Rückwirkende Leistungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung anhand von Praxisfällen

Frank Dietrich, Fachmakler. Quelle: privat.

Die Rechtsprechung ist eindeutig, das Verhalten vieler Versicherer gegenüber dem Versicherten nicht, erklärt der Fachmakler Frank Dietrich in seinem Gastbeitrag zur Berufsunfähigkeitsversicherung anhand zweier Leistungsfälle.

In Bestand eines Kollegen, der mich um Beurteilung eines Vorgangs um Rat fragte, hatte ein Mandant zwei Verträge gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit abgeschlossen.

Viele Jahre später traten Erkrankungen aus dem Formenkreis der F-Diagnosen ein (Anmerkung der Redaktion: psychische Krankheitsbilder). Einer der beiden Versicherer reagierte sofort auf das Gutachten, resultierend aus einer stationären Behandlung. Er trat in die Leistungspflicht ein. Begrüßenswert aber bei F-Diagnosen leider noch immer sehr ungewöhnlich.

Diagnosen dieser Art sind für Versicherer schwer greifbar, noch schwerer ist es, aus einem derart begründeten Leistungsfall wieder herauszukommen. Viele Anbieter scheinen sich dazu entschlossen zu haben, bei diesen Krankheitsbildern auf die Verzögerungstaktik zu setzen und, sofern ein Vergleich vom Erkrankten nicht angenommen wird, vor Gericht zu ziehen.  Mürbemachen nennt man diese Taktik.

Befristetes Anerkenntnis

Oftmals findet man ein so genanntes befristetes Anerkenntnis, meistens in die Form einer wohlwollenden Vereinbarung gekleidet.  Der Versicherer teilt mit, dass er sich noch nicht entscheiden kann und bietet für eine vorübergehende Zeit die Leistung an. 

Vorsicht!  Bei dieser Vorgehensweise, die vertriebsmäßig als positiv bewertet wird, verschiebt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit. Die bedingungsgemäße Fiktion der Berufsunfähigkeit nach sechs Monaten wird zum Nachteil des Versicherten umgangen. 

Ist während der Befristung eine Besserung eingetreten, bekommt der Versicherte meist nichts, obwohl sich eigentlich der Versicherer im Nachprüfungsverfahren befindet und die Besserung beweisen muss. Der Vorteil einer solchen Vereinbarung, wenn man überhaupt davon sprechen kann, liegt nur darin, dass die versicherte Person erst mal schnell Geld bekommt.

Von einem derartigen „Anerkenntnis“ machte auch der zweite Versicherer Gebrauch und schickte den Kunden nach einem Jahr Rentenzahlung zum Zweiten Gutachter. Dabei machte er den Fehler, sich nicht gleich zu positionieren, ob er nun anerkennt oder nicht.

Der als schutzwürdig angesehene Versicherte hat nämlich das Recht, eine Entscheidung zu erhalten.  Zwei Jahre haben sowohl der Vermittler als auch ein beauftragter Anwalt dieses nicht erkannt. Das fiel bereits bei der ersten Durchsicht der Unterlagen auf.

Mit dem fehlenden gebotenen Anerkenntnis war der Versicherer längst in die Leistungspflicht gekommen. Ihm drohte nun eine Nachzahlung mit anschließender Nachprüfung, den Leistungsfall hoffentlich beenden zu können. Ausgang ungewiss!

Dass das Nachprüfungsverfahren keine ausdrückliche Anerkenntnis des Versicherers voraussetzt, vielmehr das Bestehen der Leistungspflicht aufgrund einer fingierten BU nach sechs Monaten genügt, entspricht inzwischen der gefestigten Rechtsprechung (OLG Karlsruhe v. 30.09.2019 – Az.: 14-12 U 204/14; OLG Celle, 09.04.2018 – Az.: 8 U 250/17)

Der zweite Fall

Ein Versicherter kam mit einer unheilbaren Augenkrankheit, die altersbedingt war, auf mich zu. Er sei berufsunfähig und wollte deshalb aktuell Leistungen. Ich folgte dieser Meinung nicht, da die Augenerkrankung ein schleichender Prozess ist und behauptete, dass er wahrscheinlich schon länger berufsunfähig war.

Sorgfältige Recherchen ließen mich den Beginn der Berufsunfähigkeit über drei Jahre zurückdatieren. Das ist nach den neueren Vertragsbestimmungen möglich, da es keine Ausschlussfristen zur Anzeige des Versicherungsfalles mehr gibt (BGH Urteil VersR. 95,82) Der Versicherungsfall kann dadurch über Jahre zurück, zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit, beantragt werden.

Nichts geht über eine kompetente Begleitung im Leistungsfall. Das gilt auch für Vermittler, die ihren Kunden im Leistungsfall unterstützen möchten. Die Berufsunfähigkeitsversicherung gehört zu den wichtigsten Absicherungen der heutigen Zeit.

Vermitteln sollte ausschließlich Makler, die die Rechtsprechung kennen, sich regelmäßig fortbilden und spezialisiert sind. Deshalb scheiden Internetangebote meines Erachtens aus. Ist der Vermittler auch im Netzwerk tätig, kann er auf eine Fachanwältin wie Frau Dr. Lüdeking-Kupzok zurückgreifen, die bisher jeden Fall erfolgreich zu Ende brachte, wenn ein Anwalt nötig war.

Autor: Frank Dietrich

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