Wie Versicherer bei einer Olympia-Absage haften würden

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Die Ausbreitung des Corona-Virus beschäftigt zunehmend auch die Versicherungskonzerne. Nicht nur die Lebensversicherer oder Pensionskassen könnten von den Auswirkungen betroffen sein. Auch die Absage oder Verschiebung großer Sportevents dürfte sich in den Schadenbilanzen wiederfinden. Aktuelles Beispiel ist eine mögliche Absage der Olympischen Sommerspiele in Tokio.

So hoffen die Lebensversicherer, dass die Übersterblichkeit aufgrund von Covid-19 weitgehend auf ältere und nicht mehr versicherte Betroffene beschränken möge. Pensionsversicherer und Pensionskassen könnten gar von der höheren Sterblichkeitsrate außerordentlich profitieren. Seuchen und BU-Schäden sind jedenfalls unter Property-Deckungen jedenfalls im Fall von Pandemien ausgeschlossen. Das Autogeschäft könnte angesichts sinkender durchschnittlicher Fahrleistungen gar einen geringeren Schadenbedarf aufweisen.

In einem Bereich jedoch müssen an den Grenzen der Versicherbarkeit operierende Erst- und Rückversicherer einen vielleicht nicht für möglich gehaltenen Schadenkumul fürchten. Über den Daumen gepeilt könnte sie die Verschiebung bzw. Stornierung der UEFA-Turniere und der Olympischen Sommerspiele in Tokio etwa fünf Mrd. US-Dollar kosten. Um diesen Betrag hätten sich dann spiegelbildlich die primär exponierten Fernsehgesellschafter und Veranstalter entlastet.

Ähnliche Auswirkungen dürfte die aktuelle Krise auch auf Film-Projekte und aus sonstigen Sportarten wie etwa Basketball hinzukommen. Jüngstes Beispiel dabei ist die Absage der Eishockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz, die für Mai 2020 geplant war. Der Schaden dürfte sich konzentriert auf relativ wenige Marktteilnehmern beschränken. Streit mit Versicherungsnehmern hinsichtlich der Tragweite von Ausschlussklauseln sowie unter Retrozessionen hinsichtlich des Ereignisbegriffes erscheinen nicht ausgeschlossen.

Unter einer „contingency“ versteht man ein mögliches künftiges Ereignis mit negativen Auswirkungen. Erstmalig in Gebrauch ist das aus dem Spät-Lateinischen oder Altfranzösischen entlehnte Substantiv seit der Renaissance. Dies bezeichnet im Grunde jedes ungewisse und versicherbare künftige Ereignis (insurable interest).

Während viele Sparten im Lauf der Zeit eine sehr präzise Ausprägung erfahren haben und von einem allgemeinen Marktverständnis hinsichtlich ihrer Spielregeln geprägt sind (etwa Marine, Auto und Feuer) existiert ein weiter Bereich von sonstigen Wechselfällen des Lebens, für die es sowohl an klaren Spielregeln hinsichtlich des Risikotransfers als auch an aktuarieller Erfahrung gebricht.  Hier bewegt sich der Underwriter auf der Basis seines Instinkts und legt ein seat of the pants underwriting an den Tag. Der einzige Unterschied zwischen ihm und einem Buchmacher ist dabei der Umstand, dass der Versicherungskunde im Schadenfall – im Gegensatz zu einer Sportwette – noch eins Insurable Interest nachweisen muss.

Auswirkungen auf die Fußball-EM und Olympia

Doch was passiert bei der Verschiebung oder gar dem Ausfall großer Sportevents? So entschied der europäische Fußballverband UEFA vor wenigen Tagen, die für Juni geplante Europameisterschaft um ein Jahr auf 2021 zu verschieben. Die UEFA-Statuten enthalten zudem noch in Artikel zehn die Verpflichtung aller nationaler Clubs auf eigene Kosten für sämtliche von ihnen ausgerichteten Spiele in ausreichendem Umfang Veranstalterhaftpflicht-Deckungen zu unterhalten, in der UEFA mit abgedeckt wird.

Im Falle der Olympischen Sommerspiele plant das Internationale Olympische Komitee (IOC) bislang (noch) keine Verschiebung oder Absage des Sportevents. Dennoch werden anscheinend insgeheim bereits die Konsequenzen einer möglichen Verschiebung um ein bis zwei Jahre geprüft. Entsprechende Überlegungen hatte bereits Haruyuki Takahashi, Exekutiv-Mitglied des nationalen Organisationskomitees, geäußert.

Wesentliche Fernsehrechte liegen bei der US-Mediengruppe NBC (wiederum Teil von Comcast). Comcast’s CEO teilte mit seine Gruppe habe alle sich aus möglicherweise frustrierten Aufwendungen ergebende Risiken versichert. NBC hat bereits für 1,25 Mrd $ Werbung anlässlich der Spiele verkauft.

Die europäischen Rechte (Ausnahme: Frankreich) liegen bei Disney Eurosport, die für die 2020er und 2024er Olympiade zusammen 1,3 Mrd. Euro ausgeben wird. Im Fall einer kompletten Stornierung des Events (dies geschah bislang nur anlässlich von Kriegen 1916, 1940, 1944) wäre mit einem Totalschaden zu rechnen. Als wahrscheinlicher gilt jedoch eine Verschiebung der Spiele auf September 2020 bzw. auf 2021.

Nach jetzigem Kenntnisstand scheinen sich jedenfalls alle Käufer von TV-Rechten und wohl auch manche Sponsoren gegen einen Ausfall dieser beiden dank CoVid-19 kumulierenden Events versichert. Dabei ist wohl mit einem Marktschaden im Bereich von fünf Mrd. US-Dollar zu rechnen sein.

In welcher Höhe die Rückversicherer an der Schadenregulierung beteiligt sind und in welcher Form sie sich durch Retrozessionen entlastet haben, war auf Anfrage von VWheute bislang nicht zu erfahren. Das Wallstreet Journal ziitiert Torsten Jeworrek mit der Bemerkung, die Munich Re sei Teil eines Konsortiums, welches die Spiele mit einer Summe im dreistelligen Millionenbereich versichert. Die Swiss Re bestätige Medienberichten zufolge, dass sie im Falle einer Absage der Olympischen Spiele von Tokio mit einer Summe von 250 Mio. Euro aufkommen müsste.

Die Hannover Rück teilte mit, dass entsprechende Schadensätzungen „aufgrund der fortschreitenden Entwicklung des Coronavirus spekulativ“ seien. „Basierend auf der aktuellen Analyse beläuft sich unser maximales Risiko für Contingency (Ausfallversicherung) auf einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Die Deckung von entsprechenden Schäden in Contingency-Policen ist unser Geschäft und unsere Kunden, die Erstversicherer, vertrauen im Schadenfall auf die Zahlung. Von daher nehmen wir bei Schadeneintritt keine Schadenminderungsmaßnahmen vor. Gleichwohl fließen neue Risikoerkenntnisse in die Preisfindung bei Neugeschäft und in die Überlegungen zum Risikoappetit mit ein“.

Auch andere Sportarten könnten ähnliche kumulierende Schäden bringen. Nachdem sich ein Spieler der Utah Jazz kurz vor Spielbeginn positiv auf Corona getestet wurde, wurde gleich die gesamte Saison der National Basketball Association gestoppt. Ebenfalls ausgesetzt wurden in den USA Major League Soccer, National Hockely League, Major League Baseball sowie BNP Paribas Open (Tennis). Rugby Matches in Hong Kong und Singapore sind gleichfalls betroffen.

Der Formula-Eins Grand Prix in Bahrein findet ohne Zuschauer statt, der in China wird verschoben. Die Organisatoren scheinen aber keine Deckung für den Umsatzausfall platziert zu haben. Dies gilt auch für die Organisatoren des in Austin/Texas ausgefallenen Festivals South by South West. Ihre Police deckt Terror und schlechtes Wetter, schließt aber Pandämie sowie daraus resultierende behördliche Anordnungen aus.

Autor: Philipp Thomas

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