Nui-Care-Chef Markus C. Müller: „Nur skalierbarere Lösungen können die Pflege-Herausforderung lösen“

Markus C. Mueller, vom Unternehmer zum Europa-Chef Blackberry und zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter. © Adrian Moser.

Die alternde Gesellschaft sorgt für eine Pflegekostenexplosion. Neben den Kosten ist das Thema Selbstbestimmung zentral, denn wer will nicht so lange wie möglich selbstbestimmt leben. Das Unternehmen Nui Care unterstützt Menschen mit digitalen Lösungen dabei und hat mit seinem Angebot bereits den „Nischen“-Versicherer Allianz überzeugt. Im Interview erklärt Gründer Markus C. Müller den Weg des Unternehmens und die Zukunft von Apps als Pflegehelfer und warum Sinn Geld schlägt.

VWheute: Herr Müller, sie waren der Blackberry-Europachef, haben sich dann zum Sterbebegleiter ausbilden lassen und haben jetzt Nui Care gegründet. Ein ungewöhnlicher Weg, was waren ihre Beweggründe?

Markus Müller: Auf meinem Weg habe ich irgendwann gemerkt, dass mich mehr Erfolg, Geld und Anerkennung nicht wirklich glücklich machen – sondern, dass ich nach einer sinnvollen Tätigkeit suche, die mich erfüllt und mir persönlich wichtig ist.

Als ich dann einen Erfahrungsbericht eines Hospizbegleiters gelesen habe, hat mich das Thema so berührt, dass ich dem weiter nachgegangen bin – und gemerkt habe, dass ich mich dafür begeistern kann, Menschen am Ende ihres Lebens zu begleiten. Daraus hat sich dann die Gründung der Nui Care GmbH ergeben, weil ich erlebt habe, wie Pflegende Angehörige unter der Pflegesituation leiden und dachte: da kann ich doch meine digitale Erfahrung und Kompetenz gut einbringen, um denen zu helfen.

VWheute: Bei Pflegeproblemen denken wohl wenige zuerst an Apps und Versicherer. Zum letztgenannten kommen wir gleich, was können Apps in der Pflege leisten, insbesondere Ihre eigene.

Markus Müller: Apps bzw. digitale Lösungen können viel leisten in der Pflege. Wir kümmern uns speziell um die Herausforderungen, mit denen Pflegende Angehörige zu tun haben. Die kommen ja oft völlig unerwartet in die Pflege-Situation und müssen sich neben vielen Informationen auch um die Organisation der Pflege zu Hause kümmern. Dabei hilft die Nui App  – die übrigens auch über den Web-Browser auf dem Desktop zugänglich ist.

VWheute: Wie lösen Sie die Problemfelder Bedienbarkeit und Datenschutz?

Markus Müller: Beide Themenfelder stehen bei uns stark im Fokus. Bei der Bedienbarkeit investieren wir viel Zeit in Tests mit Nutzern und dem intuitiven Design der Bedienoberfläche. Die digitale Lösung muss ohne Schulung oder „Bedienungsanleitung“ zu nutzen sein.

Auch der Datenschutz ist ein zentraler Punkt unserer Arbeit. Gerade beim Thema Gesundheit und Pflege legen die Nutzer zu Recht viel Wert auf Vertraulichkeit. Wir haben neben einem Datenschutzbeauftragten auch eine auf Datenschutz spezialisierte Kanzlei, die uns bei allen unseren Entwicklungsschritten betreut. Außerdem versprechen wir dem Nutzer, dass wir seine Daten nicht weitergeben.

VWheute: Wird der „Pflegeunterstützungsmarkt“ in Zukunft technischer, welche Entwicklungen sehen Sie, wird der Markt wachsen?

Markus Müller: Der Markt muss technischer werden – ganz einfach, weil nur skalierbarere Lösungen die künftige Herausforderung Pflege lösen können. Die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt ständig – gleichzeitig nimmt aber die Zahl der Pflegenden nicht proportional zu. Damit entsteht eine Lücke, die Digitalisierung gut schließen kann. Dann können sich die Pflegenden nämlich auf die Dinge konzentrieren, die ein Mensch besser kann als ein Computer: Empathisch mit den Pflegebedürftigen umgehen und zu speziellen Einzelfällen beraten. Bei einer klassischen Pflege-Erst-Beratung z.B. werden oft dieselben Fragen immer und immer wieder gleich erklärt. Das kann ein Chat-Bot sogar besser, weil der zentral qualitätsgesichert ist und immer auf dem neuesten Stand. Auch der Informationsaustausch unter den Beteiligten läuft digital wesentlich besser als nur per Telefon oder gelben Zettel an der Kühlschranktüre.

Wir stehen da gerade erst ganz am Anfang und auch die Nutzer wagen sich an die digitalen Lösungen erst zögerlich. Umso mehr sind Anbieter wie Nui Care gefragt, dem Nutzer den Einstieg so einfach wie möglich zu machen – z.B. wie oben geschildert bei der Bedienbarkeit.

VWheute: Sie arbeiten mit der Allianz zusammen, welche Lösungen bieten Sie den Kunden?

Markus Müller: Die Allianz Private Krankenversicherung hat die Herausforderungen der Pflegenden Angehörigen erkannt und sieht dabei gleichzeitig dasselbe Potenzial wie wir in digitalen Lösungen. Wenn der Pflegebedürftige bei der Allianz kranken-/pflegeversichert ist, kann er und seine Angehörigen die Nui-Lösung kostenlos nutzen.

VWheute: Werden Sie auch künftig mit Versicherern zusammenarbeiten, ist bereits etwas geplant?

Markus Müller: Durch das DVPMG (Digitale Versorgung und Pflege – Modernisierungs-Gesetz) werden künftig ja sogenannte DiPAs (Digitale Pflege-Anwendungen) von den Pflegekassen erstattet. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, da wir als Hersteller so nicht mit jedem Versicherer eine individuelle Vereinbarung treffen müssen, sondern unsere Lösung von allen Pflegekassen erstattet wird, sobald wir als offizielle DiPA registriert sind. Wir planen trotzdem, künftig intensiv und vermehrt mit Versicherungen zu kooperieren, um unsere Pflegeunterstützungslösung auch pro-aktiv in den Markt zu tragen. Durch die aktive Unterstützung der Pflegenden Angehörigen kann der Pflegebedürftige evtl. länger zu Hause bleiben – und evtl. Folgeerkrankungen, ausgelöst durch den Stress der Pflegesituation, beim Pflegenden Angehörigen können vermindert werden.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

Zum Unternehmen: Die Nui Care GmbH wurde im Dezember 2018 von Markus C. Müller und Christian Ehl gegründet, um pflegende Angehörige auf der gesamten Pflegereise digital zu unterstützen. Das Unternehmen, mit Sitz in München, hat inzwischen 17 Mitarbeiter.