Erstklassiger Kundenservice durch „Intelligent RPA“: Lernen aus der Kommunikation mit Versicherten
KI-Technologien gewinnen in allen Branchen zunehmend an Bedeutung. Auch in der Versicherungsbranche werden Unternehmen früher oder später auf KI-Unterstützung angewiesen sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Während Versicherer bereits erste Pilot-Projekte gestartet haben, zögern sie oft noch, KI-gestützte Systeme einzusetzen. Eine Analyse.
Dies liegt zum einen an der verbreiteten Annahme, eigene KI-Lösung entwickeln zu müssen, was hohe Kosten- und Zeitaufwände nach sich ziehen würde. Zum anderen stößt die Versicherungsbranche auf spezifische Herausforderungen: Personen- und Sozialdaten sind besonders schützenswert und benötigen dementsprechend geschützte (Cloud-)Server, um die Daten zu verarbeiten – ein Thema, das viele IT-Dienstleister erkannt haben und mit entsprechenden Zertifizierungen angehen.
Der Bedarf für KI in der Versicherungsbranche ist trotz der aktuellen Herausforderungen nicht zu leugnen: Unterschiedliche Kommunikationswege und große Datenmengen erschweren es, Kundenanfragen zeitnah und bedarfsorientiert gerecht zu werden. Chatbots unterstützen zwar bereits in der Erstkommunikation, können aber oft nur auf simple Anfragen und bereits bekannte Probleme reagieren. Das Aufdecken von Mustern in der Kommunikation ist aktuell genauso oft noch Zukunftsmusik wie das automatische Verarbeiten von eingescannten Anträgen oder Fotos von Kfz-Schäden.
KI-Technologieansätze mit vorhandenen RPA-Plattformen verbinden
Eine große Chance für den Einsatz von KI-Technologien bietet die Integration in bereits bestehende Softwarelösungen. Sowohl gesetzliche als auch private Versicherungen setzen heute bereits erfolgreich die Technologie Robotic Process Automation (RPA) ein. RPA nutzt softwarebasierte „Bots“, um regelbasierte, sich wiederholende und standardisierte Prozesse zu automatisieren. Diese Bots agieren auf der Benutzerebene durch Interaktion mit bestehenden Anwendungen und Systemen, ohne dass dabei tiefgreifende Änderungen an der IT-Infrastruktur vorgenommen werden müssen. RPA reduziert Fehler, beschleunigt Prozesse und entlastet Mitarbeitende, sodass sich diese auf komplexere und hochwertigere Tätigkeiten konzentrieren können. Die Technologie eignet sich besonders für Bereiche mit hohem Datenvolumen und starker Standardisierung, wie beim Adress- und Dokumentenmanagement oder bei der Verarbeitung von Mitgliedschaften.
RPA-Plattformen bieten unterschiedliche Infrastrukturmodelle, die auf versicherungsspezifische Anforderungen, wie beispielsweise Datenschutz, eingehen können. Für die Einbindung von KI-Tools stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Je nach Technologieansatz können eigene KI-Modelle trainiert und verwendet werden, oder bereits vortrainierte Modelle weiter verfeinert und auf prozessspezifische Bedürfnisse angepasst werden. Aktuell stehen drei technologische Ansätze bei der Integration von RPA mit KI besonders im Fokus: „Image Analysis“, „Document Understanding“ und „Communications Mining“. Diese (und weitere) KI-Ansätze bilden in Kombination mit Automatisierungstechnologien wie RPA den Bereich „Intelligent Automation“. Intelligent Automation stellt die nächste Entwicklungsstufe in der Digitalisierung dar: Während RPA regelbasiert automatisiert, können Entscheidungen nun dynamisch und intelligent getroffen werden.
KI-Ansatz 1 – Image Analysis
Bildanalyse oder Image Analysis ist ein KI-Werkzeug, bei dem Formen, Muster, Farben und Objekte in Bild- oder Videodateien erkannt werden, um Informationen zu extrahieren. Image Analysis kann die Kundenkommunikation bei Versicherungen verbessern, indem sie Prozesse beschleunigt, Transparenz erhöht und personalisierte Interaktionen ermöglicht. Kunden können beispielsweise Fotos eines Autounfalls hochladen und direkt Feedback erhalten, ob das Foto die angegebenen Teile des Autos abbildet. So kann nachträgliche Kommunikation reduziert und die wahrgenommene Effizienz und Verlässlichkeit verbessert werden. Außerdem kann bereits eine erste Schätzung des Schadens vorgenommen werden. Image Analysis minimiert zusätzlich menschliche Fehler und schafft Vertrauen durch objektive und konsistente Entscheidungen. Versicherer können Self-Service-Portale, Chatbots oder Apps mit Bildanalyse-Tools integrieren, sodass Kunden eigenständig Risiken bewerten oder Schadensfälle melden können, ohne lange Telefonate oder Vor-Ort-Termine wahrnehmen zu müssen. Insgesamt ermöglicht die Bildanalyse also eine schnelle, genaue und transparente Automatisierung von eingereichten Bildmaterialien.
Für Versicherungen ergeben sich außerdem zusätzliche Lerneffekte: Zum einen können Probleme mit Anforderungen und ungenauen Beschreibungen von hochzuladenden Bildern analysiert werden, um Web-Formulare zu verbessern. Zum anderen ermöglicht die Analyse von Bildmaterial Kostenprognosen und Trendanalysen. Dadurch können nicht nur Risiken besser bewertet werden. Solche Lerneffekte ermöglichen auch die Entwicklung verbesserter Produkte, indem beispielsweise Präventionsmaßnahmen auf häufige Schadensarten abgestimmt werden können.
KI-Ansatz 2 – Document Understanding
Document Understanding ist eine Technologie, die Versicherungen dabei unterstützen kann, Daten aus Dokumenten präzise und automatisiert zu extrahieren und zu verarbeiten. Mithilfe von KI und „Natural Language Processing“ (NLP) können verschiedene Dokumententypen – von Schadenmeldungen über Policen bis hin zu Rechnungen – schnell analysiert und relevante Informationen wie Kundendaten, Vertragsnummern oder Schadenssummen extrahiert werden.
Ein Anwendungsbereich ist die Schadenbearbeitung. Hier können Dokumente wie Schadenmeldungen und Gutachten automatisch analysiert werden, um relevante Informationen wie etwa Kosten und Art des Schadens sowie beteiligte Parteien zu extrahieren. Diese Datenextraktion kann mit RPA-Tools kombiniert werden, was die Bearbeitung beschleunigt und den manuellen Aufwand reduziert. Ein weiterer Use Case ist das Vertrags- und Policen-Management. Versicherungsunternehmen verwalten eine Vielzahl von Verträgen, die komplex und umfangreich sind. Document Understanding in Kombination mit RPA ermöglicht es, diese auf Vollständigkeit zu prüfen, relevante Informationen wie Deckungsumfang, Versicherungsbedingungen und Prämienhöhe zu extrahieren und automatisch in hauseigenen Softwaresystemen zu speichern. Dadurch können Mitarbeitende schneller auf Anfragen zugreifen, Vertragsänderungen effizienter durchführen und sicherstellen, dass alle Vertragsdetails korrekt erfasst und verwaltet werden. Auch bei der Rechnungsprüfung spielt Document Understanding eine Rolle. Versicherer müssen häufig Rechnungen für medizinische Leistungen oder Reparaturen prüfen. Durch das automatisierte Extrahieren von relevanten Daten wie Rechnungsbeträgen oder Leistungserbringern kann die Überprüfung und Genehmigung von Zahlungen schneller und fehlerfrei erfolgen. Document Understanding und RPA ergänzen sich folglich: Daten, die Roboter für die Verarbeitung benötigen, können mithilfe von Document Understanding zur Verfügung gestellt werden. Dies ermöglicht eine „End-to-end“-Automatisierung von dokumentenbasierten Prozessen.
KI-Ansatz 3 – Communications Mining
Communications Mining ist eine Technologie, mit welcher durch die Auswertung von Kommunikationsdaten wie E-Mails, Chat-Nachrichten, Bewertungen und Social-Media-Interaktionen Muster erkannt werden können. Ziel ist es, Probleme und Trends aufzudecken, die in der Masse der Daten verborgen sind. Um dies zu erreichen, nutzt Communications Mining beispielsweise Sprachmodelle und Techniken aus der „Sentiment“- und „Intent“-Analyse. Diese ermöglichen zu erkennen, ob ein Kunde positiv oder negativ gestimmt ist oder ob er ein Kaufinteresse zeigt. Konkret bedeutet das, dass Versicherer mithilfe von Communications Mining realistisch abschätzen können, welche Nachrichten priorisiert werden sollten, beispielsweise, weil die Kundenbeziehung gefährdet ist. Außerdem können für Kunden relevante Themen („Pain Points“) aufgedeckt und adressiert werden. Wenn sich Kunden beispielsweise in Bewertungen über die schlechte Performance bestimmter Webseitenelemente beschweren, kann dieses Problem nur angegangen werden, wenn Mitarbeitende die interne IT-Abteilung aktiv darauf aufmerksam machen. Mit Communications Mining können solche Probleme automatisiert identifiziert und frühzeitig angegangen werden. Versicherern ermöglicht Communications Mining folglich nicht nur eine schnellere und effizientere Reaktion auf Kundenanfragen, es schafft auch ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe.
Intelligent RPA in der Kundenkommunikation von Versicherungen – ferne Zukunft oder baldige Realität?
Der Einsatz von KI und RPA in der Versicherungsbranche bietet großes Potenzial, um Prozesse effizienter zu gestalten und die Kundenkommunikation zu verbessern. Technologien wie Image Analysis, Document Understanding und Communications Mining ermöglichen eine schnellere Bearbeitung, minimieren Fehler und schaffen wertvolle Einblicke in Kundenbedürfnisse. Trotz bestehender Herausforderungen mit Blick auf strenge Datenschutzanforderungen ist klar, dass Unternehmen, die frühzeitig auf diese Innovationen setzen, langfristig wettbewerbsfähiger sein werden. Dabei ist es essenziell, die eigenen Anforderungen an KI-basierte Automatisierungslösungen zu verstehen. Erfahrungen in Pilotprojekten mit sogenannten „Proof of Concepts“ – unterstützt durch starke Partner, die Expertenwissen mitbringen – sind dafür unabdingbar.
Autoren: Leonie Prümm und Ferhat Yildiz, beide bei adesso SE