Luftfahrtversicherer landen auf dem Boden der Tatsachen

Die Fluggesellschaften haben unter Corona spürbar gelitten. Doch was bedeutet dies für die Luftfahrtversicherer? Quelle: Bild von b1-foto auf Pixabay

Keine Frage, die Corona-Pandemie hat sich auf die Luftverkehrsbranche extrem negativ ausgewirkt. Die globale Nachfrage nach Passagierflügen ist im Jahre 2020 gegenüber 2019 nach Angaben der International Air Transport Association (IATA) um über 65 Prozent eingebrochen; in vielen regionalen Märkten war der Einbruch sogar noch stärker. So hatte beispielsweise die Lufthansa Group im zweiten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal einen Rückgang der Passagierzahlen von rund 95 Prozent zu verzeichnen. Ein Gastbeitrag von Martin Gary und Florian Pawelzick.

Auch im aktuellen Jahr liegt die Anzahl der beförderten Passagiere in der Lufthansa Group im 2. Quartal noch um mehr als 82 Prozent unterhalb des Vor-Krisenniveaus von 2019. Wenngleich Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, so wird es mehrere Jahre dauern, bis die Beförderungsleistungen wieder mit den Zahlen vor der Pandemie vergleichbar werden. Entsprechend stellt sich die Airline-Branche auf die geänderten Voraussetzungen ein und passt ihre Geschäftsmodelle entsprechend an. Innerhalb der Lufthansa Group schrumpft beispielsweise die Flotte von rund 800 auf perspektivisch 650 Flugzeuge – mit allen damit verbundenen Auswirkungen auf die gesamte Organisation.

Das wirkt sich auch auf die Luftfahrtversicherung aus. Typischerweise bemisst sich die Versicherungsprämie sowohl an qualitativen wie auch an quantitativen Faktoren wie der Anzahl von Passagieren, Flügen oder der Flottengröße. Letztere werden in der nahen Zukunft aufgrund der reduzierten Verkehrsleistungen und verkleinerten Flotten eine geringere Dimension einnehmen als vor der Pandemie. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass hiermit einhergehend auch die Schadenbelastung für die Versicherer zurückgeht. Betrachtet man rückblickend das Jahr 2020, lässt sich festhalten, dass dies zwar auch so eingetreten ist – insgesamt ist die Schadenbelastung jedoch unterproportional zu den Verkehrsentwicklungen zurückgegangen.

Das eine Jahr bietet indes noch keinen ausreichend belastbaren Betrachtungshorizont. Es wird sich daher erst in Zukunft zeigen, wie sich Schadenbelastungen und Beförderungsleistungen zueinander entwickeln. Eine Vielzahl von Gründen – z.B. Prämienrückerstattungen aufgrund reduzierter Beförderungsleistungen, signifikante Reserveerhöhungen von Schäden aus früheren Jahren, fortschreitende Schadenaktivität, steigende Rückversicherungskosten – führte dazu, dass das Kalenderjahr 2020 für die meisten Luftfahrtversicherer kein gutes Jahr war. Leider schließt 2020 somit an eine Reihe von sehr herausfordernden Jahren für den Luftfahrtversicherungsmarkt an, in denen ein Großteil der Versicherer im Aviation-Geschäft keine Gewinne gemacht hat. Insofern standen die Erneuerungsverhandlungen im Luftfahrtversicherungsgeschäft, die zu einem großen Teil traditionell im vierten Quartal des Jahres stattfinden, unter keinem guten Stern: Die Airline-Branche befand und befindet sich noch immer in der schlimmsten Krise ihrer Geschichte und gleichzeitig standen die Luftfahrtversicherer unter Druck, nach Jahren von Verlusten wieder den Turnaround zu schaffen – ein perfekter Sturm.

Hier hat sich gezeigt, dass die Versicherungsbranche anpassungsfähig ist. Vor dem Hintergrund der im Herbst 2020 gleichzeitig mit den beginnenden Renewal-Verhandlungen des vierten Quartals anlaufenden zweiten Welle der Corona-Pandemie war die Entwicklung der Verkehrsleistung 2021 in keiner Weise vorhersehbar. Daher wurden beispielsweise die Versicherungsprämien in Teilen von der Entwicklung der Beförderungsleistungen entkoppelt, um den Luftfahrtversicherern hinsichtlich des erwartbaren Prämieneinkommens die Ungewissheit zu nehmen. Angesichts der flacher als ursprünglich erwartet verlaufenden Erholungskurve der Luftverkehrsbranche führte dies jedoch zu dem für Airlines unangenehmen Effekt, dass die Versicherungsstückkosten deutlich gestiegen sind.

Autoren: Martin Gary, Geschäftsführer Albatros Versicherungsdienste, und Florian Pawelzick, Senior Director Aviation, Albatros Versicherungsdienste

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