Langsam, aber stetig: Wie Lebensversicherer ihre Kapitalanlage anpassen

Achim von der Lahr, Geschäftsführer der Wealthcap. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH. Quelle: Thorsten Jochim

Fast 27 Mrd. Euro. So viel haben deutsche Lebensversicherungen zwischen 2015 und 2020 in Immobilien investiert und damit ihr Immobilien-Exposure von 35 Mrd. auf nahezu 62 Mrd. Euro erhöht. Und doch scheint diese beeindruckende Summe wie ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Rahmen der Studie „Future Asset Allocation“ von Wealthcap gibt jede fünfte Lebensversicherung an, mit der aktuellen Portfolioallokation ihre Renditeziele in den nächsten drei bis fünf Jahren nicht zu erreichen. Von Achim von der Lahr.

Die lang anhaltende Niedrigzinsphase zwingt institutionelle Investoren zu massiven Anpassungen der Portfolioallokationen, auch die deutschen Lebensversicherungen. Anstelle von Staatsanleihen und anderen festverzinslichen Assets wird auf der Suche nach Rendite verstärkt in Aktien sowie illiquide Sachwerte investiert. Immobilien kommt dabei eine besondere Rolle zu, da sie sich relativ wenig volatil entwickeln und stabile Mieterträge ermöglichen. Zudem ist der Markt größer und transparenter als viele andere Real-Asset-Klassen. Warum aber sorgt sich dann trotzdem noch immer jede fünfte Lebensversicherung um ihre Renditeziele?

Ein Prozentpunkt entspricht zehn Milliarden Euro

Dies erklärt sich, wenn man die Perspektive von den absoluten zu relativen Zahlen wechselt. 62 Mrd. Euro in Immobilien (2020) entspricht bei Lebensversicherungen, nämlich „lediglich“ einem Portfolioanteil von 6,1 Prozent. 2015 lag dieser Anteil noch bei 4,1 Prozent. Damit ist ihre Immobilienquote niedriger als bei den meisten anderen Investorengruppen. Zum Vergleich: Die Versorgungswerke als Spitzenreiter weisen eine Immobilienquote von mehr als 20 Prozent auf. Ähnlich sieht es übrigens bei den Aktienquoten aus: Sie liegt bei Lebensversicherungen lediglich bei vergleichsweise geringen 5,1 Prozent, fünf Jahre zuvor waren es noch 4,2 Prozent. Jede sechste Lebensversicherung hat überhaupt keine Aktien im Portfolio.

Woher kommt nun diese relative Zurückhaltung der Versicherungen bezüglich der Immobilienquote? Mangelndes Interesse ist es in den wenigsten Fällen, sonst flössen nicht so viele Milliarden – und das bestätigt auch die Studienumfrage. So mancher Anlagestratege würde viel mehr in Immobilien investieren, wenn er denn könnte. Doch man muss sich vor Augen führen: Aktuell entspricht ein Prozentpunkt der Kapitalanlage aller Lebensversicherungen einem Volumen von etwas mehr als zehn Milliarden Euro. So viel Kapital kann der Immobilienmarkt nicht in kurzer Zeit absorbieren.

Der zweite Grund ist die Regulierung: Die meisten Versicherungen unterstehen nicht (mehr) der Anlageverordnung innerhalb des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), sondern der Umsetzung der EU-Richtlinie Solvency II. Damit müssen sie bei der Kapitalanlage zwar keine starren Höchstanlagequoten erfüllen, dafür aber ihre Asset Allocation mit ihrem Solvabilitätskapital und den Anforderungen aus ihrem Versicherungsgeschäft in Einklang bringen. Angesichts der Herausforderungen in zinsloser Zeit scheint sie das weniger flexibel zu machen als anders regulierte Investoren wie etwa Versorgungswerke.

Der große Tanker steuert träge um

Auch wenn der große Tanker Versicherungen vergleichsweise träge umsteuert – ein Kurswechsel ist dennoch erkennbar. Immerhin liegt die Immobilienquote höher als in den vergangenen Jahren, und auch die Aktienquote ist gestiegen, liegt aber noch immer hinter den Quoten aus den Boomjahren (vor Solvency II) zurück.

Ebenfalls eine starke Veränderung zeigt sich bei den alternativen Investments, dazu werden illiquide Assetklassen wie Private Equity, Private Debt oder erneuerbare Energien gerechnet. Seit 2013 wurde hierbei die Anlagequote kontinuierlich ausgebaut und betrug 2020 4,9 Prozent – ebenfalls Höchststand. Von den befragten Lebensversicherern schätzen rund 32 Prozent Private Equity als besonders interessant im Bereich der illiquiden Assets ein, 34 Prozent erneuerbare Energien und Infrastruktur, immerhin acht Prozent Private Debt.

Indirekte Investments liegen im Trend

Auffällig ist die starke Konzentration der Investments gerade bei Immobilien auf Fondsstrukturen. Der Portfolioaufbau von 27 Mrd. Euro zwischen 2015 und 2020 entfiel per Saldo vollständig auf indirekte Investments. Die Allokation in direkten Immobilieninvestments war vom Höchstwert von 13,1 Mrd. Euro im Jahr 2015 ausgehend sogar leicht rückläufig auf etwa 11,4 Mrd. Euro im Jahr 2020.

Im Vergleich dazu verzeichnen indirekte Investments einen dynamischen Zuwachs. 2009 betrugen die indirekten Investitionen 6,1 Milliarden Euro, 2015 bereits 22 Milliarden Euro. In einer kontinuierlichen Entwicklung ist die Summe der indirekten Immobilieninvestitionen seither bis 2020 auf 50,3 Milliarden Euro angewachsen. Der Civey-Umfrage zufolge vertrauen mehr als 50 Prozent der befragten Lebensversicherer bei Real-Assets-Investments auf Fondsstrukturen. Dieser Trend zum indirekten Investment kann auf die relativ hohe Komplexität dieser Assetklassen sowie die Möglichkeiten einer breiteren Diversifikation zurückgeführt werden.

Der benötigte Umbau des Portfolios läuft bei den Versicherern eher behutsam ab. Dies liegt einerseits am hohen Kapitalanlagevolumen, was Versicherer zur größten Investorengruppe in Deutschland macht. Aktuell können große Portfolioanteile wegen der beschränkten Marktsituation für Immobilien und weitere Real Assets nicht unmittelbar umgeschichtet werden. Hinzu kommen die hochkomplexen regulatorischen Vorgaben – vor allem „Solvency II“ sowie eine aufwendige Bürokratie und der Kostenfaktor. Langfristig betrachtet werden sich die Allokationen trotz dieser Hürden dem veränderten Kapitalmarktumfeld weiter anpassen.

Zum Autor: Achim von der Lahr ist Geschäftsführer des Real Asset und Investment Managers Wealthcap in München.

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