Vom Talent zum Top-Manager: „Die Karriere-Agenda strategisch abzuarbeiten ist schnell ein hoffnungsloses Unterfangen“

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Der Weg in eine Führungsposition bei Versicherern kann unterschiedlich sein. Nur noch selten beinhaltet er das „Abhaken“ bestimmter Stationen. Erwartet werden vielmehr Neugier und Lernbereitschaft. Das ist neu. Schließlich ist das Feld der Versicherungen auch durch Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) strukturiert. Dies beinhaltet auch Ansprüche an Spitzenpositionen, wodurch funktionale Karrieren tendenziell bevorzugt werden. Ein Gastbeitrag von Moritz von Campenhausen.

Die Unternehmen suchen heute Führungskräfte für Aufgaben und Märkte, die sie selbst noch nicht kennen. Es ist zunehmend aussichtslos, angesichts der bis dato unbekannten Spielfelder Karriereschach spielen zu wollen. Die wirtschaftlichen Zyklen beschleunigen sich, Komplexität und Innovationsdruck steigen. Die Karriere-Agenda strategisch „abzuarbeiten“ ist schnell ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn ehemals als unverrückbar geltende Strukturen und ungeschriebene Gesetze in den Unternehmen verschwinden, sich gefragte Qualifikationen ändern, anvisierte Positionen, Geschäftsbereiche oder gar das Unternehmen wegfallen.

Was nützt es dem geübten Schachspieler, seinen Plan zu perfektionieren, wenn es plötzlich heißt: Ab heute spielen wir Go? Der Karrierepfad hängt nicht zuletzt von der jeweiligen Versicherung ab. Immerhin gibt es über 500 Versicherungsunternehmen in Deutschland. Wer in einer Führungsposition zu plötzlich auftauchenden fachlichen Fragestellungen passende Lösungen finden kann, hat schon einmal die Hälfte der Miete. Das andere zunehmend zentrale Charakteristikum herausragender Führungskräfte ist, ein Team zu befähigen. Diese Führungskräfte vermögen es, ein kulturelles und strukturelles Umfeld zu schaffen, welches bei Mitarbeitern Kreativität und Innovationskraft freisetzt.

Die richtigen Fragen stellen

Heutige und morgige Führungskräfte, die ihre Teams befähigen wollen, kreative Lösungen zu entwickeln und zu kommunizieren, sollten sich folgende Fragen stellen: Besteht innerhalb des Teams Konsens über Auftrag, Zielsetzung, Aufgaben- oder Rollenverteilung? Vermag es das Team, mutige, grundlegende Veränderungen anzustoßen und überzeugend zu kommunizieren? Herrscht im Team eine Kultur offenen Austausches, gegenseitiger Unterstützung und konstruktiver Selbstkritik? Verfügt das Team über ausreichend Engagement, Ehrgeiz, Energie, Initiativkraft und Mut, mit Risiken gut umzugehen und Veränderungen souverän zu bewältigen?
Wie tickt die Organisation?

Diese Fragen mögen logisch, beinahe naheliegend wirken – haben es aber in sich. Oftmals ist bereits die Zielsetzung von Teams unklar. Auch wenn es abgestimmte Pläne, Kennzahlen und Szenarien geben mag: Die individuellen Interpretationen von Teammitgliedern unterscheiden sich nicht selten. Gute Führungskräfte bringen hier die unterschiedlichen Vorstellungen zusammen. Auch fehlt in vielen Teams das Potenzial, Lösungswege zu entwickeln und grundlegende Veränderungen anzustoßen. Dies liegt häufig an ihrer mangelnden Diversität. Schließlich haben Versicherungsunternehmen in den vergangenen Jahren bestimmte Kompetenz- und Rollenprofile in der Personalauswahl bevorzugt.

Daher sind heute bestimmte Persönlichkeitstypen und damit auch Teamrollen überproportional häufig, andere hingegen gar nicht oder nur unzureichend in den Organisationen vertreten. Es drohen Pfadabhängigkeiten im Denken und Handeln, die Change-Prozesse verlangsamen und gänzlich ausbremsen. Umso entscheidender ist es, dass sich Führungskräfte der Stärken und Schwächen ihrer Teams bewusst werden.

Führungskraft muss nicht alle Eigenschaften und Fähigkeiten vereinen

Es sind letztendlich Eigenschaften und Einstellungen – nicht bestimmte Karrierepfade –, die eine erfolgreiche Karriere in der Versicherungsbranche, wie auch anderen Branchen unter Veränderungsdruck, ermöglichen. Dabei vereinen erfolgreiche Führungsteams oftmals unterschiedliche Charakterprofile. Meinungsunterschiede sind hierbei durchaus gewinnbringend, solange die unterschiedlichen Meinungen wertgeschätzt und integriert werden.

Eine Führungskraft muss nicht alle Eigenschaften und Fähigkeiten in sich vereinen, aber eine Position finden, wo die eigenen Stärken das Team vervollständigen. Neben all diesen Kriterien für eine herausragende Führungsgabe in der Versicherungsbranche kann auch eine Prise Glück bei der Besetzung einer Verantwortungsposition nicht schaden. Was nicht heißt, dass man dem Zufall ausgesetzt ist. Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft, so Seneca. In allen Unternehmen können sich Chancen auch spontan ergeben. Nutzen kann sie, wer ihnen gewachsen ist.

Autor: Moritz von Campenhausen leitet die europäische Leadership Advisory Praxisgruppe und ist Teil des globalen Leadership Advisory Managements bei Egon Zehnder.

Den vollständigen Beitrag und mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen Mai-Ausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft.