Bäte auf Konfrontationskurs mit Allianz-Mitarbeitern: „Die, die nicht mitmachen wollen, muss man nach Hause schicken“

Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE Quelle: Allianz

Mehr als drei Jahre führt Oliver Bäte als Vorstandschef die Allianz durch einen selbst verordneten Transformationsprozess. Das Ziel: Digitaler, Schlanker und Effizienter. Wenig verwunderlich, dass der gelernte Bankkaufmann mit einem Umstrukturierungskurs in der eigenen Belegschaft nicht zwangsläufig auf ungeteilte Zustimmung stößt. Dennoch hält der Versicherungs-CEO beharrlich seinen Kurs: „Wir nehmen uns die Zeit dafür, die Leute abzuholen. Man kann nicht alle gewinnen, aber 80 Prozent, die wichtig sind im Management. Und die, die nicht mitmachen wollen, muss man nach Hause schicken“, betont er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Dabei geht es dem Allianz-Chef – zumindest nach außen – gar nicht so sehr um eine Radikallkur beim Personal. So bezeichnete er Pläne, wonach in Deutschland 7.000 von 27.000 Stellen bei den Angestellten wegfallen sollen, als „kompletten Unsinn“. „Darum geht es nicht. Wir müssen die Komplexität herausnehmen. Wenn ein Kunde anruft, müsste der Mitarbeiter im Callcenter beim ersten Kontakt zu 80 Prozent den Fall abschließen können, so weit sind wir heute noch nicht. Das Problem haben wir vor allem im Heimatmarkt, in anderen Bereichen der Allianz geht das“, konstatiert Bäte. Vielmehr scheint ihm die „in Deutschland traditionell gegliederte Organisation der Arbeit“ ein Dorn im Auge zu sein. „Selten hat ein Mitarbeiter den Überblick über die gesamte Kundenbeziehung, den hat nur der Vermittler. Dann hat der Mitarbeiter die IT-Unterstützung nicht, um die Probleme sofort lösen zu können. Oder er hat die Kompetenz und die IT, aber nicht die Vollmacht. Mir geht es nicht darum, zehn Prozent der Mitarbeiter irgendwo rauszunehmen, sondern die Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, die Probleme sofort zu lösen. Dazu gehört, dass die Hierarchie immer flacher wird“, erläutert der Allianz-Chef.

Neben einer „natürlichen Fluktuation“ und einer „vergleichweise alten Belegschaft“ gehe es „also nicht einfach um den Abbau von Stellen, sondern ihn so zu organisieren, dass wir so weit es geht auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten können. Viel wichtiger ist die Frage der Qualifizierung. Die Mitarbeiter fragen sich, ob sie ausreichend ausgebildet sind, um mit der neuen Technologie und den neuen Anforderungen umzugehen, auch wenn ihre Stellen erhalten bleiben. Daraus stammt die Angst. Wir müssen viel besser werden bei der Ausbildung. Dazu gehört auch, Mitarbeitern, die uns verlassen müssen, bei der Fortbildung zu helfen.“ Dennoch sei man „beim Umbau zu langsam. Es rumpelt ordentlich, wie Sie ja auch öfter schreiben. Aber die gute Nachricht ist, dass es konsequent in die richtige Richtung geht und gut überlegt ist“m gibt sich Bäte kämpferisch.

Der Aufsichtsrat der Allianz scheint vom eingeschlagenen Kurs des Oliver Bäte jedenfalls dem Anschein nach überzeugt zu sein. Bereits im November 2018 gab das Kontrollgremium des Münchener Versicherungskonzerns bekannt, dessen Vertrag über 2019 hinaus um weitere fünf Jahre zu verlängern. „Unter der Führung von Herrn Bäte hat sich die Allianz in den vergangenen drei Jahren sehr gut entwickelt. Der Aufsichtsrat ist überzeugt, in ihm den richtigen Vorstandsvorsitzenden auch für die vor uns liegenden Herausforderungen zu haben“, lobt Michael Diekmann, Vorsitzender des Aufsichtsrats und ehemaliger Boss, seinen Nachfolger. Zudem sei er „überzeugt, in ihm den richtigen Vorstandsvorsitzenden auch für die vor uns liegenden Herausforderungen zu haben“.

Oliver Bäte seinerseits bedankt sich für die Blumen im klassischen McKinsey-Stil, also in Form von Ergebnissen. Das nämlich ist die große Stärke des Managers, der polarisiert, aneckt, manchmal über die Strenge schlägt, aber immer der Linie treu bleibt, das große Ganze dem Einzelinteresse vorzuziehen. Wenn also wieder Kritik an der Renewal Agenda , der digitalen Strategieumsetzung oder den roten Turnschuhen aufkommt, wischt sie Bäte unaufgeregt zur Seite – und performt weiter. So hat er den traditionsreichen Versicherungskonzern mittlerweile so stark umgebaut, dass ihn selbst alteingesessene Mitarbeiter anscheinend kaum noch wiedererkennen. Dennoch schienen bei den eigenen Mitarbeitern spürbare Zweifel an der Strategie und den Kommunikationsfähigkeiten des Konzernlenkers zu herrschen, wie im vergangenen Oktober aus einer internen Mitarbeiterbefragung hervorging, über die das Manager-Magazin berichtete.

Demnach glauben laut Umfrage wohl nur noch 46 Prozent der rund 17.000 befragten Mitarbeiter der Allianz Deutschland, dass die aktuelle Strategie von Allianz-Chef Bäte auch künftig den Erfolg des Unternehmens sichern würde. Zum Vergleich: 2016 waren es noch 60 Prozent. Zudem glaubt nur noch ein Drittel der Befragten, dass die Konzernleitung glaubhaft handeln und kommunizieren würde. 2016 vertrat noch eine knappe Mehrheit von 51 Prozent diese Ansicht. Ein weiteres Ergebnis: Lediglich 37 Prozent der befragten Mitarbeiter fühlt sich durch Bätes Ziele und Visionen noch motiviert. Vor zwei Jahren waren es laut Bericht noch 53 Prozent. Die Allianz Deutschland wollte sich damals auf Anfrage von VWheute hingegen „nicht öffentlich zu einzelnen Ergebnissen interner Mitarbeiterumfragen äußern.“ Mit Blick auf den Bericht der Wirtschaftszeitung teilte der Versicherer mit: „Die vom Manager-Magazin aufgeführten Aspekte stellen nur einen kleinen Ausschnitt der in unserer Umfrage enthaltenen vielzähligen Fragestellungen dar. Die Antworten dazu fielen im Übrigen je nach Unternehmensbereich sehr unterschiedlich aus. Und es gibt auch zahlreiche positive Entwicklungen, gerade auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie das persönliche Arbeitsumfeld“, ließ der Konzern damals wissen.

Seine Antwort darauf folgte nur wenige Wochen später in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit: „Wir nehmen das sehr ernst, aber das bezieht sich nicht auf die Allianz-Gruppe, da sind die Werte dramatisch besser, sondern auf die Allianz Deutschland. Nur zur Erklärung: In Deutschland haben wir 8.200 Vertreter und 27.000 Mitarbeiter, weltweit sind es 140.000 Mitarbeiter und eine halbe Million Vermittler. Hierzulande gab es größere IT-Probleme im letzten Jahr, durch die Einführung einer neuen Software. Die Mitarbeiter sagten sich: Du, Bäte, hast diesen Anspruch der Digitalisierung und gibst uns dann IT-Systeme, durch die morgens der Computer nicht mehr hochfährt – das geht nicht! Da haben die so was von recht!“ Eines musste er allerdings nach eigener Aussage auch selbst erst noch „lernen: wie wichtig jedes gesprochene Wort ist. Ich hab so eine Kölsche Zunge.“ 

Damit scheint es dem gebürtigen Bensberger immerhin gelungen zu sein, den Abreibungskampf im historischen Münchener Konzern gut handeln und immer wieder Überraschungsmomente erzeugen kann. Die anfängliche Skepsis konnte er jedenfalls seitdem kontinuierlich abbauen. „Bäte hat seine Lektion gelernt und auch, dass wir hier keine amerikanischen Verhältnisse haben“, sagte ein langjähriger Topmanager. Vielleicht ist es ja das, das man in München so an ihm schätzt. Er hat dem Konzern ein neues, im Vergleich zu früher vielleicht etwas lauteres, aber durchaus gesundes Markt- und Selbstbewusstsein gegeben.