Tipps von Microsoft: Wie Versicherer mithilfe von KI die Beziehung zu den Versicherten neu erfinden

Wie können Versicherer von künstlicher Intelligenz profitieren?. Quelle: Bild von Comfreak auf Pixabay.

Smarte Bots statt Warteschleifen: Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können Versicherungen individuelle Kundenerlebnisse am Hörer schaffen und sich damit einen klaren Wettbewerbsvorteil sichern. Ein Gastbeitrag von Malte Kosub und Manuel Holzhauer.

Wählen Sie die Drei auf Ihrem Telefon oder bleiben Sie in der Leitung“ – automatische Ansagen wie diese sind allen vertraut, die schon einmal bei ihrer Versicherung angerufen haben. Gerade in der Corona-Pandemie liefen die Leitungen heiß. Die Beschäftigten in den Call-Centern arbeiteten auf Hochtouren, während Ratsuchende sich für jedwede Anfrage via Tonwahlverfahren (Touch Tone) durch Zahlenmenüs tippten. Warteschleifen-Melodien, Touch-Tone-Menüs sowie interaktive Voice-Response-Calls (IVR), bei denen die Anrufenden über das Telefon teil- oder vollautomatisierte Dialoge führen, sind noch immer prägend für den Service der Branche. Dabei haben sich die Erwartungen der Versicherten in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt.

Vom Einkauf über Mobilität bis hin zu Banking und Gesundheitsfragen: Die „Non-Stop-Verfügbarkeit“ von Waren und Dienstleistungen setzt sich in immer mehr Lebensbereichen durch. Auch bei ihren Versicherungen erwarten Kund*innen daher einen schnellen, reibungslosen Kundenservice, der 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche erreichbar ist. So wie sie es auch von den verschiedensten Apps auf ihrem Smartphone kennen. Technologien wie Künstliche Intelligenz können dabei eine wichtige Rolle spielen. Sie ermöglichen völlig neue Formen der Interaktion und Kommunikation. Ein Beispiel dafür liefert Conversational AI – so wird eine Technologie bezeichnet, die in der Lage ist, natürliche Sprache zu verstehen, sie zu interpretieren und Antworten zu formulieren.

Smarte Dialogsysteme für effiziente Betreuung

Conversational AI erlaubt den Aufbau smarter Dialogsysteme. Diese begnügen sich nicht mit dem Abspielen vorgefertigter Frage-Antwort-Schemata, sondern ermöglichen durch den Einsatz von Telefon-Bots eine echte Konversation. Anrufende können sich also mit den Bots unterhalten wie mit einem echten Menschen. Statt Zeit in Warteschleifen zu verbringen oder sich durch Zahlenmenüs zu tippen, können Ratsuchende sich direkt mit dem Telefon-Bot austauschen – rund um die Uhr und in vielen Fällen mit einer direkten Auskunft der KI. Das Ergebnis sind hochgradig individualisierte, personalisierte Anruferlebnisse, mit denen die Versicherungen einen wichtigen Beitrag zur Kundenzufriedenheit leisten. Zugleich helfen KI und Telefon-Bot dabei, die Effizienz der Kundenbetreuung zu verbessern. Besonders durch das Abgeben von Routine-Aufgaben an den Bot erhalten menschliche Service-Fachkräfte die zeitlichen Kapazitäten, sich auf die komplexeren Fälle konzentrieren.

Eine Zahl macht den Umfang der möglichen Entlastungen deutlich. So entfallen bei einer konservativen Schätzung laut Berechnungen von Parloa rund 90 Millionen Minuten pro Tag in den Call-Centern in den USA und in Europa auf die Durchführung repetitiver Aufgaben – seien es die Authentifizierung der jeweiligen Kund*innen oder das Erkennen und Verstehen ihrer Anliegen. Das entspricht in der Summe 171 Jahren, die die Call-Center-Beschäftigten immer wieder das Gleiche tun.  Von Conversational AI gestützte Telefon-Bots können einen Großteil dieser Anfragen übernehmen, zum Beispiel auch in Spitzenlastzeiten oder zu einem Kumulschaden-Ereignis, während sich die Agent*innen aus Fleisch und Blut um die wirklich wichtigen und komplexen Themen der Versicherten kümmern. Vergleichbare Technologien lassen sich darüber hinaus auch zum Erkennen von Betrugsversuchen, bei der Schadensregulierung oder den Onboarding-Diensten für Kund*innen zum Einsatz bringen. So können bislang papierbasierte Prozesse – wenn auch nicht gänzlich – deutlich vereinfacht werden, indem die KI-gestützte Technologie das Ausfüllen der Formulare übernimmt und die Kund*innen nur noch ihre Unterschrift ergänzen müssen.

Digitales Update für die Schnittstelle zu den Kund*innen

Versicherern, denen es gelingt, die Erwartungen ihrer Kund*innen zu erfüllen, erarbeiten sich damit einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil in einem immer stärker umkämpften Umfeld, in dem zunehmend auch branchenfremde, datengetriebene Herausforderer auf den Plan treten. Für Versicherungen bedeutet das nicht das Ende des Call-Centers – ganz im Gegenteil. Doch es braucht ein digitales Update, um die direkte Schnittstelle zu den Kund*innen fit für die Zukunft zu machen.  Und die Bereitschaft von Versicherten, sich mit einem Bot zu unterhalten, ist groß: Dem Risiko-Report der Ergo zufolge würden sogar 62 Prozent der Befragten, Sprachassistenten am Telefon bevorzugen. Die ERGO oder auch Versicherer wie Swiss Life machen es daher bereits vor. Mithilfe der Conversational AI-Plattform des Berliner Start-ups Parloa automatisieren sie erfolgreich ihre Telefonie: Parloa stellt seinen Dienst DSGVO-konform als Software-as-a-Service oder auch zum Hosting in der eigenen IT-Infrastruktur von Unternehmen bereit. Die Ergo nutzt die Lösung für verschiedene seiner Hotlines, zum Teil auch international. Im Fall der Ergo ergeben sich bei den Gesprächen von Bot–Mensch Dialoge, die nach eigenen Angaben zehn oder mehr Interaktionen umfassen.

Durch den Echtzeit-Zugriff auf die Backend-Systeme lassen sich dabei auch Informationen zu den jeweiligen Versicherten in die Dialoge mit einbauen. Umgekehrt können die Anrufenden kontextuelle Informationen wie beispielsweise ihre Versicherungsnummer oder das Geburtsdatum mit dem Bot teilen. Die virtuellen Assistenten sind in der Lage, diese Daten weiterzuverarbeiten, abzugleichen, Antworten auf gestellte Fragen zu formulieren oder im Bedarfsfall doch an die thematisch passenden Expert*innen persönlich zu verbinden. Diese wiederum müssen nicht erst sämtliche Informationen erneut abgleichen, sondern werden durch den Bot bereits vollumfänglich informiert. Dabei muss der Einsatz von Conversational AI nicht als IT-Großprojekt daherkommen. Der technologische Fortschritt bietet besonders durch die Cloud-Technologie inzwischen sehr viel einfachere Möglichkeiten. Parloa selbst nutzt beispielsweise die Azure Cognitive Services von Microsoft – eine Sammlung von Algorithmen und Schnittstellen – um seinen Bots das Sehen, Hören und Sprechen beizubringen.

Mit der zunehmenden Abhängigkeit von Vergleichsplattformen und diversen digitalen Vermittlern schwindet ihre Wahrnehmung und Einzigartigkeit aus Sicht der Versicherten. Individuelle schnelle Services, die KI nutzen, schaffen hierzu ein Gegengewicht. Der Bot am Telefon ist dabei nur der Einstieg in eine sehr viel umfassendere Transformation, da sich die Technologie auch mit sämtlichen anderen digitalen Kanälen vernetzen lässt – seien es Chat- und Messenger-Dienste oder auch Heim- und Sprachassistenten. Das Ergebnis sind zufriedenere Kund*innen, eine völlig neu gestaltete 24/7-Customer-Experience, Service-Beschäftigte, die sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren können, und eine interne Organisation, die dank der Vernetzung sämtlicher Informationen stets einen 360-Grad-Blick auf ihre Versicherten behält. In Zahlen lassen sich so nach den Berechnungen von Parloa allein in der Versicherungsbranche 26 Millionen Minuten im Customer Service einsparen – täglich. Automatische Ansagen, die Sie auffordern, eine bestimmte Taste zu drücken, könnten also schon bald der Vergangenheit angehören. Für die Versicherungen und Versicherten wäre es ein wichtiger Schritt in die digitale Zukunft.

Autoren: Malte Kosub, Gründer und Geschäftsführer Parloa, und Manuel Holzhauer, Insurance Industry Executive Microsoft Deutschland

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