R+V-Chef Rollinger: „Wir müssen über rein Monetäres hinausgehen“

Norbert Rollinger. Quelle: R+V

Neue Produkte, digitale Kundenbedürfnisse, Strategieprogramme: Die R+V blickt auf ein bewegtes 2019 zurück. „Wir werden insgesamt wieder ein erfolgreiches Geschäftsjahr haben“, sagt Vorstandschef Norbert Rollinger. Im Interview mit der Versicherungswirtschaft. Gefährliche Entwicklungen für sein Unternehmen sowie die Branche insgesamt gäbe es trotzdem.

Wachstum durch Wandel streben Sie laut aktuellem Strategieprogramm an. Wo steht die R+V jetzt?

Wir werden insgesamt wieder ein erfolgreiches Geschäftsjahr haben, in dem wir den Zielen, die wir uns im Rahmen unseres Strategieprogramms „Wachstum durch Wandel“ bis 2022 vorgenommen haben, deutlich nähergekommen sind. Als besonderes Highlight und die erfolgreichste Produkteinführung, die die R+V je hatte, hat sich die zum Jahresbeginn eingeführte Mitglieder-Plus-Versicherung mit Cashback-Möglichkeit erwiesen.

Wovon hätten Sie sich mehr erhofft?

Mehr erhofft haben wir uns vom Sozialpartnermodell für die betriebliche Altersversorgung. Als erster Anbieter haben wir hier im letzten Jahr zusammen mit unserem Partner in der Genossenschaftlichen Finanzgruppe Union Investment eine Zielrente auf den Markt gebracht.

Die Resonanz seitens der Tarifparteien ist hier jedoch noch geringer als erwartet und die Abstimmungsprozesse gestalten sich langwierig. Dabei ist die gesellschaftliche Dringlichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge unverändert hoch. Genau das stimmt mich aber auch zuversichtlich, dass wir hier demnächst erste Abschlüsse sehen werden.

„Der Kunde steht für uns im Fokus.“ Das sagen die meisten Versicherer. Was bedeutet das konkret im Fall der R+V?

Zusammen mit unseren Partnern in der Genossenschaftlichen Finanzgruppe werden wir unsere Angebote und Services auf die Bedürfnisse unserer Kunden zuschneiden. Diese große Aufgabe wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen. Im Rahmen unserer Kundenorientierung haben wir begonnen, unsere Vertriebsstrukturen und -prozesse an die veränderte Bankenlandschaft anzupassen.

Statt der bisherigen Produktorientierung richten wir uns nun – wie auch die Banken – an den Bedürfnissen der verschiedenen Kundengruppen aus.  Auch für unsere IT ist die Digitalisierung eine große Herausforderung: Online-Abschlussstrecken müssen entwickelt, digitale Kontaktmöglichkeiten geschaffen und Prozesse automatisiert werden.

Und schließlich heißt Fokussierung auf unsere Kunden auch, dass wir unser Angebot an Produkten und Services kontinuierlich weiterentwickeln müssen, um unseren Kunden adäquate Absicherungskonzepte zu bieten, beispielsweise für neue Risiken wie Cyberrisiken oder für zukunftsorientierte Mobilitätsformen wie autonomes Fahren.

Wie nehmen Sie die aktuellen regulatorischen Maßnahmen wahr?

Das hohe Maß an Regulatorik macht uns zunehmend das Leben schwer und nimmt Handlungsspielräume. So halte ich beispielsweise nichts von politischen Eingriffen in die Wirtschaft, wie wir sie derzeit in Bezug auf die Niedrigzinspolitik der EZB erleben. Auch den drohenden Provisionsdeckel lehnen wir strikt ab.

Ohne eine Provision würde beispielsweise für Vermittler der Anreiz sinken, Kunden für die unbedingt notwendige private Altersvorsorge zu sensibilisieren. Außerdem haben Provisionen einen sozialen Charakter: Wir können dem wirtschaftlich Schwachen die gleiche Betreuung zukommen lassen wie dem wirtschaftlich Starken.

Welche anderen Risiken haben Sie auf dem Radar?

Cyberrisiken sind eine potenzielle Gefahr – für jeden Einzelnen, aber auch für staatliche Einrichtungen, bis hin zu international operierenden Konzernen.  Ein anderes großes Thema ist der Klimawandel. Er rückt immer stärker ins Bewusstsein der Menschen und ist eine Bedrohung für uns und die nachwachsenden Generationen.

Hitzewellen, Waldbrände, Starkregenereignisse, steigender Meeresspiegel und Überschwemmungen hinterlassen auch in den Schadenbilanzen der Versicherungswirtschaft immer tiefere Spuren. Wir reagieren darauf mit einem verstärkten Risikomanagement und einer differenzierten Preispolitik. Möglicherweise stoßen wir hier irgendwann an die Grenzen der Versicherbarkeit.

Was sind für Sie die wichtigsten Trends, die die Versicherungsbranche für immer verändern werden?

Zuallererst ist hier sicher die Digitalisierung zu nennen, die die Welt verändert und auch vor der Versicherungsbranche nicht Halt macht. Versicherer befinden sich im Umbruch – auch, weil innovative Insurtech-Startups als neue Wettbewerber in den Markt eintreten. Der technische Wandel weckt auf Seiten der Kunden neue Ansprüche: Sie wollen immer und überall auf Informationen und Dienstleistungen zugreifen können.

Daten werden zu einer immer wertvolleren Währung …

Das ist der zweite wichtige Punkt. Denn wer die Bedürfnisse und das Verhalten seiner Kunden kennt, kann ihnen auch bessere Produkte und Services anbieten. Amazon, Google und Netflix machen das vor.  Unsere gemeinsame stärkere Vernetzung im Rahmen des Projekts „KundenFokus“ dient eben dazu, das große Potential, das die Genossenschaftlichen Finanzgruppe mit dem gewaltigen Datenschatz ihrer insgesamt mehr als 30 Millionen Kunden hat, gemeinsam noch besser und effizienter zu nutzen. Auf Basis ihrer Zahlungsströme können wir ihnen passgenaue Finanzdienstleistungsangebote machen, die jeweils zu ihren aktuellen Lebensumständen passen.

Schließlich erleben wir einen Trend hin zu einem Ansatz, der ganze Lebenswelten von Menschen betrachtet …

Versicherungsschutz wird dabei nur noch ein Baustein sein. Je nach Kundenbedarf wird es individuelle Produktbündelungen geben, die den gesamten Versicherungsbedarf eines Kunden abdecken. Ergänzt wird dieser um weitere Finanz- und Serviceangebote. Dabei müssen wir über rein Monetäres hinausgehen und stattdessen die Bedürfnisse der Kunden in ihrer Gesamtheit adressieren.

Ein Beispiel ist hier Geno Solar: Wir haben eine Plattform entwickelt, über die Bankkunden ihr Haus auf eine Versorgung mit Solarenergie umrüsten können – inklusive einer umfassenden Beratung, der Installation einer Photovoltaik-Anlage, Finanzierung und Absicherung. Als Genossenschaftliche Finanzgruppe haben wir ideale Voraussetzungen, um den Kunden genau diese ganzheitlichen Lösungen zu bieten, die in Zukunft immer stärker gefragt sein werden.

Die Fragen stellte VW-Redakteur Michael Stanczyk.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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