Nach der Brandkatastrophe: Wer haftet für die Schäden von Notre-Dame?

Die brennende Kathedrale von Notre-Dame. Quelle: dpa

Der Großbrand in der französischen Kathedrale Notre-Dame am Montagabend hat rund um den Globus für Bestürzung gesorgt. Nachdem die rund 400 französischen Feuerwehrleute den Brand am Ende löschen konnten, geht es nun um die Frage, wie hoch die Schäden sein werden und wer für die Kosten aufkommt. Erste grobe Schätzungen gehen bereits von einem Schaden in Milliardenhöhe aus. Ob letztlich eine Versicherung dafür aufkommt, bleibt hingegen fraglich.

Eines der ersten Opfer der Flammen war der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm, der unter den Flammen in sich zusammenbracht. Auch der mittelalterliche Dachstuhl – eine originale Eichenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert – ist dem Brand ebenfalls zum Opfer gefallen. Auch Teile der Gewölbekuppeln sind eingestürzt. Zudem haben Temperaturen von bis zu 1.000 Grad, der Rauch, aber auch das Löschwasser, schwerste Schäden am Mauerwerk angerichtet.

Brandschäden im Innenraum von Notre Dame. Quelle: dpa

Immerhin: Die beiden Haupttürme und die Gesamtstruktur der Kathedrale im Herzen von Paris dürfte den Brand zwar überstanden haben. Offen ist hingegen die Frage, was von der Einrichtung verloren ging. Auch über den Zustand der Glasfenster, die beiden Orgeln und der Glocken ist bislang noch nicht viel bekannt. So verfügt Notre-Dame über zwei Orgeln: Die Hauptorgel auf der Westempore mit rund 8.000 Pfeifen gehört wohl zu den größten und bekanntesten der Welt. Einige Teile stammen sogar noch aus dem 18. Jahrhundert. Zwischen 2012 und 2014 wurde aufwendig restauriert, gereinigt und umgebaut. Diese scheint vom Feuer wohl weitgehend unbeschadet zu sein.

Die Rosenfenster von Notre-Dame gehören zu den berühmtesten Glasmalereien der Welt und dienen als Vorbild aller Rosettenfenster in Europa. Wie es genau um diese steht, ist bislang nicht bekannt. Weltberühmt ist die französische Kathedrale auch für ihre Gemälde und die rund 50 Mays. Zwar sollen die Rettungskräfte viele Gemälde in Sicherheit gebracht haben. Allerdings ist derzeit noch nicht bekannt, um welches es sich genau handeln soll. Zudem sollen manche einen Wasserschaden haben. Auch die berühmten Statuen sollen den Brand wohl überstanden haben – darunter auch die Namensgeberin „Notre-Dame de Paris“ aus dem frühen 14. Jahrhundert.

Weitgehend verschont vom Brand blieben auch die Glocken der Kathedrale, die nicht zuletzt durch Victor Hugos Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ weltbekannt wurden. Die größte Glocke namens „Emmanuel“ mit einem Gewicht von mehr als 23 Tonnen verkündete im August 1944 das Ende der deutschen Besatzung in Paris. Inwieweit das Feuer und die Wassermassen den berühmten Wasserspeiern an den Außenseiten der Kathedrale zugesetzt haben, ist bislang noch offen.

Berühmt ist Notre-Dame auch für seine Reliquien, die zu den wichtigsten der Christenheit gehören. Gerettet werden konnte wohl die Heilige Krone: Dabei soll es sich um die Dornenkrone handeln, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll. Sie liegt seit der Französischen Revolution in der Kirche. Ebenfalls gerettet wurden die Tunika des französischen Königs Ludwig IX. (1226-1270) – auch bekannt als Ludwig der Heilige -die er zu Lebzeiten getragen haben soll. Ebenfalls den Flammen entkommen sein sollen ein Splitter aus dem Kreuz Jesu und ein Nagel von der Kreuzigung.

Ein weiteres Glück im Unglück: Nur wenige Menschen sollen durch die Brandkatastrophe zu Schaden gekommen sein. Ein Feuerwehrmann soll jedoch durch niederregnendes Blei von den geschmolzenen Dächern schwer verletzt worden sein. 

Notre-Dame in Zahlen Quelle: Statista

Keine Hinweise auf einen Anschlag oder Brandstiftung

Noch in der Nacht zum Dienstag hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen. Dabei legten sich die Ermittler recht schnell auf die Ursache des Großfeuers fest. Demnach soll ein Defekt oder ein Fehler bei den laufenden Renovierungsarbeiten den Brand ausgelöst haben. Hinweise auf einen Anschlag oder Brandstiftung gebe es nach den Erkenntnissen der Ermittler indes nicht. Demnach sollte die Kathedrale bis 2027 umfassend restauriert werden. Entsprechende Bauarbeiten hatten am Jahresanfang begonnen. Ursprünglich waren die Baukosten auf 150 Mio. Euro kalkuliert worden. Nun dürfte die Summe wohl wesentlich höher liegen. Beobachter gehen bereits von einem Schaden in Milliardenhöhe aus. Sollte der Brand tatsächlich bei Arbeiten am Dachstuhl verursacht worden sein, wäre es zumindest denkbar, dass der Versicherer der Dachdeckerfirma für die Schäden aufkommen muss.

Allerdings wären die vereinbarten Versicherungssummen Experten zufolge eher im niedrigen Bereich angesiedelt. In Branchenkreisen geht man von zehn bis 25 Mio. Euro aus. Doch das ist angesichts des immensen Ausmaßes der Brandkatastrophe nur ein Tropfen auf einem heißen Stein. Die betroffene Firma müsste dann aller Voraussicht nach Insolvenz anmelden und ihr Betriebsvermögen liquidieren. Denkbar sei indes auch die Möglichkeit, dass die Bauunternehmen oder der Bauherr eine projektbezogene Versicherung abgeschlossen haben, die dann sogar alle Subunternehmen mit einschließen würde und über eine deutlich höhere Deckungssumme verfügt. Allerdings dürfte die Deckungssumme nach Ansicht der Experten auch in diesem Fall nicht ausreichend sein.

Wer für den Schaden aufkommen muss, ist zwar noch nicht abschließend geklärt. Allerdings ist Notre-Dame im Besitz des französischen Staates. Zwar seien die zuständigen Behörden – also die Stadt Paris sowie die Region Île de France – zwar versichert. Offen ist aber, ob der französische Staat, dem die weltberühmte Kirche gehört, eine Gebäudeversicherung dafür abgeschlossen hat. Auch sie könnte für den Schaden aufkommen. Allerdings gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass die Kathedrale in großem Umfang versichert sein dürfte. So wären allein „die Prämien so hoch, dass man sich das Ganze nicht leisten kann“, konstatierte die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner im Interview mit dem Radiosender WDR5

In Deutschland sind normale Kirchen Eigentum der Gemeinden. Die Landeskirchen haben zudem Rahmenverträge für alle Gebäude der Gemeinden, Werke und Stifte, die üblicherweise pauschal zum Neubauwert versichert sind. Besondere Gebäude seien zwar auf Basis von Wertgutachten geschützt, allerdings sind auch hier die Summen begrenzt, da die Prämien sonst unbezahlbar würden.

Ähnlich beurteilt dies auch die Swiss Re: „Im Allgemeinen sind Kirchen in Frankreich Eigentum des Staates, und dieser versichert sich selbst. Dies sollte auch bei Notre-Dame der Fall sein“, betonte ein Konzernsprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings seien Kunstwerke und Reliquien in der Regel nicht versichert, da sie oft unbezahlbar seien. Zu klären bleibe auch, ob ein potenzieller Verursacher des Brandes für Schäden haftbar gemacht werden könne, betont der Schweizer Rückversicherer weiter. Ob die Swiss Re ebenfalls für Schäden aufkommen müsse, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden, hieß es weiter. 

Sind solche Kirchenbrände auch in Deutschland möglich?

Bleibt natürlich nun die Frage, ob solche Brandkatastrophen auch in Deutschland möglich sind. Glaubt man allerdings den Experten, scheint das Risiko eher gering zu sein. Beispiel: Kölner Dom. „Notre-Dame de Paris steht genauso symbolisch für Frankreich wie der Kölner Dom für Deutschland“, wird Dompropst Gerd Bachner in der Wirtschaftswoche zitiert. Und dennoch: „Durch die Weitsicht der Baumeister aus dem 19. Jahrhundert hat man auf dem Dach des Domes eine Eisenkonstruktion realisiert“, betont der Kölner Dombaumeister Peter Füssenich. Diese habe den Dom bereits im Zweiten Weltkrieg vor verheerenden Schäden geschützt. 

Ähnlich verhält es sich wohl auch mit anderen berühmten Kirchen in Deutschland. So verfüge beispielsweise die Dresdner Frauenkirche über ein ausgefeiltes Brandschutzkonzept, welches auch maßgeblich für die Erteilung der Baugenehmigung war. „Wenn man den Kirchraum betritt, durchschreitet man Brandschutztüren mit speziellen Schließmechanismen, nimmt sicher kaum einen der zahlreichen Rauchmelder wahr und bemerkt auch nicht die Vielzahl der speziellen Verkleidungen für Bauteile und Kabel, die im Brandfall Schäden abwenden oder zumindest verzögern können“, erläutert Thomas Gottschlich, leitender Architekt der Frauenkirche, gegenüber den Dresdner Neuesten Nachrichten (DNN).

Und auch der Frauendom in der bayerischen Landeshauptstadt München macht den Experten nur bedingt Sorgen. Größtes Problem seien laut Münchner Feuerwehr zwar die Türme des Münchener Wahrzeichens. Allerdings seien diese  baulich und brandschutztechnisch komplett vom restlichen Kirchenschiff getrennt. Zudem seien sie mit einer Sprühwasserlöschanlage ausgestattet, die im Notfall das Feuer eindämmen und der Feuerwehr mehr Zeit verschaffen würde. Das Kirchenschiff selbst sei beim Umbau mit einem Rauchansaugsystem ausgestattet worden, das die Feuerwehr frühzeitig warnen würde, berichtet der Bayerische Rundfunk.

Auch ein Brand im Berliner Dom wie in Notre Dame ist nach Aussage der Domarchitektin Sonja Tubbesing „undenkbar“. „Sollte es doch einmal zu einem Brand kommen, so können die Mitarbeitenden mit dem Feuerlöscher umgehen und wissen, was zu tun ist“, betont die Expertin. Zudem achte man darauf, „dass alle Tätigkeiten, bei denen Funken oder Hitze entstehen, nicht auf dem Dach, sondern auf dem Bauhof unten durchgeführt werden“. Außerdem bestehe die Kuppel – ähnlich wie im Kölner Dom – aus einer Stahlkonstruktion, Holz ist wenig verbaut.

Stark gefährdet sei hingegen – nach eigener Aussage – vor allem der Aachener Dom mit seinem Dachstuhl aus Holz aus dem Jahr 1656. „Die Gefahr ist sehr, sehr groß“, sagte Dombaumeister Helmut Maintz deshalb der Rheinischen Post. Allerdings gebe es eine Sprinkleranlage im Dom und einen ständigen Kontakt zur Feuerwehr. Zudem sollen besondere Sicherheitsvorkehrungen Brände verhindern – beispielsweise werde nach Feierabend der Strom für die Handwerker abgeschaltet.

Hinsichtlich des Versicherungsschutzes zeigt sich der Versicherungsmakler Ecclesia auf Anfrage von VWheute auf nahezu alle Ereignisse gut vorbereitet. „Alle von uns betreuten Kirchengebäude, auch sehr große, sind mit adäquaten Summen gegen Feuer versichert. Dazu bedarf es langer Erfahrung, unter anderem in der Bewertung von großen Kirchengebäuden, in der Gestaltung adäquaten Versicherungsschutzes für sakrale Bauten und in der Begleitung von Großschäden, deren Regulierung in der Regel viele Jahre in Anspruch nimmt. […] Mitversichert sind auch die Wiederherstellungskosten zerstörter Kunstschätze. Dies ändert aber natürlich nichts daran, dass die historischen Kunstwerke bei Totalverlust unwiederbringlich vernichtet sind. Grenzen der Versicherbarkeit sind in unserer jahrzehntelangen Arbeit bisher nicht aufgetreten“, betont ein Unternehmenssprecher.

Innenraum von Notre-Dame vor dem Brand. Quelle: td

Ein Wiederaufbau von Notre-Dame dürfte dennoch nicht an der Finanzierung scheitern. So hat bereits die nationale Stiftung des Kulturerbes eine eigene Website für Spendenaktionen aufgebaut. Und auch Frankreichs Geldadel zeigte sich bereits spendabel und will die Rekonstruktion der Kathedrale tatkräftig unterstützen. François-Henri Pinault, Chef des Luxusmodekonzerns Kering – zu dem unter anderem Gucci, Saint Laurent und  Balenciaga gehören – und sein Vater François Pinault wollen demnach laut einem Bericht der Welt 100 Mio. Euro aus der Familien-Finanzholding Artemis für den Wiederaufbau bereitstellen. Die Familie Arnault, Besitzer von LVMH (Louis Vuitton, Christian Dior, Fendi, Kenzo, Givenchy) will gar die doppelte Summe von 200 Mio. Euro dazugeben.

Außenfassade von Notre-Dame Quelle: td

Nach der Brandkatastrophe vom Montagabend hatte auch Staatspräsident Emmanuel Macron über Frankreich hinaus zu Spenden aufgerufen. Premierminister Édouard Philippe rief am Dienstag eine Ministerrunde zusammen, um über den Wiederaufbau des ausgebrannten Gotteshauses zu beraten. Allerdings dürfte es noch Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern, bis Notre-Dame als „architektonisches und spirituelles Erbe von Paris, Frankreichs und der Menschheit“ – so Papst Franziskus – wieder in seinem alten Glanz erstrahlen wird.