Thomas Langen: „Für viele Betriebe werden die Staatsgelder der Vergangenheit zum Bumerang“
Die deutschen Kreditversicherer verzeichnen für 2023 einen massiven Anstieg der Zahlungsausfälle bei Unternehmen. Das zeigt eine Hochrechnung des GDV. Die Leistungen der Branche beliefen sich auf über 1,2 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um rund 44 Prozent.
Hintergrund dieser Entwicklung ist die schwierige wirtschaftliche Lage, in der sich Deutschland derzeit befindet, berichtet die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Neben der konjunkturellen Schwäche sieht sie im Fachkräftemangel eine weitere Wachstumsbremse. „Natürlich gibt es diese Probleme überall. Gerade Deutschland ist aber von vielen dieser Faktoren besonders betroffen“, sagt Käfer-Rohrbach. „Jetzt, da Energie dauerhaft teurer sein wird, stehen ganze Wirtschaftszweige, wie etwa die Chemieindustrie, vor großen Herausforderungen.“
Warenkredit- und Kautionsversicherer – mit denen die Versicherer Bürgschaften und Garantien zur Verfügung stellen – decken derzeit Ausfallrisiken deutscher Unternehmen von 587 Milliarden Euro ab. Das sind 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings fiel der Anstieg aufgrund der schwächeren Konjunktur geringer aus.
„Auch in herausfordernden Zeiten wie diesen kann sich insbesondere die exportorientierte deutsche Wirtschaft darauf verlassen, dass ihre Geschäfte abgesichert sind“, sagte der Vorsitzende der GDV-Kommission Kreditversicherung Thomas Langen.
Mit Blick auf die anhaltend hohen Energie- und Materialpreise erwarten die Kreditversicherer für 2024 einen Anstieg der Insolvenzen um rund zehn Prozent, nachdem die Zahl der Firmenpleiten 2023 um 20 bis 25 Prozent auf 17.400 bis 18.200 angezogen haben dürfte.
Die Zahl der Firmenpleiten beschreibe kein Krisenszenario, sagte Langen unter Hinweis auf bis zu 40.000 Insolvenzen in Deutschland zu Beginn des Jahrhunderts. Hochgerechnet auf Basis der ersten drei Quartale 2023 dürften sich für die Kreditversicherer die zu erbringenden Leistungen um rund 44 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro erhöhen, nachdem diese 2022 bereits um 50 Prozent angewachsen waren. Die Beitragseinnahmen sollen 2023 nach der Prognose des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) um 5,0 Prozent auf 2,275 Milliarden Euro anwachsen. Über zu erwartende Prämienerhöhungen wollte sich Langen nicht äußern.
„Nach Jahren sinkender Insolvenzzahlen hat sich der Trend gedreht“, sagt Langen. „Für viele Betriebe werden die Staatsgelder der Vergangenheit zum Bumerang. Die Rückzahlungen der Hilfen und teils verschleppte Anpassungen des Geschäftsmodells führen bei dauerhaft steigenden Zinsen in die finanzielle und wirtschaftliche Sackgasse.“
Die meisten Firmenpleiten zählte die Branche im Baugewerbe, im Dienstleistungssektor und im Handel. Betroffen war aber auch der bislang eher unauffällige Gesundheitssektor. Mehr als 30 Krankenhäuser meldeten nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den vergangenen zwölf Monaten Insolvenz an.
„Krankenhäuser fahren immer häufiger Verluste ein“, beobachtet Käfer-Rohrbach. „Die Ursachen sind auch hier steigende Energie-, Personal- und Materialkosten, bei gleichzeitig sinkender Auslastungsquote. Diese Entwicklung macht mir Sorgen.“ Ob sich die Lage mit der Krankenhausreform verbessert, die zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt, müsse abgewartet werden.
Langen kritisiert in diesem Zusammenhang die von der EU geplante Zahlungsverzugsverordnung. Der entsprechende Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen Rechnungen künftig spätestens nach 30 Tagen begleichen müssen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das durchschnittliche Zahlungsziel bei 32 Tagen, in anderen EU-Ländern zum Teil erheblich darüber. Wer die Frist überschreitet, soll künftig automatisch hohe Strafzinsen zahlen.
In anderen EU-Ländern lägen die Zahlungsziele oft erheblich darüber. Laut Langen sind dies etwa in Belgien 47 Tage und in Frankreich 53 Tage. Besser wäre es, die geltende Zahlungsverzugs-Richtlinie beizubehalten. Ansonsten würden noch mehr Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste drohen.
„Viele Unternehmen stellt das vor erhebliche Liquiditätsprobleme und steigert ihr Insolvenzrisiko“, so Langen. Die Versicherer setzen sich für eine Beibehaltung der geltenden Zahlungsverzugs-Richtlinie ein, die nach Angaben des Verbands flexible und interessengerechte nationale Regelungen ermögliche. Ansonsten drohten noch mehr Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste.
Autor: Manfred Brüss/VW-Redaktion