Prozess um Bußgeld-Regress: BGH wendet sich nach Luxemburg

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union (Bildquelle: Transparency International/flick/https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)
Wenn Unternehmen ihre Geschäftsführer für Kartellbußgelder in Regress nehmen können, dann dürften D&O-Versicherer wohl neue Ausschlüsse einführen. Soweit ist es noch nicht. Denn der BGH hat am Dienstag zur Haftungsfrage keine klärende Antwort gefunden. Denn eine nationale Regelung dazu könnte Europarecht widersprechen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll nun entscheiden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich gestern mit der Haftung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern für Kartellbußgelder gegen ihre Unternehmen. Am Ende entscheidet der Kartellsenat, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Frage klären soll, ob eine nationale Regelung, nach der Unternehmen für die Bußgelder ihre Geschäftsführer oder Vorstände in Regress nehmen können, Europarecht widerspricht. (Az. KZR 74/23) „Auch wenn eine Haftung der Führungsorgane für Kartellbußgelder nach deutschem Recht bejaht würde, könnte das nach europäischem Recht anders aussehen“, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Kirchhoff.
Gemäß des deutschen GmbH- und Aktiengesetzes haften die Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder bei Pflichtverletzungen für den Schaden, der der Gesellschaft dadurch entsteht. Umstritten in der Rechtssprechung ist bislang, ob das auch auf Bußgelder wegen Kartellrechtsverstöße zutrifft.
Ausgangspunkt des aktuellen Verfahrens, dass das Bundeskartellamt (BKartA) Bußgelder gegen mehrere Unternehmen aus der Stahlbranche verhängte, die zwischen 2022 und 2015 Preissysteme und Leistungszuschläge abgesprochen hatten. Eine Firma, die in das Edelstahl-Kartell involvierte war, musste 4,1 Millionen Euro bezahlen und wollte diese Summe plus weitere entstandene Kosten vom ehemaligen Geschäftsführer zurückerstattet bekommen. Schließlich habe er durch die Mitwirkung an Kartellabsprachen eine Pflichten als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied verletzt, argumentierte die Firma. Das Landesgericht Düsseldorf und das Oberlandesgericht Düsseldorf sahen das anders und urteilten, dass für das verhängte Bußgeld keine Regressmöglichkeit besteht.
Der BGH hat den Fall ans EuGH weitergeleitet. Wenn das BGH sowie das EuGH zu einer anderen Einschätzung als die Vorinstanzen kommen, hat das auch Auswirkungen auf D&O-Versicherer. „Sollte der BGH eine Regressmöglichkeit bejahen, wären Geschäftsführer und Vorstände existenziellen Haftungsrisiken ausgesetzt“, sagte Rechtsanwalt Lorenz Jarass von der Kanzlei Noerr gegenüber dpa. „Die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder liegen häufig im Millionen-, wenn nicht gar im Milliardenbereich, und in vielen Fällen greift, jedenfalls der Höhe nach, nicht der D&O-Versicherungsschutz für Geschäftsführer und Vorstände.“ Aktuell schließen einige Versicherer bereits die Übernahme von Bußgeldern aus. Das dürfte wohl gängige Praxis werden, wenn das BGH und das EuGH im Sinne der klagenden Firma entscheiden.
Autor: VW-Redaktion