Sexismus und Machokultur: Lloyds am Boden
Eine solche Schlagzeile ist der Alptraum jedes Unternehmens. Laut BBC herrscht bei der altehrwürdigen Versicherungsbörse eine Kultur der „sexuellen Belästigung“. Fast jeder zehnte Mitarbeiter ist von Übergriffen und Belästigungen betroffen. Ein Armutszeugnis ist das Ergebnis für die frühere Chefin Inga Beale.
Es sind Zahlen, die so gar nicht zu der regulierten Welt der Versicherung passen wollen. Aber offensichtlich war (und ist?) das Arbeiten bei Lloyds für Frauen teilweise Tortur. Immerhin scheint bei Lloyds erkannt worden zu sein, dass ein solches Verhalten untragbar ist, speziell in diesen Dimensionen. Das Unternehmen hat geschworen, seine männlich dominierte Kultur anzugehen, nachdem acht Prozent der Mitarbeiter angegeben haben, in den letzten zwölf Monaten Opfer von Belästigungen geworden zu sein.
Eigentlich dürfte die Zahl das Unternehmen nicht überraschen. Seit Beginn des Jahres kam es zu einer Fülle von Beschwerden wegen Mobbing und Sexismus bei den Briten. Der neue Chef John Neal erklärte zerknirscht, die Umfrage zeige die Bedeutung und Schwere des Problems.
„Wir müssen die negativen Aktionen und Verhaltensmuster angehen, die zu lange unausgesprochen und straffrei blieben.“ Ist das ein Seitenhieb auf seine Vorgängerin Inga Beale, die in diesem Jahr ihre Position an der Spitze aufgab und offensichtlich nicht in der Lage war, die Übergriffe zu stoppen. Interessanterweise war ihre Aufgabe, eine neue Unternehmenskultur zu etablieren. Allerdings war damit eher gemeint, weg vom Papier, hin zum Computer. Das die Opfer die Übergriffe nicht melden, zeigt das geringe Vertrauen in die Vorgesetzten und die Verwurzelung der Machokultur bei Lloyds. Dass es ihr nicht gelang, das zu ändern, muss sich Beale ankreiden lassen.
Frauen als Zielscheibe
Die Vergehen einiger Lloyds-Mitarbeiter reichen von exzessivem Alkoholmissbrauch über rüpelhaftes Verhalten bis hin zu sexuell motivierten Kommentaren gegenüber Kolleginnen. Selbst körperliche Attacken hat es gegeben, was Frauen die Arbeit in den Lloyds Mauern mitunter unerträglich werden ließ. Wie groß das Alkoholproblem wohl tatsächlich gewesen war, zeigt die Tatsache, dass Beale das exzessive Trinken explizit verbieten musste, so selbstverständlich war es offenbar.
Da wundert es kaum, dass 20 Prozent der Mitarbeiter nicht an gleiche Chancen für Frauen und Männer bei Lloyds glauben. Es steht zu vermuten, dass vor allem die weibliche Belegschaft dieser Ansicht ist. Wer an einem Tag Frauen betatscht und sie damit praktisch als Freiwild klassifiziert, der wird am nächsten Tag bei der Entscheidung über eine Stellenbesetzung kaum überzeugt für Gleichberechtigung einstehen.
Alle 45.000 Mitarbeiter konnten an der Umfrage des Banking Standards Board teilnehmen, was offensichtlich viele taten. Eine Ohrfeige sonders gleichen ist die Tatsache, dass ein Fünftel sicher ist, dass Vorgesetzte bei unangemessenem Verhalten bewusst zur anderen Seite geblickt haben. So gewinnt ein Vorgesetzter natürlich keinen Blumentopf bei den Bedrängten Mitarbeitern.
Das Unternehmen will nun einen gendergerechten Plan mit messbaren und erreichbaren Zielen erstellen, der das Problem beheben soll. Ein bisschen Courage bei den Vorgesetzten würde wohl auch nicht schaden.
Ob es bei deutschen Versicherern ähnliche Probleme gibt wie in London?