Olympia-Gastgeber Tokio verhängt den Corona-Notstand

Die japanische Hauptstadt Tokio blieb vom Neujahrsbeben auf der Hauptinsel Honshu verschont. Quelle: Bild von David Mark auf Pixabay
In rund zwei Wochen beginnen die Olympischen Sommerspiele in Tokio – allerdings ganz ohne Zuschauer. Die japanische Regierung hat angesichts erneut steigender Infektionszahlen den Corona-Notstand ausgerufen, der bis 22. August gelten soll. Doch was könnte dies für die Versicherer bedeuten?
Mit dem Notstand will die Regierung des ostasiatischen Landes verhindern, dass Restaurants und Bars Alkohol ausschenken. Auch das Singen von Karaoke soll unterbunden werden, um eine Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen. Die Bürger sollen möglichst zu Hause bleiben. Viele Japaner fürchten allerdings laut ZDF, dass die Spiele zu einem Superspreader-Event werden könnten. Die japanischen Organisatoren und das Internationale Olympische Komitee (IOC) betonten bisher immer, dass alles „sicher“ ablaufen werde.
Zur Eindämmung des Virus werde daher auch kein einheimisches Publikum zugelassen, teilte Olympiaministerin Tamayo Marukawa mit. Darauf hätten sich die Organisatoren verständigt. Zuschauer aus dem Ausland waren schon vor einiger Zeit ausgeschlossen worden.
Sorgen bereitet den Experten vor allem, dass Virusmutationen mittlerweile für 90 Prozent der Ansteckungen verantwortlich sind. Kein Wunder, dass die Begeisterung der Japaner für die olympische Idee sich längst in offenen Widerstand gegen die Spiele verwandelt. 40 von 500 kleineren Städten, die eigentlich Trainings-Camps und Kulturprogramme für Athleten beherbergen sollten, haben bereits ihr diesbezügliches Commitment zurückgezogen. Ein Achtel der 80.000 freiwilligen Helfer ist bereits wieder abgesprungen.
Erst vor kurzem hatte die japanische Regierung rund 10.000 Zuschauer für die Spiele zugelassen. Die Erlaubnis kam auch wohl auf Druck der Sponsoren zustande. Schließlich haben sie nicht für eine Geisterveranstaltung ohne Publikum und mit recht wenigen Athleten bezahlt. Lieber hätten sie ein weiteres Verschieben der Sommerspiele, welches aber aus logistischen Gründen nicht möglich ist. Neben den Milliardeneinnahmen geht es um mögliche Regresszahlungen, falls die Spiele tatsächlich noch abgesagt werden.
Laut Zeitungsberichten hat Japan bereits 15,4 Mrd. Dollar an Infrastrukturkosten aufgewendet und erwarteten Einnahmen am Konsum von Reisenden und Einheimischen in Höhe von 4,5 Mrd. Dollar. Bei einer Absage müssten 3,3 Mrd. Dollar an Sponsoren rückerstattet werden und weitere 1,3 Mrd. an das IOC, davon 0,8 Mrd. Dollar aus TV-Rechten und 0,5 Mrd. Dollar aus vorausbezahlten Sponsorengeldern – beides freiwillige übervertragliche Leistungen des IOC. Eine erneute Verschiebung würde einerseits die Bezeichnung als 2020er-Olympiade leicht absurd erscheinen lassen, andererseits auch daran scheitern, dass die 5.632 Wohnungen im olympischen Dorf in Kürze von den Erwerbern bezogen werden sollen. Bereits jetzt klagen Dutzende von Erwerbern auf Schadenersatz wegen der verzögerten Bezugsmöglichkeit.
Gemäß der Investmentbank Jeffries soll die Versicherungsdeckung der 2020er Sommerolympiade zwei Mrd. US-Dollar betragen. Hinzu kämen jedoch noch 0,6 Mrd. Dollar für Hospitality Events, des Weiteren Deckungen für einzelne nationale olympische Kommitees und Fernsehsender. Dies alles mag sich auf vielleicht fünf Mrd. Dollar an Exponierungen aus einem einzigen Event aggregieren. Die Nachrichtenagentur Reuters beziffert das Exposure der Munich Re auf 500 Mio. Dollar, das von Swiss Re auf 250 Mio. Dollar. Erhebliche Anteile sollen auch bei Lloyd’s-Syndikaten sowie bei Liberty Mutual liegen. Unklar ist, in welchem Umfang die einzelnen Risikoträger den drohenden Schaden bereits in ihren 2020er Bilanzen passivierten bzw. wie stark sie sich noch von Optimismus leiten ließen.
Autor: VW-Redaktion und Philipp Thomas
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