Run-off-Branche geschockt: Was das Transferverbot von Prudential an Rothesay Life zur Folge hat

Ein Portfolio von 12 Mrd. Pfund wollte Prudential plc an die Abwicklungsplattform Rothesay übertragen. Doch das High Court verbot die Abwicklung mit der Begründung, dass Rothesay zu klein sei und dass womöglich das Geld der Kunden in Gefahr sei. Zerstört dieses Grundsatzurteil das Geschäftsmodell des Run-off?

Zu den fundamentalen Prinzipien des britischen Zivilrechts gehört die Doktrin der „privity of contract“, wonach ein Vertrag lediglich die Parteien binde. Der Ersatz einer Vertragspartei durch eine andere bedarf demnach normalerweise der gegnerischen Zustimmung. Dieses Prinzip durchbricht Part VII of the Financial Services & Markets Act 2000. Sec 105 betrifft die Übertragung von Versicherungsportfolios, Sec. 106 die von Bankgeschäften. Erforderlich ist ein detaillierter Aktuars-Bericht hinsichtlich der Modalitäten, die Zustimmung der Aufsichtsbehörde sowie diejenige des High Court. In früheren Jahren pflegte der High Court Anträge mehr oder weniger automatisch durchzuwinken.

Kürzlich sollte der High Court die Übertragung eines 400.000 Rentenempfänger und 12 Mrd. Pfund an technischen Rückstellungen betreffenden Portfolio vom bisherigen Versicherer Prudential auf die Abwicklungsgesellschaft Rothesay gutheißen. Rothesay hatte vor 2018 bereits im Rückversicherungswege das versicherungstechnische Risiko übernommen, nun sollte auch die formale Vertragsbeziehung zwischen den Rentenberechtigten und Prudential gekappt werden, was deren Bilanz entsprechend verschlanken und wohl auch Risikokapital einsparen sollte.

Allerdings verweigerte der High Court die Zustimmung mit der Begründung, die Lage der zu verschachernden Kunden verschlechtere sich wohl unter der Ägide einer wesentlich kleineren Abwicklungsgesellschaft. Richter Richard Andrew Snowden führte aus, Rothesay sei ein relativer Newcomer ohne etablierten Ruf. Im Gegensatz hierzu blicke Prudential auf eine 171-jährige Geschichte zurück, im Notfall könnten die Pensionsversicherten darauf hoffen, dass andere Konzerngesellschaften ihrem konkreten Risikoträger aus der Patsche helfen würden

Fitch bleibt gelassen, Rothesay sieht Börsengang in Gefahr

In einer die Gerichtsentscheidung bedauernden Pressemitteilung unterstreicht Prudential, es bestehe die Möglichkeit, dass sowohl Prudential als auch Rothesay gegen die High Court Entscheidung in die Berufung gehen könnten. Prudential plc möchte bis Ende 2019 das eigene EU und UK in eine neue Gesellschaft M&GPrudential abspalten. Prudential plc enthielte dann nur noch amerikanisches, asiatisches und afrikanisches Geschäft und könnte unbeschwert von Solvency II agieren. Die High Court Entscheidung soll keine Auswirkungen auf die geplante Selbst-Aufspaltung haben.

Rothesay Life Plc besteht seit 2007. Ende 2018 verwaltete die Gesellschaft 36 Mrd. Pfund an Vermögen betreffend die Renten von 770.000 Kunden. Zu den Aktionären von Rothesay gehören der US-Lebensversicherer MassMutual und die Fondsverwalter GIC, Singapore sowie Blackstone Group L.P. Diese Beteiligungen hatten bis 2017 bei Goldman Sachs gelegen. Die übernommenen Portfolios stammten u.a. von Versicherern wie Prudential, RSA und Zurich aber auch von gewerblichen Unternehmen wie British Airways, Interconti Hotels und GKN. Das Eigenkapital von Rothesay betrug Mitte 2019 4,08 Mrd. Pfund. Angesichts eines erforderlichen Solvenzkapitals von 2,31 Mrd. Pfund verfügt Rothesay noch über größere Mengen trockenen Pulvers für weitere Transaktionen. Dementsprechend verfügt Rothesay über ein A+ Rating von Fitch sowie über ein A Rating in Bezug auf nachrangige und ein BBB Rating was nachrangige Anleihen angeht.

Die Rating-Agentur Fitch sieht nicht die Gefahr, dass nun die gesamte Run-off-Branche  aufgrund dieses Urteils keine weiteren Deals mehr zustandebekommen könnte. Die ablehnende Haltung betreffe nur Transaktionen bezüglich von besonders langlebigen Portefeuilles. Nicht behindert würden insbesondere Transaktionen innerhalb derselben Versicherungsgruppe.

Was aber Pensionsübertragungen zu Abwicklern außerhalb der Truppe angeht, dürften nun die bisherigen legacy Versicherer auf Alt-Beständen sitzenbleiben, welche ihre Geschäftsvorgänge und IT unnötig verkomplizieren und allzu viel an Management-Zeit beanspruchen. Der High Court dürfte auch mögliche Börsengangs-Pläne von Rothesay durchkreuzt haben.

Autor: Philipp Thomas