„Viele Schäden werden schnell und pauschal bearbeitet, weil einfach die Kapazitäten fehlen“
Wenn Kumulereignisse auftreten, stehen Versicherer oft vor einer Welle von Schadenmeldungen. Manchmal zahlen sie mehr als nötig oder auch zu wenig an die Kunden. Wie eine faire Regulierung aussehen sollte, erklärt Thomas Verduzco-Weisel, VP Central Europe Go-To-Market bei CoreLogic. Im Interview mit VWheute spricht er über die Digitalisierung und Betrugserkennung im Gebäudeschadenmanagement.
VWheute: Herr Verduzco-Weisel, wir leben in stürmischen Zeiten, sowohl im Wetter als auch in der Versicherungsbranche. Kumulereignisse wie Stürme und Überschwemmungen werden immer häufiger. Wie wirken sich diese auf die Schadenbearbeitung aus?
Thomas Verduzco-Weisel: Absolut, das stimmt. Wenn Kumulereignisse auftreten, stehen wir oft vor einer Welle von Schadenmeldungen – wie ein Tsunami an Anfragen. Das kann für Versicherer zu einer echten Herausforderung werden. Viele Schäden werden schnell und pauschal bearbeitet, weil einfach die Kapazitäten fehlen, um jeden einzelnen Fall angemessen zu prüfen. Das führt dazu, dass Versicherer manchmal mehr zahlen, als nötig, oder umgekehrt, dass berechtigte Ansprüche untergehen. Und das ist frustrierend, sowohl für die Versicherer als auch für die Kunden, die auf eine faire Regulierung warten.
Wie kann die Digitalisierung hier helfen, diesen Druck zu bewältigen?
Digitalisierung ist einer der Schlüssel! Stellen Sie sich vor, Versicherer könnten sofort nach einem Sturm auf die betroffenen Gebiete zugreifen, um das Ausmaß der Schäden zu erfassen. Moderne Technologien, wie die Analyse von Geodaten, ermöglichen es, Schäden in Echtzeit zu erkennen. So können wir alle schneller und präziser Entscheidungen treffen. Es geht darum, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen und gleichzeitig sicherzustellen, dass Versicherer nicht zu viel oder zu wenig zahlen. Digitalisierung verbessert die Kundenerfahrung und hilft, die Kosten besser zu kontrollieren.
Und was ist mit der Künstlichen Intelligenz? Welche Rolle spielt sie im Schadensmanagement?
KI ist wie eine frei skalierbare Gruppe verschiedener Assistenten, die hilft, die große Menge an Daten zu bewältigen und kleine Aufgaben selbstständig zu erledigen. Sie kann Bilder und Videos von Schäden analysieren und schnell eine erste Einschätzung liefern. Das spart Zeit und minimiert menschliche Fehler. Versicherer können sich dann auf die komplexeren Fälle konzentrieren, die mehr Aufmerksamkeit erfordern. Kunden fühlen sich gehört und sehen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Das ist entscheidend für den Aufbau von Vertrauen in die Schadenbearbeitung.
Aber in dieser digitalen Welt gibt es auch Herausforderungen, oder? Wie steht es um den Betrug?
Richtig, die Digitalisierung hat auch ihre Schattenseiten. Während wir uns darauf konzentrieren, Prozesse zu beschleunigen, nutzen einige Betrüger ebenfalls die Technologie, um Versicherer auszutricksen. Zum Beispiel durch gefälschte Bilder oder manipulative Daten. Das ist ein ständiges Wettrüsten. Hier kommt die KI ins Spiel: Sie hilft, verdächtige Muster zu erkennen und Betrugsversuche zu identifizieren, bevor unberechtigte Auszahlungen geleistet werden. Versicherer müssen proaktiv bleiben und sich anpassen, um diesen neuen Bedrohungen einen Schritt voraus zu sein.
Wie können Versicherer Betrug erkennen, wenn sie auf digitale Prozesse umsteigen?
Digitale Prozesse generieren von Natur aus mehr strukturierte Daten, und genau hier liegt der Schlüssel zur Betrugserkennung. Durch die Automatisierung und Bündelung der verschiedenen Schritte im Schadenprozess – von der Schadenmeldung über die Schadenkalkulation bis hin zur Kommunikation mit dem Versicherungsnehmer und anderen Beteiligten – entstehen wertvolle, vergleichbare Datensätze. Unsere Plattform bei CoreLogic erfasst und strukturiert all diese Informationen. Das reicht von Bildern und Berichten bis hin zu Wetterdaten und weiteren Drittanbieterlösungen. Diese Datenbasis ermöglicht es, mithilfe von KI-Algorithmen verdächtige Muster zu erkennen, etwa durch Abweichungen in der Schadensdokumentation oder ungewöhnliche Häufungen bei bestimmten Schadenarten. Indem Versicherer auf diese strukturierte Datenlandschaft zugreifen, können sie potenziellen Betrug viel gezielter und schneller identifizieren und letztlich auch ihre Entscheidungsfindung verbessern.
Die Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Sanierern wird oft unterschätzt. Welche Möglichkeiten gibt es hier, um Prozesse effizienter zu gestalten, und welche Vorteile ergeben sich daraus?
Wenn der gesamte Schadenmanagementprozess über eine einzige Plattform wie die von CoreLogic abgewickelt wird, entstehen enorme Effizienzgewinne. Sanierer und Handwerker haben über unsere Lösung unmittelbaren Zugriff auf Echtzeitdaten zum Schadenfall. Das bedeutet, dass doppelte administrative Arbeiten entfallen und sich die Prozesse insgesamt stark beschleunigen. Zudem ermöglicht unsere Plattform eine KI-gestützte Schadenaufnahme, die Schäden intelligent an die passenden Abteilungen oder Sanierer weiterleitet. Das sorgt dafür, dass die Schadenbearbeitung schneller vorangeht, da die richtigen Ressourcen direkt eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil ist die nahtlose Kommunikation. Brüche in der Kommunikation werden durch die zentrale Plattform beseitigt, es gibt weniger Papierarbeit und keine Duplikationen. Versicherungsnehmer werden stärker in den Prozess eingebunden, und durch proaktive Kommunikation lassen sich unnötige Nachfragen vermeiden. Das Ergebnis? Der Schaden wird schneller behoben, den Kunden wird schneller geholfen.
Darüber hinaus hilft die einheitliche und digitalisierte Plattform, Betrug zu verhindern. Da alle beteiligten Parteien, von Versicherern bis hin zu Sanierern, auf dieselben Daten zugreifen, lassen sich Unregelmäßigkeiten und verdächtige Aktivitäten besser erkennen. CoreLogic ermöglicht eine klare Nachverfolgung der Vorgänge, wodurch betrügerische Aktivitäten wie falsche Schadenmeldungen oder manipulierte Reparaturkosten leichter aufgedeckt werden können. Für Versicherer bedeutet das effizientere Abläufe, weniger Betrugsrisiken und geringere Kosten, während Kunden eine deutlich schnellere und verlässlichere Bearbeitung erleben.
Wie können Versicherer trotz dieser Herausforderungen ihre Kosten optimieren?
In dieser herausfordernden Zeit ist Kostenoptimierung entscheidend. Durch den Einsatz digitaler Werkzeuge können Versicherer nicht nur die Bearbeitungszeiten verkürzen, sondern auch die Genauigkeit ihrer Schadensbewertungen erheblich verbessern. Eine zentrale Rolle spielt die Einbindung strukturierter Daten, die es Versicherern ermöglicht, wertvolle Erkenntnisse aus Standardprozessen, aber auch aus vergangenen Kumulereignissen zu gewinnen. Künstliche Intelligenz hilft dabei, Muster in den Daten zu erkennen und Vorhersagen über potenzielle Risiken zu treffen. Dies verbessert nicht nur die präventiven Maßnahmen, sondern sorgt auch dafür, dass Ressourcen effizient eingesetzt werden können. Unternehmen, die diese datengestützten Ansätze verfolgen, werden handlungsfähiger und besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet.
Was glauben Sie, wie wird sich das Schadensmanagement in den nächsten Jahren entwickeln?
Ich bin optimistisch! Die Digitalisierung wird das Schadensmanagement revolutionieren. Versicherer, die jetzt in Technologie investieren, werden nicht nur ihre Prozesse verbessern, sondern auch eine tiefere Verbindung zu ihren Kunden aufbauen. Diese Veränderungen sind bereits spürbar, und ich glaube, dass wir in den kommenden Jahren noch beeindruckendere Fortschritte sehen werden. Die Branche muss sich jetzt mit diesen Themen auseinandersetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – denn die Zukunft wartet nicht.