Ambient Assisted Living bietet neue Geschäftsmodell-Chancen für Krankenversicherer
Das Gesundheitssystem und auch die Krankenversicherung stehen am Beginn eines signifikanten Wandels. Wesentliche Treiber hierfür sind neue und insbesondere technische Entwicklungen in der Medizin. Am Beispiel von Ambient Assisted Living (AAL) zeigen wir, welche neuen Geschäftsmodell-Chancen Krankenversicherer für sich nutzen können und warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, zu handeln.
Der Gesundheitsmarkt entwickelt sich rasant weiter. Sowohl die Geschwindigkeit, mit der neue Entwicklungen auf den Markt kommen, als auch deren inhaltliche Signifikanz nehmen konstant zu. Experten sprechen von einer Revolution und prognostizieren, dass sich das Gesundheitssystem in allen Bereichen verändern bzw. erneuern wird und damit auch die Rolle der Akteure neu definiert.
Dementsprechend stehen auch die Krankenversicherer – als zentrale Akteure im Gesundheitsmarkt – vor einem großen Wandel. Veränderte Kundenerwartungen, neue technologische Möglichkeiten sowie enorme Fortschritte in der Medizin treffen als Treiber auf oft traditionell geprägte Versicherungsunternehmen. Für Krankenversicherer ist daher die zukunftsorientierte Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells erfolgsentscheidend.
Hierfür ist es unseres Erachtens wichtig, Innovationen im Bereich der Medizin aktiv zu verfolgen, deren Implikationen für Krankenversicherer zu eruieren und zu prüfen ob / wie diese in neuen Modellen integriert werden können. In unserem Beitrag machen wir dies am Beispiel Ambient Assisted Living (AAL).
AAL hat sehr viel Potential und zeigt eine steigende Relevanz, da die Lösungen zentrale gesellschaftliche Herausforderungen adressieren
AAL umfasst technische Entwicklungen und Assistenzsysteme, die dazu beitragen, die Selbstständigkeit sowie Lebensqualität älterer Menschen zu erhöhen und ihnen im Alltag Hilfestellungen zu leisten.[3] Wir sehen AAL als Entwicklung mit sehr viel Potential und für Krankenversicherer als interessante Chance, um sich auch im Bereich Pflege, als ganzheitlicher Gesundheitsdienstleiser zu positionieren. Gründe hierfür sind:
- AAL-Technologien adressieren eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung – nämlich den steigenden Bedarf an Pflegeunterstützung
- AAL-Technologien unterstützen den Wunsch älterer Menschen nach einem selbstbestimmten Leben
- Befragungen zeigen, dass Kunden den neuen Ansätzen relativ offen gegenüberstehen[4]
- Experten prognostizieren ein starkes Umsatzwachstum im AAL-Segment[5]
Trotz des erkennbaren Potentials werden viele AAL-Lösungen noch nicht in der Breite eingesetzt. Größere ganzheitliche Lösungen befinden sich aktuell vielfach noch in einem Forschungs- / Verprobungs-Status. Aber auch bei bereits marktreifen Angeboten stellen insbesondere die Finanzierung sowie die noch geringe Kenntnis zu den verfügbaren Lösungen wesentliche Hindernisse für Kunden dar.
AAL hat relevante Implikationen für Krankenversicherer und bietet interessante Chancen, das eigene Geschäftsmodell zu erweitern
Vor diesem Hintergrund haben wir die Implikationen von AAL-Technologien für Krankenversicherer in den drei Bereichen Geschäftsmodell, Operations und Leistungsausgaben analysiert (Details siehe vollständiger Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft). Auf Basis dieser Betrachtung sehen wir AAL als Entwicklung, die Krankenversicherer vor neue Herausforderungen stellen kann aber auch interessante Chancen bietet.
Es wird wichtig sein, den Bedarf, die Qualität und das Kosten-Nutzen-Verhältnis von AAL-Lösungen differenziert und fallbezogen zu betrachten. Unter dieser Prämisse können Krankenversicherer AAL nutzen, um das eigene Geschäftsmodell zu erweitern und das Pflegeprodukt für Kunden über greifbare Mehrwerte attraktiver zu machen. Da der Markt noch am Anfang steht, haben Krankenversicherer die Möglichkeit, die zukünftigen Geschäftsmodelle und den Markt aktiv mitzugestalten und sich in einer zentralen Rolle zu positionieren.
Krankenversicherer haben die Möglichkeiten die zukünftigen Geschäftsmodelle und den Markt aktiv mitzugestalten und sich in einer zentralen Rolle zu positionieren
Für die Positionierung und Mitgestaltung im Feld AAL sind verschiedene Ansätze für Krankenversicherer möglich. Wir haben uns an dieser Stelle auf Optionen für Private Krankenversicherungen (PKVen) fokussiert und bewusst ohne Begrenzungen (z.B. durch gesetzliche Vorgaben, Kalkulationsmöglichkeiten) gedacht.
Das heutige Geschäftsmodell im Bereich Pflegeversicherung kann in unterschiedlichem Umfang um AAL-Leistungen erweitert werden. Je weitgehender die Integration und Veränderung des Modells ist, desto größer werden der hierdurch generierte Kundenmehrwert, die Reichweite sowie die Mitgestaltungsrolle der PKV im Markt sein. Als mögliche Gestaltungsoptionen für PKVen sehen wir:
- Ergänzung der heutigen Versicherungsleistungen um Services im Bereich AAL
- Vertriebskooperationen mit AAL- bzw. Smart Home-Anbietern
- Entwicklung und Angebot von AAL-Tarifen
- Aufbau und Orchestrierung eines Pflege- und AAL-Ökosystems
Jetzt handeln oder noch warten? – Aus unserer Sicht überwiegen die Chancen …
Bei AAL handelt es sich um ein noch aufkommendes Marktfeld, was auch eine gewisse Unsicherheit bedeutet. Wir haben daher den möglichen Nutzen für PKVen (z.B. Neugeschäft, Kundenmehrwert) betrachtet und auch die Gefahren des Abwartens / „Nichts tuns“ (z.B. Kundenverlust) angedacht.
PKVen haben im Bereich AAL als „Early Mover“ strategische Vorteile. Sie können den Markt und das entstehende Ökosystem aktiv und in ihrem Interesse mitgestalten bevor der Markt von anderen Playern dominiert und definiert ist.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der aktuellen März-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.
Autoren: Herbert Oberländer, Head Consulting Insurance Operations, KPMG AG, und Martina Scheuler, Senior Manager, Management Consulting Insurance, KPMG AG