Neue Russland-Sanktionen: Westliche Verbündete beschließen Swift-Ausschluss und sperren EU-Luftraum

Russische Banken werden vom Zahlungssystem Swift rausgeworfen. (Quelle: Can Pac Swire /flickr/https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Die Bundesregierung hatte sich lange schwer damit getan, die wohl härteste Sanktion mitzutragen. Nun haben sich am Samstag doch alle westlichen Verbündete darauf geeinigt, bereits sanktionierte russischen Banken von Swift auszuschließen. Einen kompletten Rauswurf soll es bislang nicht geben, damit wohl russisches Erdgas weiter fließt. Was sind die Folgen für deutsche Versicherungstöchter in Russland?

Swift ist die Abkürzung für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“. Die Organisation stellt die technische Infrastruktur, damit Finanzinstitute bei Geldtransfers über Landesgrenzen hinweg sicher miteinander kommunizieren können. Über die Server von Swift, die in Belgien stehen, werden Zahlungen zwischen 11.000 Banken und Finanzdienstleistern in rund 200 Ländern abgewickelt. Täglich werden 42 Millionen Nachrichten übertragen. In der Praxis können nun die russischen Banken das globale Finanzsystem nicht mehr nutzen, sind sie quasi von internationalen Geldströmen ausgeschlossen. Geld aus dem Ausland in das Land transferieren wird jetzt schwieriger, umgekehrt genauso. Das kann Warenströme bremsen, weil Firmen dann nicht mehr in der Lage sind, Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen.

Seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 durch Russland diskutiert der Westen über den Swift-Ausschluss. Auch nach Beginn des Ukraine-Krieges scheuten einige Staaten in Europa, darunter Italien, Ungarn oder Deutschland, dieses Sanktionsschwert einzusetzen – schließlich wird die eigene Wirtschaft auch getroffen. Deshalb haben sich am Samstag die europäischen Verbündeten darauf geeinigt, nur bereits sanktionierte Banken aus Swift auszuschließen. Somit kann Europa die Energieimporte aus Russland weiter bezahlen. Bei einem kompletten Swift-Ausschluss fürchte auch die Bundesregierung, dass Russland seine Gaslieferungen sofort einstellen würde. Darüber hinaus gibt es Überlegungen in Berlin, wie auch mit von Swift ausgeschlossenen russischen Banken im Notfall Zahlungen abgewickelt werden könnten, heißt es in Regierungskreisen. Vor dem Start von Swift 1973 seien schließlich auch internationale Zahlungsströme möglich gewesen.

Welche Banken sind konkret betroffen? Die Staatsbanken Wneschekonombank (VEB) und Promswjasbank (PSB) dürften recht sicher auf der Liste stehen. Die VEB ist das fünftgrößte Geldhaus des Landes und finanziert einen Großteil der Exporte der russischen Industrie. Die PSB wiederum stellt die Mittel für Russlands Militär bereit. Wie wirkungsvoll die Swift-Ausschluss sein wird, hängt davon ab, ob auch die größten Banken des Landes betroffen sein werden, nämlich Sberbank, VTB und die Gazprombank. Gegen die Sberbank und VTB haben zumindest die USA vergangene Woche schon Sanktionen verhängt. Öl-und Gasgeschäfte werden über die Gazprombank abgewickelt, eine Tochterfirma des staatseigenen Energiekonzerns. Die ist von den meisten Sanktionen bisher ausgenommen – und wird es wohl zunächst auch bleiben.

Zudem wurden Sanktionen gegen die russische Zentralbank beschlossen. Das Ziel ist, die internationalen Reserven der Moskauer Notenbank einzufrieren und das Land von den internationalen Devisenmärkten zu isolieren. Möglich ist das, weil offenbar eine größere Menge der Reserven in der Eurozone liegt. Eine Statistik der russischen Zentralbank gibt an, dass sich zwölf Prozent der Devisen- und Goldbestände in Frankreich, 9,5 Prozent in Deutschland und rund sieben Prozent in den USA befänden.

Die Folgen für deutsche Unternehmen und Versicherer in Russland

Insgesamt haben deutsche Unternehmen zurzeit an die 24 Milliarden Euro in Russland direkt investiert: VW, Bosch Siemens Hausgeräte, der Autozulieferer Leoni und viele andere. Viele von ihnen lassen durchblicken, dass sie bei einem Swift-Ausschluss das Russlandgeschäft erst einmal auf Eis legen. Theoretisch könnten Geschäfte sich immer noch über westliche Banken und deren Tochtergesellschaften in Russland abwickeln lassen – falls Russland das zulässt und keine Gegensanktionen in dieser Hinsicht einführt.

Diesen Ansatz können auch deutsche Versicherungstöchter wählen. Das oder ein alternatives Bezahlsystem wäre laut Experten jedoch umständlich und viel teurer. Je nachdem, welche Bank man nun benutzt, werden Überweisungen der Assekuranz-Muttergesellschaften zu den Töchtergesellschaften – und umgekehrt – beeinträchtigt. Das bestätigt die österreichische Uniqa, die laut eigenen Angaben die Nummer eins in der Ukraine ist. In Russland sind die Österreicher mit einem 75%-Anteil an Raiffeisen Life beteiligt. Gemeinsam mit dem Co-Shareholder, der Raiffeisenbank Russland (25%-Anteil), nimmt Uniqa am lokalen Lebensversicherungsmarkt den 15. Platz ein (Marktanteil 1,11%). Uniqa ist sich indes sicher, dass der russische inländische Zahlungsverkehr ohne weitere Auswirkungen weiterhin funktionieren wird. Auch die Vienna Insurance Group (VIG) ist in der Ukraine an der größten Versicherer. Das Unternehmen sorgt sich vor allem um seine 1.400 dort tätigen Mitarbeiter. Rund ein Drittel der Mitarbeiter sind junge Männer, die eingezogen werden könnten.

Laut GDV sind deutsche Versicherer in Russland kaum aktiv. Dennoch sind die großen Player der Branche mit einigen Einheiten in den beiden Konfliktländern vertreten, darunter die Allianz. Der Münchener Konzern unterhält in der Ukraine „in sehr geringem Umfang Schaden-/Unfallversicherung“, ebenso in Russland, wo man zusätzlich noch Krankenpolicen anbietet. Auch die Zurich ist mit einem sehr begrenztes P&C-Engagement in Russland und der Ukraine engagiert. Der Industrieversicherer HDI Global ist mit einer Einheit in Russland vertreten – ohne deutsche Mitarbeiter, in der Ukraine arbeite man lediglich mit einem lokal lizensierten Versicherer zusammen, der im Rahmen von Internationalen Versicherungsprorammen lokale Policen zeichnet. Die Generali ist mit einer Minderheitsbeteiligung an dem russischen Versicherungsunternehmen Ingosstrakh. Die Ergo hat 2018 ihre russische Leben-Tochtergesellschaft an Rosgosstrakh veräußert, gefolgt vom Verkauf ihrer russischen Nicht-Leben Tochtergesellschaft an RESO-Garantia 2019. Demensprechend sind die Düsseldorfer heute noch mit ihrer lokalen Reiseversicherungsgesellschaft (JSC ERV Travel Insurance) im russischen Markt aktiv.

Stürmen Kunden die Banken in Russland?

„Was wir brauchen, ist eine gezielte und funktionale Einschränkung von Swift“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock, die einen Swift-Ausschluss Russlands am Freitagabend noch klar ablehnte. Westliche Verbündete betonen, dass sie mit den Sanktionen nicht die russische Bevölkerung treffen wollen. Allerdings könnte Wladimir Putin erst wohl dann zur Vernunft kommen, wenn die Russen selbst auf der Straße protestieren, weil die Bankautomate kein Geld ausspucken. Ein Mann erzählte der Deutschen Presse-Agentur, dass er am Samstag erst nach längerem Suchen in der Moskauer Innenstadt einen Sberbank-Automaten habe finden können, der 7500 Rubel (rund 80 Euro) auswarf. Auch weitere Menschen in Russland berichteten von solchen Problemen. Am Freitag hatten mehrere große russische Banken – darunter auch die Sberbank und die VTB Bank – den Russen in einer gemeinsamen Mitteilung versichert, dass es nicht zu Problemen beim Abheben von Bargeld kommen werde.

Nach der Swift-Entscheidung dürften nun noch mehr Kunden verunsichert sein und die Automaten und Bankschalter stürmen, um sich mit Bargeld zu versorgen. Keine Bank kann all die bei ihr auf Konten gehaltenen Guthaben kurzfristig in Bargeld auszahlen. Russische Bürger werden somit spätestens im Supermarkt, in der Bank und am Rubel-Kurs mit den Folgen des Ukraine-Krieges konfrontiert. Denn in den russischen Staatsmedien dürfen die Geschehnisse nicht als „Krieg“ bezeichnet werden. Laut der offiziellen Sprachregelung des Kremls handelt es sich um eine „Sonderoperation zum Schutz der DNR und LNR“, der selbst ernannten prorussischen „Volksrepubliken“.

Versicherung im Schwarzmeer wird teurer

Einige Versicherer haben die Kosten für die Deckung von Handelsschiffen im Schwarzen Meer erhöht und damit die Tarife für den Warentransport durch die Region für Schiffe, die nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine noch fahren wollen, in die Höhe getrieben. Schiffseigner zahlen eine jährliche Kriegsrisikoversicherung sowie eine zusätzliche Prämie für die Einfahrt in Hochrisikogebiete. Diese separaten Prämien werden auf der Grundlage des Wertes des Schiffes bzw. des Schiffskörpers für einen Zeitraum von sieben Tagen berechnet. Die Schiffsversicherer haben den zusätzlichen Prämiensatz für sieben Tage mit 1 % bis 2 % und bis zu 5 % der Versicherungskosten beziffert. Am Montag vor Beginn der russischen Invasion lag der Satz noch bei schätzungsweise 0,025 %, wie aus Quellen der Seeversicherung hervorgeht. Dies würde je nach Zielort zusätzliche Kosten von Hunderttausenden von Dollar für eine Schiffsreise bedeuten.

Moskaus Kriegsschiffe fahren derzeit durch die Dardanellen, das Marmarameer und den Bosporus hinauf ins Schwarze Meer oder auf umgekehrtem Weg hinunter ins Mittelmeer. Die Türkei droht nur bislang dem Kreml, dass seine Kriegsschiffe nicht mehr durch die Meerengen von Bosporus und Dardanellen fahren dürfen. Laut Vertrag von Montreux können Flotten im Krieg liegender Anrainer nicht durch die Meerenge. Die Türkei hadert noch damit, ob die Invasion in der Ukraine, völkerrechtlich als „Krieg“ zu bezeichnen.

EU-Luftraum für alle russischen Flugzeuge gesperrt

Der Luftraum über den EU-Staaten wird für russische Flieger komplett geschlossen. Das haben die EU-Außenminister am Sonntag-Abend entschieden. Zuvor hatten bereits mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, Polen und die baltischen Länder, ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte in der Nacht zu Sonntag mitgeteilt, dass er eine entsprechende Schließung befürworte und habe ordnete an, alles dafür vorzubereiten.

Die Maßnahme trat einige Stunden darauf in Kraft. Nun dürfen russische Flugzeuge nur noch in wenigen Ausnahmen, etwa für humanitäre Zwecke, den deutschen Luftraum nutzen, wie aus Angaben der Luftsicherheitsorganisation Eurocontrol hervorgeht. Russland kündigte daraufhin an, Maschinen aus den jeweiligen Ländern ebenfalls nicht mehr in den russischen Luftraum fliegen zu lassen. Fluggesellschaften wie die Lufthansa oder die niederländische KLM meiden bereits den russischen Luftraum.

Autor: VW-Redaktion

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