„Keine große Hoffnung, dass das Epidemierisiko künftig durch ein paar kreative Versicherungsprodukte gelöst werden kann“

Immo Querner, ehemaliger Finanzvorstand der Talanx. Quelle: Talanx

Die Corona-Epidemie trifft die Versicherungswirtschaft mit voller Wucht – und sie bestimmt gegenwärtig auch den Arbeitsalltag der Talanx. Der Konzern geht mit Tandemteams gegen das Risiko interner Personalausfälle vor. Für Produktoffensiven indes sei jetzt der falsche Zeitpunkt, sagt Immo Querner. Im Exklusiv-Interview mit der Versicherungswirtschaft spricht der Talanx-Finanzchef über Risikomanagement bei sich selbst und mögliche Folgen von Covid-19.

VWheute: Was hat die Talanx getan, um ihre Mitarbeiter und ihr Geschäft vor Covid-19 zu schützen?

Immo Querner: Die Talanx hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergriffen, um den Geschäftsbetrieb trotz Corona sicherzustellen. Dazu gehört hierzulande die systematisch organisierte Arbeit im Homeoffice, wobei 80 Prozent der Mitarbeiter diese Möglichkeit bereits vor der Krise hatten jetzt aber sehr intensiv nutzen. Die Mitarbeiter sollen darüber hinaus deutschlandweit in sogenannten „Tandemteams“ arbeiten, sodass nicht alle Mitarbeiter zur selben Zeit im Büro anwesend sind.

Diese Maßnahme in Verbindung mit den Heimarbeitern soll zu „gesplittetem Arbeiten“ und sehr reduzierter möglicherweise ansteckender Interaktion führen. Versammlungen, Dienstreisen und persönliche Meetings werden auf ein absolutes Minimum beschränkt und im Büro und in der Kantine wurden mittlerweile die empfohlenen Mindestabstände zwischen den Mitarbeitern eingerichtet.

VWheute: Und international?

Immo Querner: In jedem Land ist in enger Abstimmung mit dem Konzern ein Krisenstab eingerichtet worden. Dieser soll dabei helfen, dass die Ziele – Gesundheit der Mitarbeiter, Aufrechterhaltung des Betriebs und Verlangsamung der Virus-Ausbreitung – sichergestellt werden. Selbst in Hochrisikoregionen wie Madrid oder Mailand konnten wir den Betrieb dank der ergriffenen Maßnahmen aufrechterhalten.

VWheute: Erwarten Sie nach der Covid-19-Krise eine größere Nachfrage nach Epidemieschutz und ist das Produkt kalkulierbar?

Immo Querner: Jetzt ist gerade nicht die Zeit für eine solche Produktoffensive. Wir planen derzeit nichts in diese Richtung. Ein Schutz wäre möglicherweise sogar kalkulierbar, birgt aber für Versicherer die Gefahr großer Kumulbelastungen. Nach der Zeichnung hätten diese Risiken das Potenzial, einerseits auf der Passivseite zu großen Schäden zu werden und darüber hinaus mit Belastungen auf der Aktivseite zusammenzufallen.

VWheute: Können Sie das ausführen?

Immo Querner: Neben den angesprochenen Schäden auf der Passivseite könnte ein Wertverfall von Vermögensgegenständen auf der Aktivseite entstehen, beispielsweise durch die Ausweitung der Spreads oder das Fallen der Börsenkurse. Jedes Versicherungsunternehmen wird bei Kumulschäden generell vorsichtig sein, aber insbesondere dann, wenn beide Bilanzseiten betroffen sind. Deswegen habe ich keine große Hoffnung, dass das Epidemierisiko künftig durch ein paar kreative Versicherungsprodukte gelöst werden kann.

VWheute: Tragen Versicherer jetzt besondere Verantwortung?

Immo Querner: Ja, aber die haben wir immer. Nicht umsonst lautet unser Purpose: Together we take care of the unexpected and foster entrepreneurship. Das nehmen wir in Bezug auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie auf unsere Kunden und Partner sehr ernst. Wir sind ein Stabilitätspuffer für jegliche Schocks und Widrigkeiten unserer Kunden. Die Verlässlichkeit unseres Versicherungsversprechens nimmt nicht nur objektiv Lasten vom Versicherungsnehmer, sondern ist auch ein verlässlicher psychologischer Anker, dass man einen Teil der Lebensrisiken mit einer Versicherung besser bewältigen kann als ohne.

VWheute: Börseneinbrüche haben also wenig Einfluss auf die Talanx, aber Anleger werden nach dem Börsensturz noch stärker Bonds und Alternative Anlagen nachfragen. Also beeinflusst Sie Corona doch.

Immo Querner: Wahrscheinlich zumindest weniger als andere. Aber an dieser Stelle muss zwischen dem sofortigen Schock auf die Bestände und den strukturellen Kapitalanlagemöglichkeiten unterschieden werden. Durch Panikverkäufe und die Flucht in vermeintlich sichere Titel gehen die Zinsen noch weiter in den Keller. Der Schock ist für uns als recht fristenkongruent investiertes Unternehmen dabei jedoch eher gering.

Das beschriebene Szenario führt dazu, dass auf der Passivseite der Bilanz die Barwerte unserer Verpflichtungen steigen, das wird ja nach Solvency II dem Grunde nach richtig gemessen. Auf der anderen Seite führt es dazu, dass der Zeitwert der bestehenden festverzinslichen Wertpapiere ebenso steigt. Das ist wie ein System kommunizierender Röhren. Das heißt: Ein Unternehmen kann sich ex ante gegen den Schock wappnen, wenn es unter Vermeidung zu hoher Kreditrisiken nahezu fristenkongruent investiert ist. Das schafft niemand perfekt, aber man kann es besser und schlechter hinbekommen.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

Das vollständige Interview lesen Sie in der neuen April-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Ridschie Blanko

    Ich hoffe die Versicherungswirtschaft kommt irgendwann aus ihrer devoten Stellung heraus. Die überdimensionale Erwartung zur Pflichterfüllung aller gesellschaftlichen Versorgungswünsche unter Einhaltung der Niedrigstpreisgarantie ist eine Situation, welche selbst einen Marktbeobachter schaudern lässt. Womöglich sollte der Staat als Risikoträger für die Zukunft auftreten und alle versicherungsfähigen Risiken per Dekret übernehmen. Das würde ein sauberes Bild vom Versicherungsvertreter abgeben. Das Problem der Scheinselbständigkeit wäre auf einen Schlag weg. Der heute überwiegend selbstständige Vermittler wäre Angestellter einer staatlichen Versicherung. Ähnlich einer Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft. Also Beiträge fließen Sofort Beiträge in die Sozialkassen. Ein Bedingungswerk für alle. Ich sehe nur positive Auswirkungen. Der Staat muss auch keine Stellung mehr zu irgendetwas beziehen. Also in alle Richtungen Win Win.

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