Tarifpoker der Versicherer: Verdi fordert sechs Prozent mehr Gehalt, AGV weitsichtigere Tarifpolitik

tomekwalecki auf Pixabay

Heute Nachmittag kommen in Wuppertal die Vertreter des Arbeitgeberverbandes AGV und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zu den Tarifverhandlungen für die rund 170.000 Beschäftigten im Innendienst der privaten Versicherungswirtschaft auf. Beide Seiten haben vor der ersten Verhandlungsrunde ihre wichtigsten Positionen bereits abgesteckt.

So fordern die Gewerkschafter eine Gehaltserhöhung um sechs Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Zudem will die Gewerkschaft eine neue Wahlmöglichkeit der Beschäftigten bei der Arbeitszeit durchsetzen. Demnach sollen die Angestellten künftig Tariferhöhungen in zusätzliche freie Tage umwandeln können. Ebenfalls auf der Agenda steht laut Verdi auch die unbefristete Übernahme der Auszubildenden und ein Rückkehrrecht auf Vollzeit für die heute tätigen Teilzeitbeschäftigten, die nicht unter die neue Brückenteilzeit fallen.

„Gute Arbeit im digitalen Zeitalter entsteht nur, wenn die Flexibilität – vor allem der Arbeitszeiten – beiden Seiten dient und neue Arbeitsformen auch für die Beschäftigten mehr Selbstbestimmung und Zeitsouveränität bringen“, fordert Verdi-Verhandlungsführerin Martina Grundler. „Um zukunftsfähig zu werden, müssen die Unternehmen der Branche nicht nur in neue IT-Infrastruktur, sondern in ihre Beschäftigten investieren“, so Grundler weiter.

Zudem sei es „an der Zeit, die Kluft zwischen der Nettoeinkommensentwicklung der Beschäftigten und den kräftigen Gewinnen der Unternehmen zu stoppen. Von den Beschäftigten werden immer höhere Leistungen und die Anpassung an die digitalisierungsbedingten Veränderungsprozesse der Branche gefordert. Arbeitsverdichtung und Arbeitsdruck nehmen zu. Diese Leistung verdient eine angemessene Bezahlung“, fordert die Gewerkschaftsvertreterin weiter.

AGV setzt auf Beschäftigungssicherung

Wenig verwunderlich indes, dass der Arbeitgeberverband AGV dies naturgemäß erst einmal anders sieht. „Der AGV strebt in Zeiten eines äußerst schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes sowie angesichts großer Herausforderungen für die Branche einen klar auf Beschäftigungssicherung ausgerichteten Tarifabschluss an. Hierzu gehört ein an den wirtschaftlichen Daten orientierter Tarifabschluss sowie eine Erhöhung der Flexibilität des Manteltarifvertrages. Hierzu gehören hingegen nicht ein überzogener Tarifabschluss, der zwangsläufig negative Beschäftigungseffekte auslöst und hierzu gehören auch keine Instrumente, die die Personalplanung deutlich erschweren“, heißt es in einer Stellungnahme für VWheute.

Die Gehaltsforderung der Gewerkschaft berücksichtige zudem „weder das aktuelle tarifpolitische Umfeld, noch die aktuelle Branchensituation. Ein Blick auf die anderen Teile des Finanzdienstleistungssektors – Privates Bankgewerbe und Volks- und Raiffeisenbanken – zeigt ganz andere Daten. Weitsichtige Tarifpolitik bedeutet, nicht erst dann zu reagieren, wenn eine Branche in einer tiefen Krise steckt, sondern die Tarifpolitik hat die Aufgabe, zur Krisenvermeidung beizutragen.“

Zudem habe die „Beschäftigungsentwicklung der Versicherungswirtschaft in den vergangenen beiden Jahren hat bewiesen, dass der wirtschaftlich für beide Seiten vertretbare Abschluss 2017 absolut richtig und im Interesse der Beschäftigten war. Entgegen so mancher Prognosen blieb die Beschäftigung beinahe konstant. Die Versicherungsbranche hat die Herausforderungen Niedrigzins, schwieriges Marktumfeld in der Lebensversicherung, und erhebliche Inverstitionen in den digitalen Umbau zu meistern. Ferner ist für das aktuelle Jahr mit einer deutlichen Eintrübung des Gesamtwirtschaftlichen Wachstums zu rechnen“, so der AGV weiter.

Arbeitgeber sehen Arbeitszeitautonomie „äußerst kritisch“

Der Verdi-Forderung zur Arbeitszeitautonomie stehe der AGV zudem „wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf die Personalplanung äußerst kritisch gegenüber. Dies auch wegen des ohnehin schon bestehenden hohen gesetzlichen Regulierungsrahmens, der den Tarifvertragsparteien letztlich keinen Gestaltungsspielraum mehr lässt. Hier haben die Gewerkschaften, die wesentlicher Treiber des gesetzgeberischen Handelns waren, uns das Wasser abgegraben. Sie dürfen sich daher nicht wundern, wenn für branchenbezogenen Akzente nun der Raum fehlt.“

Vielmehr will der Arbeitgeberverband „Fortschritte insbesondere bei den Themen an, die im Zuge der Manteltarifrunde 2018/2019 zu kurz gekommen sind“. Dazu zählen „mehr Gestaltungsspielraum für hochbezahlte Angestellte“ sowie eine „passgenaue Festlegung der Höchstüberlassungsdauer bei Arbeitnehmerüberlassung.“

„Der AGV wird seine Vorstellungen zur Modernisierung des Tarifmantels detailliert nach der ersten Verhandlungsrunde kommunizieren“, heißt es weiter.

Autor: VW-Redaktion