Ist die Rente noch sicher?

Viele Regierungen haben Rentenreformen durchgeführt, um die umlagefinanzierten Systeme auszugleichen. Quelle: Free-Photos auf Pixabay

Wenn wir lange leben und dabei in Wohlstand leben wollen, müssen sich nicht nur die Arbeitsplätze, die Gesundheitssysteme und die Einstellung der Gesellschaft zum Altern ändern, sondern auch die Altersversorgung. Weltweit gibt es drei Hauptoptionen: das umlagefinanzierte System ohne Kapitaldeckung, das kapitalgedeckte leistungsorientierte System und das kapitalgedeckte beitragsorientierte System. Eine Analyse möglicher Reformoptionen.

Das weltweit am weitesten verbreitete System der öffentlichen Altersversorgung ist das Umlageverfahren. Dies ist Teil des Bismarckschen Vermächtnisses, da umlagefinanzierte Sozialversicherungssysteme nach ihrer Einführung im 19. Jahrhundert in Deutschland allgemein üblich waren und in den meisten entwickelten Volkswirtschaften nahezu unverändert geblieben sind. Im Rahmen des Umlagesystems finanzieren die Beiträge der derzeitigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Leistungen, die an die Rentner gezahlt werden.

Die versicherungsmathematische Begründung für das Umlagesystem beruhte auf der Annahme einer kontinuierlich wachsenden Bevölkerung, bei der Haushalte im Durchschnitt mehr als zwei Kinder bekommen. Unter dieser Prämisse wäre sichergestellt, dass die Zahl der Steuerzahler die der Rentner übersteigt. Darüber hinaus zeigte Samuelson (1958), dass, wenn das reale Einkommenswachstum weiterhin über den langfristigen Zinssätzen liegt, jede Generation im Prinzip mehr Geld in Form von Renten über ein Umlagesystem erhalten würde, als sie während ihrer Arbeitsjahre an Beiträgen gezahlt hat.

Dazu braucht die Gesellschaft einen stetigen technischen Fortschritt und/oder ein beständiges Bevölkerungswachstum mit einer übermäßigen Kapitalakkumulation. Wie wir wissen, hat sich die Demografie entgegen dieser Annahme entwickelt, sodass die Finanzierung der umlagefinanzierten Systeme einfach zu teuer oder die Auszahlungen zu gering sind, um davon leben zu können. Allein durch die schrumpfende Zahl der Steuerzahler werden die staatlichen Rentenausgaben in der Eurozone in den nächsten 30 Jahren um durchschnittlich 7,6 Prozent des BIP steigen und bis 2050 sogar 20 Prozent des gesamten BIP einnehmen. Dies wäre vor allem für Länder, die bereits eine hohe Schuldenlast haben, eine enorme haushaltspolitische Herausforderung.

Kapitalgedeckte leistungsorientierte Systeme (DB), die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden, leiten die Ersparnisse in ein kollektiv verwaltetes Anlageportfolio, um die künftigen Alterseinkünfte zu finanzieren. Obwohl die Renten kapitalgedeckt sind und angespart werden, enthält dieses Modell auch ein Element des sozialen Umlageverfahrens. Das angesparte und in Form von Vermögenspools eingezahlte Kapital von Teilnehmern, die jung sterben, wird anderen Mitgliedern, die ein hohes Alter erreichen, ausgezahlt.

Für diese Systeme wird es allerdings zunehmend schwieriger, einen vollständig kapitalgedeckten Status zu erreichen, bei dem die Vermögenswerte die gegenwärtigen und erwarteten Verbindlichkeiten abdecken können. Dies ist hauptsächlich auf die anhaltend niedrigen Zinssätze, die als Abzinsungssätze den Wert der projizierten Verbindlichkeiten erhöhen sowie auf die langfristigen geringeren Renditen zurückzuführen. Ähnlich wie beim Szenario ohne Kapitaldeckung oder bei Umlageverfahren werden kapitalgedeckte leistungsorientierte DB-Systeme nicht durch das abnehmende Sozialkapital begünstigt: Jüngere Mitglieder sind weniger bereit, diejenigen zu unterstützen, die kurz vor oder im Ruhestand sind, da sie wissen, dass dem System im Alter weniger Menschen beitreten.

Australier zahlen auf Super-Konten ein

Viele Regierungen haben Rentenreformen durchgeführt, um die umlagefinanzierten Systeme auszugleichen. Dies hat zur Folge, dass durch die Einschränkung der Frühverrentung, Kürzung der Leistungen, Erhöhung der Rentensteuern und Anhebung des Renteneintrittsalters die Rentensysteme weitaus weniger großzügig ausfallen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist eine angemessene Maßnahme, da es seit mehr als einem Jahrhundert auf 65 Jahre festgelegt ist, während die Lebenserwartung gleichzeitig um fast 50 Jahre gestiegen ist – und dank des Fortschritts im Gesundheitswesen weiter steigt. Die Streiks zur französischen Rentenreform 2019–20 zeigen jedoch, dass solche Änderungen für die Mittelschicht nur schwer hinnehmbar sind und für jeden Politiker, der sie vorschlägt, politischen Selbstmord bedeuten könnte.

Um die niedrigeren umlagefinanzierten staatlichen Renten auszugleichen, haben die Regierungen das steuerfreie Sparen in beitragsorientierten Systemen organisiert, bei denen jede Person über ein individuelles Konto explizit für den Ruhestand spart. Diese Systeme haben Anreize für privates Rentensparen geschaffen, wie die empirischen Daten bestätigen, und können die umlagefinanzierte staatliche Rente ergänzen oder sogar ganz ersetzen.

Einige Unternehmen beenden inzwischen kapitalgedeckte leistungsorientierte DB-Systeme für Neuzugänge und öffnen stattdessen beitragsorientierte DC-Pläne für ihre Mitarbeiter. Das australische Rentensystem in Höhe von zwei Billionen USD besteht beispielsweise fast vollständig aus beitragsorientierten DC-Fonds, nachdem Anfang der 1990er-Jahre gesetzlich festgelegt wurde, dass jeder Arbeitnehmer einen Teil seines Gehalts auf sein „Super“-Konto einzahlen muss.

Bei einem beitragsorientierten DC-System werden die Sparer steuerlich dazu angehalten, Geld auf einem separaten Rentenkonto zurückzulegen, das in ihrem Namen von einem Finanzinstitut investiert wird. Bei Erreichen des Rentenalters haben die Menschen die Wahl, ihre Ersparnisse in eine von einer privaten Lebensversicherungsgesellschaft angebotene jährliche Rente umzuwandeln oder den gesamten Betrag als Pauschalbetrag oder eine Kombination aus beidem zu erhalten.

In den letzten 20 Jahren ist das verwaltete Vermögen in beitragsorientierten DC-Systemen um etwa 8 Prozent pro Jahr gestiegen. Längst hat es sich zum vorherrschenden globalen Modell für Rentensparen entwickelt, wobei leistungsorientierte DB-Systeme in einigen Ländern als zweites Standbein neben den staatlich bezahlten Umlagesystemen dienen. Diese Verlagerung der Verantwortung vom Kollektiv auf den Einzelnen ist eine klare Wachstumschance für Vermögensverwalter, Vermögensberater und Finanzvermittler. Regierungen, die die Verantwortung für die Altersvorsorge auf den Einzelnen übertragen möchten, sollten universelle Lernmöglichkeiten für den Umgang mit persönlichen Finanzen bieten.

Für Vermögensverwalter und Vermögensberater bringt die Umstellung auf beitragsorientierte DC-Systeme eine Fülle von Kunden hervor, die eine langfristige Beratung und Verwaltung ihrer Renten benötigen. Wenn der Staat die Verantwortung für die Altersvorsorge tatsächlich auf den Einzelnen verlagern will, ist es sinnvoll, dass eine allgemeine Aufklärung über persönliche Finanzen verpflichtend wird – und sogar schon in den Schulen beginnt. Andernfalls könnte die „Sparschwemme“, wie Bernanke sie nennt, fortbestehen. Oder sie könnte in 40 Jahren zu einem Rentenabgrund werden, mit katastrophalen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. China ist ein Beispiel für ein Land, das sich auf die Alterung seiner Bevölkerung aktiv vorbereitet. Nach Angaben der WHO werden künftig 28 Prozent der Chinesen 60 Jahre oder älter sein – heute sind es zehn Prozent. Damit ist China eine der am schnellsten alternden Bevölkerungen der Welt.

Schon jetzt gibt es in China mehr als 44 Millionen behinderte oder teilweise behinderte ältere Menschen, die eine große Zahl engagierter Mitarbeiter im Gesundheitswesen benötigen. Bis zum Jahr 2050 wird China etwa 32 Millionen Pflegekräfte benötigen, derzeit gibt es allerdings weniger als 300.000 qualifizierte Altenpflegerinnen und -pfleger. Angesichts dieser Herausforderungen hat die Regierung in ihrem 14. Fünfjahresplan für die Jahre 2021 bis 2025 mehrere Maßnahmen zum gesunden Altern skizziert.

Die Regierung wird den Geltungsbereich der von den Provinzregierungen verwalteten staatlichen Grundrentenversicherung weiter ausdehnen, das Wachstum des Sektors der betrieblichen und privaten Altersvorsorge fördern und das gesetzliche Renteneintrittsalter heraufsetzen. Das Rentensystem wird allgemein flexibler werden, um mehr älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, am Erwerbsleben teilzunehmen und je nach Gesundheit, Fähigkeiten und Bedürfnissen in unterschiedlichen Altersstufen in Rente zu gehen. Familien dürfen drei statt zwei Kinder haben, und die Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege wird ausgeweitet, um Qualifikationen zu fördern und arbeitslose Jugendliche und Rentner für diesen Bereich zu gewinnen.

Zwangsverrentung abschaffen

Die große demografische Schrumpfung wird nicht nur dazu führen, dass die Unternehmen härter um jüngere Mitarbeiter konkurrieren, sondern auch dazu, dass sie ihre Einstellungen, Einrichtungen und Qualifizierungsprogramme ändern, um ältere Mitarbeiter zu halten. Der Kampf gegen die Altersdiskriminierung ist nicht nur ein politischer, sondern auch ein pragmatischer für Unternehmen, die auf die Abschaffung der Zwangsverrentung drängen oder sich um Flexibilität in Bezug auf das Rentenalter bemühen müssen. Das Ausmaß, in dem ein Unternehmen ältere Talente in seine Belegschaft einbezieht, ist auch einer von vielen sozialen Faktoren, die von Investoren bewertet werden, die sich Geschäftspraktiken oder ESG-Überlegungen zu Herzen nehmen.

Autor: Henk Grootveld, Head of Trends Investing bei Lombard Odier Investment Managers