügungstellung von Informationen auf Internetseiten und die damit verbundene Bezugnahme auf digitale Umsetzungsmöglichkeiten beitragen. Mit Spannung darf der weitere Konsultationsverlauf beobachtet werden.

Autoren: Yannick Eckervogt, Rechtsanwalt, und Daniel Kübler, Rechtsreferendar; beide bei Taylor Wessing

Mehr zum Thema lesen Sie in der neuen Juli-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Quelle: VVW GmbH

Ein Kommentar

  • Die BaFin als untergeordnete Verwaltungs-Behörde versucht hier Regelungen auf undemokratischem Wege einzuführen, die bisher nicht als Gesetze und auf Verordnungsermächtigungen beruhenden Verordnungen demokratisch legitimiert waren.

    Dies drückt sie ja schon damit aus, dass sie statt „muss“ nun „sollte“ schreibt. Letztlich wird das eine ganz unverbindliche Darstellung, welche Vorstellungen denn die Aufsichtsbehörde davon hat, wie sich Versicherer und auch Vermittler ganz ohne verbindlich demokratisch beschlossene gesetzliche Vorgabe freiwillig verhalten sollten. Weil sonst die BaFin enttäuscht wäre, mehr nicht. Wie ein ernster Maskenappell an alle in einer Fernsehansprache ganz ohne Maskenzwang.

    Man wird sehen, ob die BaFin versucht, solches auch durchzusetzen, und was sie sich dann von den Verwaltungsgerichten sagen lassen muss. Ein „sollte“ ist ja schon rein vom Wortlaut her dafür untauglich.

    Hier unverbindlich von der Aufsicht „geregelte“ Echte Gruppenversicherung liegt indes nicht mal vor, wenn zunächst eine aufsichtsfreie Unterstützungskasse zwischengeschaltet wird, die ihrerseits selbst als eigene Rückdeckung ihrer Leistungsversprechen Kranken, Sach-, Unfall-, Lebens- oder Rechtsschutzversicherungen abschließt, und ggf. den Leistungsanspruch abtritt. Was natürlich auch mit Restschuldversicherungen funktioniert, um auch bei dieser ohne die ausschnittsweisen gesetzlichen Spezialregelungen arbeiten zu können. Es ist dann halt schon gar keine Gruppenversicherung.

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