Monte Carlo: Rückversicherer hadern mit neuen Konkurrenten und hoffen auf neue Risikokumule

Monaco. Quelle: Bild von CandyGuru auf Pixabay

Einmal mehr steht ein für die Teilnehmer ab Samstag ein eher frustrierendes Rendez-Vous in Monte Carlo bevor. Einigkeit besteht zwar weiter steigen müssten. Die Nutznießer sind jedoch die Zedenten, die den Vorteil eigentlich unzureichender Rückversicherungspreise nicht behalten können, sondern dank der Konkurrenzsituation auf der vorgelagerten Ebene an ihre eigenen Erstversicherungskunden weitergeben müssen.

Die Gründe für den prognostizierten Prämienschub sind jedenfalls vielschichtig: klimatisch bedingte Risikoerschwerungen, ein in Rezessionszeiten wachsenden moralischen Risiko, die Notwendigkeit des Investments in neue Technologien und zunehmende Eigenkapitalanforderungen.

Einstiges Cash Flow Underwriting

In früheren Zeiten – als bestens geratete Staatsanleihen noch acht Prozent Rendite brachten, konnten Cash Flow Underwriter noch Combined Ratios von glatt 110 Prozent (und noch mehr in den long tail Sparten) in Kauf nehmen und immer noch einen akzeptablen bottom line Gewinn zeigen. Angesichts schlechter Renditen von Null Prozent und weniger hingegen muss die Combined Ratio schon auf 95 Prozent gedrückt werden, um die Kapitalgeber zufriedenzustellen.

Noch ausreichende Eigenkapitalrendite

Die Ratingagentur S&P zeigte sich kürzlich eher pessimistisch, was die gegenwärtigen Herausforderungen der weltweiten Rückversicherungsbranche angeht. Zwar gebe es ins Jahr 2020 gewisse Preisverhärtungstendenzen. Dennoch sehen sich die Akteure säkularen Herausforderungen ausgesetzt. Ihr Geschäft wandele sich zu einer austauschbaren Commodity (speziell im Bereich Property cat) über deren Verteilung immer weniger Makler entscheiden. Zudem setze ihnen Konkurrenz des alternativen Risikokapitals nach wie vor zu.

Trotz der Verlustjahre und der Tendenz zur negativen Abwicklung von Naturkatastrophenschäden mangele es nach wie vor nicht an Marktkapazität. Eine weitere Konsolidierung sei zudem durch von Fusionen und Übernahmen von Marktteilnehmern. Richtig unter Druck gerate die Branche aber nicht. Vielmehr werde sie immer noch bei normaler Cat-Belastung eine Eigenkapitalrendite im von den Aktionären erwarteten Rahmen von sechs bis acht erzielen. Bedient werden müssen immerhin 512 Mrd. US-Dollar an traditionellem und 93 Mrd. US-Dollar an alternativem Risikokapital.

Andererseits scheint es aber, als bedienten sich große Rückversicherer mit Erfolg der Risikoverbriefungsmärkte, um aus einem nicht mehr akzeptablen Bruttoergebnis für netto doch noch vorzeigbare Zahlen zu machen, ähnlich wie in früheren Zeiten gewisse notorische „net line underwriters“ in Lloyd’s.

Vor allem Scor möchte sich anlässlich des diesjährigen Rendez-Vous unter den neuen Schlagworten „reinsurer of tomorrow“ und „Quantum Leap“ als integrierte Platform präsentieren, die das Underwriting know-how eines traditionellen Rückversicherers mit dem ILS Platzierungsgespür eines Investmentbankers verbindet. Das diesbezügliche know-how wird die kürzlich erst erworbene Coriolis Capital beisteuern.

Schwächelnder „Dorian“

Hurricane „Dorian“ hat zwar auf den Bahamas bereits mindestens 30 Todesopfer gefordert und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Allerdings hat der karibische Wirbelsturm bislang einen großen Bogen um den US-Bundesstaat Florida mit ganz anderen Risikokumulen gemacht. Die Schäden in North Carolina dürften nicht ausreichen den anfänglich befürchteten Marktschaden von 25 Mrd. US-Dollar zu verursachen. Damit dürfte „Dorian“ den Zeichnern von Risikoverbriefungen erneut einen den Enthusiasmus dämpfenden Denkzettel verpassen.

Lloyd’s mit Kosten- und Brexit-Herausforderungen

Aon publizierte aus Anlass des Rendez-Vous einen 44seitigen spezifischen Bericht über Lloyd’s.  Als strukturelle Schwäche des Versicherungsmarktes bezeichnet Aon die nach wie vor viel zu hoch liegende Kostenquote von 40 Prozent. Auch was die Großschadenbelastung angeht, wies Lloyd’s bereits ab Zeichnungsjahr 2014 eine Combined Ratio von mehr als 100 Prozent auf.

Dies wurde aber in den letzten Jahren lediglich durch positive Reserveabwicklungen und eine unterdurchschnittliche tatsächliche Großschadenbelastung kaschiert. Aon geht davon aus das Lloyd’s sich qua Gründung der Vorschaltgesellschaft Lloyd’s Bruxelles gegen alle möglichen negativen Brexit-Folgen gewappnet haben müsste. In Kürze wird man wissen welche Knüppel in Gestalt von Equivalency Erfordernissen die EU den EU27 Aktivitäten von Lloyd’s in den Weg legen könnte. Für dessen Konkurrenten könnte sich hieraus auch noch eine willkommene regionale Kapazitätsverknappung ergeben.

Wermutstropfen oder Coupes de Champagne ?

Die Rückversicherungsbranche lässt sich auch als Ökosystem verstehen. An ihr hängen nicht nur Rückversicherer und alternative Kapitalgeber, sondern auch Makler, Anwälte, Prüfungsgesellschaften, Risiko-Modellierer und Schadenexperten. Sie zweigen sich über 30 Prozent der Prämien ab und leben unabhängig von der Auskömmlichkeit der Rückversicherungspreise gut davon. Dies auch nicht anlässlich der zuletzt zahlreichen Cocktails in Monte Carlo, wo sie sich den Champagner aus Magnum-Flaschen ausschenken lassen.

Autor: Philipp Thomas