Starkregen: Die „Feuersbrunst des 21. Jahrhunderts“ wird weiter zunehmen
Die Sachsen und die Berliner haben einen gemeinsamen Feind: den Starkregen. Denn laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) waren diese beiden Bundesländer in den vergangenen 16 Jahren besonders heftig von Schäden durch verheerende Wolkenbrüche betroffen.
Insgesamt 6,7 Mrd. Euro mussten Versicherer und Hausbesitzer in den Jahren 2002 bis 2017 dafür ausgeben, die Schäden durch Starkregen an Wohnhäusern zu beseitigen – Tendenz steigend. In den besonders betroffenen Bundesländern Sachsen und Berlin waren von 1.000 Gebäuden jeweils gut 130 betroffen.
Auch Bayern (88), Nordrhein-Westfalen (86), Hessen (83) sowie Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (je knapp 82) gehörten zu den besonders von Schäden bedrohten Bundesländern. Das sind Ergebnisse des Forschungsprojekts „Starkregen“, das der GDV in den vergangenen vier Jahren gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) durchgeführt hat und dessen Ergebnisse gestern in Berlin vorgestellt wurden.
Starkregen wird jeden treffen
Dabei zeigen die Daten des DWD der vergangenen 16 Jahre, die dank moderner Messungen mithilfe von Wetterradarstationen möglich wurden, dass beim Starkregen anders als bei Überschwemmungen oder bei Dauerregenereignissen nicht die topografischen Gegebenheiten maßgeblich für Schadenanzahl und -höhen sind.
„Die Ereignisse verteilen sich laut unserer Erkenntnisse über das ganze Land“, erklärte Andreas Becker, beim DWD für die Niederschlagsüberwachung verantwortlich. „Es trifft also nicht nur bergige Gegenden, sondern genauso das Flachland.“ Die globale Erwärmung mit mehr heißen Tage und insgesamt höheren Temperaturen führe zur sogenannten Konvektion, bei der – vereinfacht ausgedrückt – vermehrt Feuchtigkeit aufsteigt, die sich in heftigen Regenfällen und Gewittern entlädt.
Das erklärt laut Becker auch das Phänomen, dass es in Dürrejahren wie 2018 besonders heften Starkregen gebe. Die Niederschlagsereignisse seien auf diese Weise um 14 Prozent gestiegen, alle fünf Jahre wird ein Gebiet statistisch gesehen von einem Starkregen heimgesucht. Dabei seien vor allem die kurzen, lokalen Regengüsse verheerend, vor allem deshalb, weil sie sich nicht ankündigen. Niemand dürfe sich in Sicherheit wiegen, denn wen es bisher nicht getroffen habe, der habe mehr oder weniger nur Glück gehabt. „Es ist unstrittig, dass es in Deutschland in Zukunft weit mehr Wetterextreme geben wird als bisher“, prophezeite er. In welchem Maße, dafür würden die ausgewerteten 16 Jahre als Datengrundlage allerdings nicht ausreichen.
Jetzt ist beim Bauen Umdenken notwendig
Oliver Hauner, Leiter Sachversicherung und Naturgefahrenexperte beim GDV, forderte von der Politik mehr Anstrengungen, um alle verfügbaren Daten systematisch zu erfassen, auszuwerten und in Handlungsanleitungen umzuwandeln. Bisher gebe es anders als etwa in Österreich und der Schweiz kein zentrales Portal für Naturgefahren, in dem sich Kommunen und Hausbesitzer bzw. Hausbauer darüber informieren können, mit welchen Gefahren sie verstärkt rechnen müssen und wie sie vorsorgen können. Denn in der Prävention liege die wichtigste Antwort auf die zunehmende Gefahr.
„Es muss jetzt damit begonnen zu werden Wohngebäude anders zu planen, zu bauen und auszurüsten, sonst haben wir in 20, 30 Jahren noch ganz andere Probleme als jetzt“, zeigte er sich überzeugt. Barrieren vor Türen und Kellerschächten, drucksichere Fenster und Rückstauklappen seien relativ einfach zu realisierende Vorsichtsmaßnahmen vor allem beim Neubau und bei der Sanierung. Dass nach wir vor nur 43 Prozent der Hausbesitzer eine Elementarschaden-Versicherung für ihr Haus abgeschlossen haben, hält er für bedenklich. „So gut wie jedes Haus ist gegen Sturm und Hagel abgesichert, doch den Schutz gegen extreme Regenfälle haben viele Hausbesitzer bislang vernachlässigt“, bedauerte er.
Auch die Angst vor Feuer sei wesentlich weiter verbreitet als die vor Starkregen, obwohl er diesen für die „Feuersbrunst des 21. Jahrhunderts“ hält. Dem Argument, dass nicht jedes Haus versicherbar sei, widerspricht er. Mit entsprechenden präventiven Maßnahmen und ggf. Prämienzuschlägen sei alles möglich. Es müsse allerdings ein Umdenken erfolgen, etwa was das ebenerdige Bauen betrifft. Ältere Häuser hätten nicht ohne Grund meist drei, vier Treppenstufen zur Eingangstür.
Häuser müssen wasserdicht werden
Das bestätigte der Baukonstruktionsforscher Thomas Naumann von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Er berichtete von einem Projekt der sächsischen Landeshauptstadt, bei dem das gesamte Dresdner Kanalisationssystem erfasst und notwendige Maßnahmen abgeleitet wurden, um besser auf Starkregen vorbreitet zu sein. Den Hut dafür habe das Umweltamt auf, es arbeite aber intensiv mit allen Beteiligten zusammen.
Denn überlaufende Kanalisationen seien ein wichtiger Grund für Schäden an Wohngebäuden. Daneben beschäftigen sich die Forscher damit, wie Häuser besser auf die Wassermassen vorbereitet werden können, indem sie gleich entsprechend gebaut werden; wie im Bestand automatische und mobile Barrieresysteme installiert oder wasserresistente Sockel nachgerüstet werden können bzw. wie man im Überflutungsfall Schäden minimieren kann, indem etwa teure Haustechnik entsprechend sicher aufgestellt wird.
Während man in großen Städten wie Köln und Bremen bei der Information und Prävention schon relativ weit fortgeschritten sei, hätten kleinere Kommunen aus Kostengründen häufig das Nachsehen. Naumann forderte daher, dass diese mehr Unterstützung bei der Vorbereitung auf künftige Starkregenereignisse bekommen.
Autorin: Elke Pohl