Sechs Hebel, mit denen Versicherer ihre Transformation meistern

Versicherer sollten die Art und Weise ändern, wie sie an Transformationsprogramme aller Art herangehen (Bildquelle: Geralt/Pixabay)

Die Herausforderungen, denen sich Versicherer in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellen müssen, sind ungewöhnlich groß – aber auch die Chancen und Möglichkeiten, die eine erfolgreiche, umfassende Transformation bieten. Was Unternehmen jetzt tun sollten, um ihren eigenen Wandel für eine erfolgreiche Zukunft voranzutreiben.

Die derzeitige ökonomische Bestandsaufnahme ist ernüchternd. Das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union neigt sich gegen null, die Inflation liegt im Mittel bei zehn Prozent, und die Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine tut ihr Übriges, um die Rezessionswahrscheinlichkeit zu erhöhen.

Zu diesem negativen Makroklima kommen für die Versicherer außergewöhnlich hohe Schadensregulierungen durch extreme und teils katastrophale Umweltereignisse hinzu. Gleichzeitig sind die Erwartungen der Gesellschaft und Kunden groß: Die Branche soll einen umfassenden und nachhaltigen ESG-Ansatz für ihre Produkte, Dienstleistungen sowie den eigenen Betrieb entwickeln und möglichst schnell umsetzen.

Obwohl Versicherer und Banken viel Geld für Transformationsprogramme ausgeben, sind die Ergebnisse bescheiden. Woran liegt das? 2020 investierten die großen europäischen Finanzdienstleister durchschnittlich fünf Prozent ihrer Einnahmen in Transformationsprogramme. Bei mehr als einem Drittel waren es sogar zwischen sechs und acht Prozent. Dennoch liegen die Renditen für die Aktionäre in diesem Sektor nur bei zwei bis drei Prozent pro Jahr gegenüber sieben Prozent in anderen Sektoren. Das Kosten-Ertrags-Verhältnis der 100 größten europäischen Banken liegt derzeit bei 72 Prozent, gegenüber 70 Prozent im Jahr 2000. Und die versicherungstechnischen Gewinne der größten Schaden- und Unfallversicherer haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten nicht wesentlich erhöht.

Es ist daher Zeit für einen neuen Ansatz, wie Versicherungen ihre Transformation angehen. Wir haben sechs Hebel identifiziert, mit deren Hilfe Unternehmen effizienter als bisher ihre Transformationsziele erreichen können. In der Praxis sind diese Hebel voneinander abhängig und sollten idealerweise ganzheitlich betrachtet werden:

Hebel 1 – Kosten: Es empfiehlt sich eine klar definierte kostenorientierte Umgestaltung in drei Kategorien: 1. kurzfristige taktische Schritte, 2. mittelfristige operative Verbesserungen, 3. langfristige strategische Neuausrichtung. Die Vorteile sind beträchtlich: Wenn alle drei Ansätze angewandt werden, können die kumulierten Einsparungen 30 bis 40 Prozent erreichen. Bisher versuchen zu viele Unternehmen allerdings, mit halbherzigen Engagements Kosten einzusparen. Es fehlen oft eine Strategie und relevante Messgrößen.

Hebel 2 – Vertrieb: Diese Einsparungen können genutzt werden, um die Kundenbindung zu verbessern – hier ist die Konzentration auf eine Kundengruppe elementar. Außerdem müssen die Angebote kanalübergreifend angepasst werden. Projekte scheitern oft daran, dass Unternehmen keine ausreichenden Daten für die Entscheidungsfindung haben. Neben der digitalen Transformation, die die Basis für notwendiges Datenmaterial liefert, hilft es hier, eine Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen des Transformationsteams zu verankern.

Hebel 3 – Kapital: Rechnungslegungsstandards, Steuervorschriften und interne Prioritäten müssen verstanden, verwaltet und offengelegt werden. Die Stärkung eines effektiven Bilanzmanagements ist ein idealer Hebel, um höhere Wertschöpfung zu erreichen. Versicherer sollten hier entschlossen handeln, um auf das zu erwartende unbeständige Umfeld zu reagieren und die sich bietenden Chancen zu nutzen.

Hebel 4 – ESG: Die Vorteile einer vollständigen Einbindung von ESG sind breit gefächert. Sie umfassen Möglichkeiten für Prämienwachstum und neue Einnahmequellen, Kostenvorteile, eine verbesserte Risikoselektion und Kapitaleffizienz sowie eine stärkere Arbeitgebermarke. Um diese Potenziale zu nutzen, müssen sich Versicherer in einem breiten Spektrum von ESG-bezogenen Themen engagieren. ESG als reine Complianceangelegenheit zu behandeln, reicht sicherlich nicht aus.

Hebel 5 – Technologie: Die Kundenerwartungen wachsen mit der Nutzung digitaler Dienstleistungen. Eine erfolgreiche digitale Transformation ist deshalb unbedingt erforderlich. Mit ihr können die Versicherer viel zielgenauer auf Probleme und Wünsche der Kunden eingehen. Etablierte Versicherer, die zu lange an veralteten Technologiesystemen festhalten, werden kaum Zukunftschancen haben.

Hebel 6 – Mitarbeiter: 84 Prozent der Mitarbeiter stehen laut unserer Studie der Hybridarbeit positiv gegenüber. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel gilt es, ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben und die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter zu steigern. Hierfür sollten flexible Arbeitszeiten nicht länger als eine reine Frage der Personalpolitik betrachtet werden, sondern das Thema muss ein grundlegender Teil der Geschäftsstrategie werden.

Versicherer sollten in jedem dieser sechs Bereiche neue und bessere Ansätze verfolgen, wenn sie die Erträge aus ihren Ausgaben für Transformationsprogramme maximieren wollen. Das bedeutet, dass sie die Art und Weise ändern müssen, wie sie an Transformationsprogramme aller Art herangehen – sie müssen ihre Transformation transformieren.

Autor: Thomas Kohler, Director bei Strategy& der Strategieberatung von PwC

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

neunzehn + 6 =